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Brandi, Karl [Oth.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0104

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86

Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klosters und die Fälschungen des Odahich.

illis exhibe» —; doch begründet er diese Sorge sehr drastisch: «et omnem occasionem uagandi et
exeundi atque murrnuraudi penitus exime». Auch seine Fälschungen für das Kranken- und Bad-
haus beutet er hier aus, indem er betont, daß die kranken Brüder besonders gut, vor allem durch
warme Bäder, zu pflegen seienDoch bemüht er sich nicht minder um die Ordnung und Regel-
mäßigkeit des gemeinsamen Lebens; in demselben Dormitorium sollen alle Brüder schlafen2), zu
gleicher Zeit soll man essen2), zu gleicher Zeit sich rasieren3).

e. Die familia foris.

Die familia foris, d. h. die auf den Gütern angesiedelten und zu gewissen Diensten und
Naturalleistungen verpflichteten Eigenleute des Klosters % standen nicht mehr unmittelbar in der
Verfügung der Mönche; vielmehr beaufsichtigte sie ein Minister des Abts, ein Villicus oder Celle-
rarius und der Vogt übte über sie das Gericht. Dafür aber hatten diese Leute es mit der Zeit zu
einem festen Standesrecht gebracht5). Der Custos Odahich hat uns ein solches aufbewahrt [Nr. 2}\
es betrifft die Leute von Ermatingen, welche den Meßwein an das Kloster zu liefern hatten; ich
vermute, daß der unmittelbare Zusammenhang, in welchem der Custos der Kirche dadurch zu
diesen Leuten stand, zur Aufzeichnung ihres Rechtes veranlagte.

Das Gericht haben die Klosteiieute von Ermatingen nur vom Abt oder Vogt zu nehmen, man
darf aus Nr. 7 hinzufügen, daß Standesgenossen in demselben das Recht finden sollen6). Ihr
Besitz gehört ihnen nach Erbrecht, doch sind sie zu einer Erbgangssteuer und zur Todi'allabgabe
verpflichtet7); dagegen ist die Verheiratung nicht belastet, es sei denn, daß jemand seine Tochter
außerhalb der Familia des Klosters8) verehelicht; nur in diesem Falle zahlt er eine Buße von
5 Solidi. Vom Heeresdienst sind die Leute natürlich befreit, sie entrichten aber auch keine Heer-
steuer, sondern dienen statt dessen dem Kloster9). Niemals endlich dürfen sie zu Lehen oder zu
Eigen vergeben, noch irgendwie dem Kloster entzogen werden.

Das Recht ist ungefähr dasselbe, wie anderorts10); doch sind aus dieser frühen Zeit, zumal
vom Oberrhein, die Aufzeichnungen selten; unser Hofrecht ist deshalb um so schätzenswerter. ■—

3. Die ]N£misterialeii und der ZKlostervog't.

Wenn auch durch die Immunität der Insel den unmittelbaren Belästigungen der Mönche
seitens der Vögte und Ministerialen vorgebeugt war, indirekt mußten deren Ansprüche an das
Klostergut bei der Einheitlichkeit der Verwaltung auch auf die engeren mönchischen Interessen
empfindlich zurückwirken. Daher ist es ganz erklärlich, daß der Custos Odahich es sich schließlich

') Nr. 59: «in inflrmis autem fratribus plurhna diligentia est attendenda, . . . nam et balneis ut eo celerius con-
ualescent, sicnt Karolus illis constituit de silua sua debent procurari»; ähnliches schreibt übrigens schon die regula
cap. XXXVI [de inflrmis fratribus] vor. Merkwürdig äußert sich des Odalrich Rücksicht auf die kranken Mitbrüder
in der TJrk. Walahfrids [Nr. 93]: «cottidie warmosium [Kohl, Kraut oder Mus allgemein? vergl. Diefenbach, glossar.
s. v. olus.] fratribus tribuatur . . et hoc ideo, si quis fratrum de tribus ferculis [Gänge], quij cottidie eis dantur propter
infirmitatem stomachi non cibetur, saltim de quarto, quod et warmosium pro lenitate cibi reficiatur». —

2) Wie die Regula es verlangte: cap. XXII bezw. XLI.

8) Auf das Rasieren scheint man besonderes Gewicht gelegt zu haben; die Einsiedler Consuetudines [Stud.
u. Mitteil. a. d. Ben. Ord. 1886, II, p. 289] verordnen: «qui non fuerit rasus ad missam, de ordine aliorum removeatur».

4) Wie etwa die schon erwähnte Familia in Rörnang, welche Holz für das Badhaus zu fallen hatte. B)Baumann 1,515.

6) Nr. 7: «[advocatus] nulluni de familia sine iusta sociorum suorum deliberatione dampnet vel coerceat».

") Nr. 2: «quando quis eorum moritur habens heredem, nouem solidos et sex nummos in usualem sumptuni
monachorum componat, . . pro casu autem patris animal preciosissimum, quod si animalia non habet, facultatuin
suarum portionern maxime ualentem tribuat». ») «extra societatis terniinum.»

9) «nullumque herebannum persoluant, seil Interim monasterio in ediflciis, ad quod pertinent, fideliter
deserviant.» — 10) Baumann a. a. 0. Waitz D. V. G. V, 273 ff. —
 
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