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Brandi, Karl [Bearb.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0095

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Günstige Entwicklung der Verhältnisse des Klosters nach außen.

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scheinen. Thatsächlich beschäftigte sich unser Fälscher nicht näher mit dem Verhältnis des
Klosters zum Reich; von den einmal vorhandenen Privilegien ließ er wenige in kurzen Auszügen
schon von Karl Martell [Nr. 1. 2] und unter Mitwirkung Papst Gregors V. von Otto III. bestätigen
[Nr. 58]. Sie betreffen die Leistungen an das Reich und da der Abt, um diese zu erfüllen, nur
zu oft auch das zum Unterhalt der Mönche bestimmte Klostergut angriff, mochte der Custos Odalrich
ein gewisses Interesse daran haben, sie recht anselmlich bestätigen zu lassen. —

Q. Kirchenrechtliclie Stellung' des Klosters.

Bei der frühzeitigen Bedeutung der Klöster für das kirchliche und öffentliche Leben erstrebten
und gewannen die Diözesanbischöfe einen weitgehenden Einfluß auf die ursprünglich unabhängigen
Korporationen. Ein bestimmtes Aufsichtsrecht mit Disziplinargewalt wurde ihnen bald durch Konzils-
beschluß zugebilligt1); doch suchten die Bischöfe im Lauf der Zeit nichts geringeres, als die gesamte
Vermögensverwaltung, die Handhabung der inneren Disziplin und die Verfügung über den Abts-
stuhl zu erreichen. Veranlassung zum Eingreifen boten die Jurisdiktion und die Benediktion des
Abts zur Genüge. Wie weit diese Macht über die Klöster ausgedehnt ist, ersieht man aus den
Privilegien, durch welche die Bischöfe seit dem VII. Jahrb. anscheinend freiwillig wieder auf einen
Teil ihrer Verfügungsrechte verzichten2). Auch die Reichenau ist trotz ihrer ursprünglichen Be-
ziehungen zu den Karolingern eine Zeitlang in bedenklich nahe Verbindung mit Konstanz geraten.
Wenn nach dem Abtskatalog die Äbte Ermanfrid [734—746], Sidonius [74G—7G0J und Johannes
[760—780] zugleich Bischöfe von Konstanz waren, ist deutlich, daß sich bei dieser Verbindung
nicht das Bistum, sondern das Kloster in Abhängigkeit befand. Seit 780 finden wir dann aber
wieder Abtei und Bistum getrennt; ob die Initiative vom Bischöfe ausging oder, wie die Tradition
Avill, von Karl d. Gr.3), der danach die alten Rechte seines Hauses hergestellt hätte, ist nicht er-
sichtlich; genug, von einem Eingriff des Bischofs in die laufenden Klostergeschäfte ist nicht mehr
die Rede. Die kirchliche Jurisdiktion über die Leute des Klosters blieb freilich nach wie vor beim
Bischof; auch die Benediktion des Abts, die Priesterweihe, die Erteilung der niederen Grade, die
Altar- und Kirchen weihe stand ihm allein zu; sein Einfluß auf das Kloster war deshalb keineswegs
gehoben. Wollte man sich dieser immerhin lästigen Abhängigkeit entziehen, so kam es darauf an,
in eine nähere Verbindung mit dem römischen Stuhl zu treten4); freilich folgte aus der Aufnahme
unter apostolischen Schutz oder aus gewissen Abgaben noch nicht sofort die gänzliche Befreiung
von der bischöflichen Gewalt, alter ein Privileg gab leicht das andere und die nähere Beziehung
zu Rom konnte in Streitigkeiten mit dem Bischof nur vorteilhaft sein5).

Seit dem X. Jahrb. findet sich die Aufnahme in ein besonders enges Verhältnis zu Rom
bei deutschen Klöstern zunächst vereinzelt«); das Maß der damit verbundenen Rechte ist durchaus

') Konz. v. Chalcedon, Löning K. K. I, 340.

*) Löning II, 377 ff. Roth, p. 202. Montag, Staatsbürg. Freiheit II, 235 [exemtio ordinaria].

>) RÜSChung Nr. 4; ich habe p. 40 ausgeführt, daß für dieselbe keine urkundliche Vorlage benutzt sein kann;
vielmehr schien die Analogie zu der von Sickel als unzutreffend erwiesenen Darstellung Ratperts zu offenkundig, als
daß man auf die Nachricht wirklich Gewicht legen dürfte; vergl. übrigens zu Karls Reise BM. 222d u. Nachtrag.

«) Walfa D. V. G. VII, 218 Allein gelegentlich haben auch die Konige aus eigener Machtvollkommenheit
Klöster der bischöflichen Jurisdiktion und Disziplinargewalt entzogen, z. B. Otto I. f. Hersfeld, 908 [St. 444, DD. 350]. -

») Das kirchenrechtliche Verhältnis der Abteien zum Diözesanbischof und Papst hat mit einiger Ausführlich-
keit bis jetzt nur Montag, Staatsbürgerl. Freiheit II, 235 ff, 531 ff. behandelt. - Friedberg, Kirchenrecht 210;
Philipps, Kirchenrecht VII. § 448. , ,

•) Waitz a a O Schulte in den Straßburger Studien II [1884], 87. Vergl. die Listen des Cencius Came-
rarius [Muratori,' Anfiq. Ital. V, 852 ff] p. 903: «ista sunt nomina abbatiarum . . saneti Petri - in Alemannia:
Vuldense monasterium . . . Augense . .»
 
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