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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 3.1906/​1907

DOI Artikel:
Groner, Anton: Der Plan von Michelangelos Sixtinadecke, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53750#0165

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Säw MICHELANGELOS SIXTINADECKE SWS

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AIATTHÄUS SCHIESTI,

Gemälde vom Jahre 1899. Text S. 126

ALPEXFEE

DER PLAN VON MICHELANGELOS
SIXTINADECKE
Von ANTON GRONER
(Fortsetzung)
Die Propheten und Sibyllen
FMen Hauptteil des Gewölbeschmucks, die neun
Scheitelhistorienbilder, umrahmt an den sich
abwärts rundenden Teilen ein Kranz von zwölf
sitzenden Riesengestalten, Propheten und Sibyllen.
Von ersteren sind es sieben, von letzteren fünf,
da Michelangelo den Vertretern der alttestament-
lichen Offenbarung die besonders in die Augen
fallenden Sitze über dem Altar und dem Eingangs-
portal, den Anfang und Schluß der Reihe, aus-
schließlich vorbehielt und nur an den Langseiten
abwechselnd Sibyllen als Verkündiger des Messias
in der Heidenwelt einreihte.
Den vier großen Propheten (Isaias, Jeremias,
Ezechiel, Daniel), die ihre Anwesenheit nicht zu
rechtfertigen brauchen, gesellte der Künstler von
den zwölf kleinen den Jonas, Joel und Zacharias
bei. Steinmann erklärte sich die Anwesenheit
Joels und Zacharias’ mit einer Rücksichtnahme auf
die Liturgie, wo jener in der Messe vom hl. Geist,
dieser am Palmsonntag verwertet ist. *) Dabei hat
er freilich die Hauptsache vergessen, nämlich alle
kleinen Propheten, die jahrsüber »an den zahl-
D II, 347 ff. 351 f.
2) II, 180.

losen in der Kapelle Sixtus’ IV. mit Vigilien und
Messen festlich begangenen Feiertagen« * 2 3 4) zu Wort
kommen, zu verzeichnen und uns dann einen ein-
leuchtenden Grund zu sagen, warum aus der
sicherlich beträchtlichen Liste gerade Joel und Zacha-
rias ausgewählt wurden. Der in der Kunstge-
schichte allzu beliebt gewordene Hinweis auf die
Liturgie läßt uns hier wie in vielen anderen Fällen
genau so klug als wir zuvor waren.
Mit der Auswahl des Jonas, der nach Christi
eigenen Worten von jeher als Vorbild seiner Grabes-
ruhe und Auferstehung galt, für den Sitz über
dem Altar soll Michelangelo auf die beiden Eck-
bilder an der Altarwand, welche Prototypen der
Erlösung (Rettung Israels durch die Eherne Schlange
und durch Esther) enthalten, sowie auf den Hoch-
altar unten, wo sich das Geheimnis der Erlösung
in der Messe fortwährend wiederholt, Rücksicht
genommen haben. 3) Allein dies ist sicherlich des
Künstlers Absicht nicht gewesen. Zacharias sitzt
ja doch ganz ebenso wie Jonas zwischen zwei
Vorbildern der Erlösung, ohne jemals selbst als
Vorbild Christi gegolten zu haben.4) Wenn der
Künstler sich den Jonas als Prototyp der Grabes-

3) II, 217f. und an mehreren andern Stellen.
4) Vgl. über den währen Sinn der vier Eckbilder die
Angaben weiter unten, sowie Archiv f. christl. Kunst,
1906, S. 74, Anm. 2. Die richtige Deutung der vier
Typen steht übrigens, wie ich nachträglich sehe, schon
längst bei de Waal, Rompilger, 81904, S. 312, (61900,
S. 292).

Die christliche Kunst. III. 6.

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