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Brandi, Karl [Oth.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0050

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32

Kritik der Fälschungen.

IL Kritik der Fälschungen.

v on den Reichenauer Urkunden mußte eine große Zahl in der vorliegenden Gestalt als
gefälscht bezeichnet werden; dieselben sind auf die Namen Karl Martells [Nr. 1. 2], Karls d. Gr.
[Nr. 3. 4. 5. 7. 8], Karls III. [25. 27. 82), Arnolfs [35. 37. 30. 44. 45], Ottos III. [58. 5!)}, Heinrichs II. [63]
und Abt Walahfrids [02] ausgefertigt1). In dieser von ihnen beanspruchten Bedeutung kommen die
Urkunden also nicht mehr in Betracht; trotzdem aber dürfen wir sie noch in doppelter Hinsicht als
historische Quellen schätzen; wir haben zu unterscheiden, was bedeutungslose Einkleidung ist, und
Avas andererseits für das selbständige, beabsichtigte Werk des Fälschers angesehen werden muß;
jenes interessiert uns insofern, als es das dem Fälscher zur Arerfügung stehende, jetzt vielleicht
verlorene Material darstellt, dieses aber als ein durch die thatsächlichen Verhältnisse eingegebener
Ausdruck der Wünsche und Bestrebungen des Fälschers. Es wird sich demnach im folgenden
darum handeln, die Fälschungen in allen Teilen auf ihre Zusammensetzung zu prüfen und in ihnen
zu scheiden.

1. Das Außere der Fälschungen; Pergament und Besiegelung.

Während Nr. 25. 27. 37. 30. 4.5 auf neuem Pergament geschrieben, soweit erkennbar, wenigstens
echte Siegel tragen, wurden alle übrigen Fälschungen auf dem Pergament vernichteter Kaiser-
urkunden eingetragen; war es Mangel an Material oder aber von vornherein das Streben des Fälschers,
einen möglichst täuschenden Karakter seiner Machwerke zu erreichen, — genug, der Verfasser aller
dieser Fälschungen schabte den Text einer Reihe von Kaiserurkunden, die für das Kloster vielleicht im
Augenblick ein geringeres Interesse hatten, bis auf verschwindende Reste ab und verwandte diese durch
echtes Siegel, oft durch erhaltenes Rekognitionszeichen verbürgten Pergamente für seine Zwecke2).

In manchen Fällen muß man sich darauf beschränken, festzustellen, daß überhaupt ein Palimpsest
vorliegt, und auch dieses kann bei 2 u. 02 nur wahrscheinlich gemacht werden; von der über-
wiegenden Menge dieser Urkunden aber ist aus den unversehrten Resten mit Sicherheit Herkunft
und Form des vernichteten Diploms zu ermitteln, so daß auch sie einen kleinen Beitrag liefern zur
Wiederherstellung des alten Reichenauer Archivbestandes.

') Außerdem schienen A~r. 6. 15. 77 gefälscht; da sie nur in dürftigen Auszügen, 77 nur in unvollstän-
diger Übersetzung bei Oheim vorliegt, muß im folgenden von ihnen abgesehen werden; mehr wie die Thatsache der
Uneclitheit ist eben über sie nicht zu ermitteln.

2) Das Verfahren ist kein seltenes, einzelne Fälle verzeichnet AVattenbach, Schriftwesen im Mittelalter p. 183,
wo auch über die Technik gehandelt ist; andere sind Kais.-Urk. i. A. II, 21; IV, 27 dann N. A. III, 057 besprochen;
vergl. jetzt: Breßlau, U. L. p. 975, Note 3; nirgends findet man eine so systematische und ausgedehnte Anwendung
dieser bedenklichen Kunst, wie bei den Reichenauer Fälschungen. —
 
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