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Brandi, Karl [Bearb.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0098

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Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klosters und die Fälschungen des Odalrich.

getrennt und als Sonderverwaltung organisiert1). Andere Beamten machten die erweiterten Auf-
gaben des Klosters erforderlich2).

Das Klostergut war prinzipiell einheitlich3). Es entstand durch fromme Schenkungen,
deren Beweggrund immer derselbe war, nämlich durch Förderung des Klosters für das ewige Heil
zu wirken; eine Verschiedenheit der Traditionsformeln konnte unmöglich eine rechtliche Verschieden-
heit des Gutes zur Folge haben4). Die Verwaltung des Klostergutes aber führte nach und nach eine
faktische Teilung der Einkünfte herbei. Schon die Regula trennt Mensa und Coquina des Abts
wegen ihres Zusammenhangs mit der Verpflegung der Gäste von denen der Brüder5). Thatsächlich
sehen wir bereits in den ältesten Klosteranlagen, z. B. in St. Gallen, das Claustrum clor Mönche
mit seinen Ökonomiegebäuden und die Abtswohnung mit Hospiz und ebenfalls eigenen Wirtschafts-
räumen voneinander geschieden6). Dasselbe Prinzip, die Mönche unberührt von dem Treiben der
Außenwelt zu lassen, führte zu einer förmlichen Gütertrennung, als im Laufe des IX. Jahrb., die
Vergabung von Klostergut zu Lehen in übertriebener Ausdehnung vorgenommen werden mußte.
Die Ansprüche des Reiches auf die Heerfahrt des Klosters und die Beschränkung des Heerdienstes
auf die Reiter hatte, wie bereits erwähnt, dazu Veranlassung gegeben7). Nun überwies der Abt die
Nutznießung bestimmter Teile des Klostergutes den Mönchen für ihren täglichen Lebensunterhalt,
ohne dadurch auf sein eigenes Verwaltungsrecht zu verzichten8). Immerhin waren so bestimmte
Güter festgelegt, die nun ihrerseits wieder für allerlei Einzelzwecke aufgeteilt wurden9). Gewisse
Einkünfte werden für den Haushalt bestimmt; der Chef derselben, der Cellerarius, hat sie ein-
zunehmen10); andere fallen an die Kamera, an das Krankenhaus der Brüder11), an die Schule12),
an die Kirche, deren Schatz der Gustos verwaltete13); — eine Scheidung, die wirtschaftlich be-
denklich war und das Klosterleben ruinieren mußte, als sie zu selbständigen Pfründen führte14).

') Vor allem die Kamera mit dem Kamerarius [Nr. 105].

-) Vorstand des Hospitals und des Armenhauses, der Schule, des Schatzes und Archivs; v. Arx, Gesch. v.
St.Gallen I, 178; vergl/Nr. 105 [1181]: «. . N. de domo pauperu m, N. scolasticus, N. custos, N. de domo inflrmorum . .». —

3) Reg. cap. XXXIII: «omnia omnibus sint communia»; Friedberg, Kirchenrecht, 212. — Da die Reichsabteien
sich im Eigentum des Reichs befanden, war auch das gesamte Klostergut Reichsgut; jede Vennehrung desselben
konnte rechtlich nur dem Reiche zu gute kommen [Löning II, 640], und durch eine vom Abt vorgenommene Teilung
des Klostergutes für die Verwaltung wurde dem Reiche gegenüber rechtlich nichts geändert; von einem «Eigentum»
der Mönche am Pfründengut kann nur mißbräuchlich die Rede sein.

4) Wie Matthäi, p. 15—20 anzunehmen geneigt ist.

•'•) Reg. cap. LIU: «coquina abbatis et hospitum super se sit, ut incertis horis supervenientes hospites,
qui numquam desunt monasterio, non inquietantur fratres». Cap. LVI: «mensa abbatis cum hospitibus et pere-
grinis sit Semper».

6) v. Schlosser, Die abendländische Klosteranlage. Wien. 1889, p. 34. — Schi, vermutet übrigens, daß
Reichenau die Heimat des berühmten St. Galler Baurisses sei.

'•) Vergl. p. 76; Roth, Beneflziahvesen, 203; Waitz VIII, 384; Löning II, 095 (f.; — fur die Bpatere Zeit [saee.
IX.—X.] gründlich behandelt bislang nur von Matthäi, p. 24 ff.

*) Matthäi, p. 20. Wenn die Verwaltung Abt und Mönchen zugesprochen wird, Bo bezieht sich das Hin-
auf das reguläre Beratungsrecht der Mönche; ob diese gelegentlich auch selbständig gewirtschaftet und über ihr
Gut verfügt haben, wie es nach den Stellen bei Matthäi, p. 21, Note 3, den Anschein haben könnte, ist mir
sehr zweifelhaft.

s) Das Hospiz hatte anscheinend schon vorher eine garantierte Selbständigkeit; es bezog die Kirchen- und
Herrenzehnten: BM. 1201. 1452. 1677. 17S3. 1919; St. 210. 001. -

">) Ep. Wibald. 93: «villa Tornines, quae ad cotidianam praebendam fratrum [v. Stablo] pertinet»..
») Montag, Staatsbürgl. Freih. II, 215, der ganz richtig nur von der Teilung der Einkünfte redet.

12) Dronke, p. 342: Sondergüter für die Scholasterei «pro pueris nutrieudis».

13) Abt Konrad von Ottobeuern veräußert einen der Klosterkirche bestimmten Kelch, ersetzt ihn aber dem
Custos durch eine gute Hube. Baumann I, 443.

M) Lamprecht I2, 834 ff. «Jedes Amt . . bildete zugleich eine Rezeptur; es nahm direkt alle für seine Funk-
tionen unmittelbar notwendigen Mittel ein.» — -
 
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