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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 3.1906/​1907

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Wolter, Franz: Die Internationale Kunstausstellung der Münchner Sezession 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.53750#0088

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68

AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SEZESSION 1906 ^3

DIE INTERNATIONALE KUNST-
AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER
SEZESSION 1906
Von FRANZ WOLTER
Nicht recht will das Wort »International«
zu der diesjährigen Vorführung von ma-
lerischen, plastischen und graphischen Werken
passen, wenn man das Gesamtbild der Aus-
stellung näher prüft. Mehr als sonst üblich,
treffen wir durchwegs auf Münchener Kunst
und was das Ausland mit wenig Ausnahmen
gesandt, verliert sich unter der Menge, als
nicht hervorragend gewählte Produkte frem-
den Bodens. Von den berühmten Berliner
Künstlern, die sonst tonangebend im Norden
sind und dies auch in Isar-Athen sein möch-
ten, findet man nichts. Liebermann und sein
ihm ergebener Kreis von teils selbst leuch-
tenden, teils von erborgtem Licht strahlenden
Sternen fehlt. Auch die Größen Münchens,
gerade die, welche der Sezession ihre Sig-
natur gaben, wie Uhde, Herterich etc. schick-
ten keine Werke, trotzdem bietet die Aus-
stellung eine Reihe trefflicher Leistungen, die
erkennen lassen, daß die Münchner Sezession
als ein bedeutsamer Faktor in der Kunst-
entwicklung zu betrachten ist. Dazu kommt
noch die im oberen Stockwerke untergebrachte
Galerie, welche einen erheblichen Zuwachs
an Kunstwerken zu verzeichnen hat. Unter
anderen erfreuen hier den Besucher einige
kleine hochinteressante Arbeiten Albert
v. Kellers, die den Künstler in seinem
besten Können charakterisieren; außerdem
ein großes Selbstbildnis von Freiherrn von
Habermann, Werke von Arthur Lang-
hammer, Bruno Piglhein und Wein-
hold. Die Hauptsache nun, der Grund wes-
halb wir im großen und ganzen eine gute
Ausstellung sehen, liegt in dem einheitlichen
Prinzip, in der ganzen, künstlerischen Schu-
lung der Sezession überhaupt, dann in dem
Ausnützen der malerischen Mittel zu rein
dekorativ-künstlerischen Wirkungen, welche
den Beschauer völlig gefangennehmen, und
zu guter Letzt in dem vornehmen, geschmack-
vollen Hängen der Bilder. Nirgends werden
Werke so brillant gehängt wie in München
und dortselbst nirgends so raffiniert fein,
wie in der Sezession. Sogar mindere Leist-
ungen gewinnen in einer gut gewählten Um-
gebung ganz enorm. Gehen wir aber dem
einzelnen Werk in seiner Wesenheit nach,
so verflüchtigt sich oft die momentane Freude
an der modernen Schöpfung, weil sie den
innersten Geist der Zeit doch nicht atmet,

in welcher sie entstanden ist, den Geist, wel-
cher für unsere Zeit charakteristisch ist und
sie bestimmt. Zwar kann man den Geist un-
serer Zeit nicht genau beschreiben, sind doch
die Empfindungen und Ideen, welche die
modernen Künstler beseelen, mannigfaltigster
Natur, aber dies erkennen wir deutlich, daß
»Modern« nicht darin beruht, die oberfläch-
liche Erscheinung aufzufassen und nur für
heute zu schaffen, weil man gerade heute
einmal so oder so malt. Das ewige Leben
jeder Kunst und auch unserer modernen
besteht in der Kraft, in die Tiefe der Zeit
einzudringen, den innersten Kern aufzuspüren,
der auch noch morgen, der für alle Epochen
von Bedeutung ist. In ein modernes Män-
telchen jedoch alte genrehafte Stoffe kleiden,
wie dies leider hier mehrfach zu sehen ist,
dürfte dem ernsten Streben der modernen
Richtung allzu schädlich sein, trotz des Hin-
weises, daß auch die Gegner der Glaspalast-
kunst verkaufen wollen. »Der Eingang zu
einer Münchener Bierhalle« von Charles
Vetter, »La mantilla« von Ad. Levier,
»Der Schulausflug« von Ph. Franck, »Vor
der Redoute« von Philipp Klein, sind so
einige Beispiele. Da besitzt Franz von
Stuck, der es sich zwar manchmal leicht
macht, dagegen noch einen großen, fast feier-
lichen Ernst. Am glücklichsten erscheint sein
Bild: »Frühling«, in heiterer Jugendfreudig-
keit dahinwandelnde Mädchen und Jünglinge.
Die klare Farbigkeit, die zarte Behandlung
des hellen Fleisches und die Harmonie der
Töne hat Stuck selten so diskret und dem
Stoffe angepaßt gegeben. Das Frauenprofil
auf tief schwarzblauem Grunde ist wieder
eine Variation eines seiner beliebten Themata.
Stark dekorativ, doch lebendig in der Bewe-
gung ist »Salome«, deren Begleiterin mit
dem Haupte des Johannes etwas zu »aus-
wendig« gemacht ist. Ludwig Dill ver-
wandelt unentwegt seine Landschaften in
grün verschossene Tapeten, die an sich wohl
weich, feintonig sind und einen gewissen Stil
besitzen, aber mit gesunder, frischer Natur-
anschauung nichts mehr gemeinsam haben.
Diese Art Malerei, wie so manche auf ähn-
lichen Wegen wandelnde, ist die der Ver-
legenheit. Das schnelle, selbstsichere, naive
Zugreifen, der Glaube an sein eigenes Können
und ein festes Ziel ist verschwunden und
dafür ist die Spekulation getreten. Sie hat
ihre verschiedensten Abstufungen oder Grad-
unterschiede. Man spekuliert auf Kosten der
Holländer, der Schotten oder Franzosen, neuer
und alter Meister. Angelo Jank hat einen
Kompromiß mit der Kunst Velasquez' und
 
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