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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 3.1906/​1907

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Zottmann, Ludwig: Zur Kunst von "El Greco", [3]
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von Hoerschelmann, E.: "Die Heilige Grotte", [3]: (Sacro Speco)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53750#0134

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110

DIE HEILIGE GROTTE »^3

»Christus nimmt Abschied von seiner
Mutte r« (Abb. S. 111)
Das den Nimbus um das Haupt des Erlösers
bildende Licht ist kräftiger als bei Maria, deren
Kopf es nur mit einem schmalen Streifen um-
säumt. Die Darstellung ist tief empfunden.
Christus und Maria stehen sich gegenüber.
Tiefer Schmerz gibt sich in dem besonders
lieblich gestalteten, jungfräulichen Antlitz mit
den schwermütigen dunklen Augen Mariens
kund; am eindrucksvollsten ist aber die Ge-
bärdensprache : die Hand der Mutter, die die
des Sohnes zum letzten Abschied am Gelenk
umfaßt hält, vermag sich nicht mehr loszulösen;
voll Mitleid blickt Christus auf Maria, zugleich
aber verweist er sie, mit der Rechten zum
Himmel deutend, auf den göttlichen Willen.
Erhabene Ergebung und tiefes Mitleid ver-
schmelzen im Antlitz zu einem innig ergrei-
fenden Gefühlsausdruck. Im Einklang mit
der Gesamtstimmung steht die Dämpfung der
Töne der traditionellfarbigen Gewandung.
Das Bild in der Galerie S. M. des Königs
in Bukarest (0,23x0,20) ist, wie es scheint,
eine verkleinerte Replik. Die Werke dieser
Sammlung sind dem Verfasser aus eigener
Anschauung nicht bekannt; die schwere Er-
reichbarkeit dieser Galerie und der hohe Wert
einzelner Stücke rechtfertigen trotzdem die
Besprechung derselben, die sich auf die Daten
des Katalogs »Tableaux anciens de la galerie
und Charles I, roi de Roumaine« par L. Bachelin
und teilweise auf dem Verfasser persönlich be-
kannte Wiederholungen stützt. (Forts, folgt)
»DIE HEILIGE GROTTE«
(SACRO SPECO)
Von E. von HOERSCHELMANN
(Schluß)
as wäre aber in diesem Falle das gleiche«
kann ich nicht umhin, meinem Cicerone
ins Wort zu fallen, »wie Euch ohne Zweifel be-
kannt, ist die Autorschaft des Trionfo della
Morte in Pisa seit langem schon ein Zank-
apfel der Gelehrtenwelt. Ich für mein Teil
halte dafür, daß jenem Riesenwerk der ge-
waltige Geist Orcagnas unverkennbar auf-
geprägt ist, und daß die Gruppe der Bettler
und Krüppel z. B. und die durch die Lüfte da-
hersausende Furie mit dem so viel milderen
und im allgemeinen weniger dramatisch an-
gelegten Ambrogio Lorenzetti nichts zu
tun hat.« »Auch ich bin dieser Meinung,
aber,« und seine Uhr herausziehend, »wenn
Ihr meinem Rat folgen wollt, so lassen wir für

heute — vielleicht daß Euer Weg Euch noch
einmal zu uns führt — die Seconda Grotta
beiseite. Es dürfte sonst zu spät werden, auch
die Prima Grotta, das heißt die eigentliche
Wohnstatt unseres heiligen Vaters, wie dies
ohne Zweifel Euer Wunsch sein dürfte, in
Augenschein zu nehmen. Nur hier in der
Capella di San Gregorio bitte ich noch
einmal Halt zu machen!«
Mit diesen Worten ist Fra Gregorio vor
einem in seinen Hauptteilen noch wohl er-
haltenen Wandgemälde stehen geblieben, das
einen Mönch im Kapuzinerhabit darstellt. In
schlichter und zugleich vornehmer Haltung,
den Strick um die Hüfte gegürtet, blickt die
hagere Gestalt mit leidenschaftslosem, aber ge-
bieterischem Gesichtsausdruck und großen,
etwas starren Augen gerade vor sich hin. In
der Linken hält sie einen Zettel mit der In-
schrift: »Pax huic (domui)«. Die Rechte ist
mit demonstrierender Gebärde über der Brust
erhoben. (Abb. S. 113.)
»Ich weiß nicht, ob Euch bekannt ist« fährt
mein Begleiter fort, »daß wie später Petrarca,
so auch der Sänger und Prophet von Assisi
Sacro Speco besucht hat. Dieser Besuch
gilt meines Wissens als historisch verbürgte
Tatsache und zwar herrscht die Meinung vor,
einer unserer Padri Specuensi habe die
Gelegenheit benutzt, den Schätzen unseres
Sanktuariums dieses allgemein für authentisch
geltende Conterfei des Heiligen Franziskus
einzuverleiben. Wie einst St. Benediktus, so
hat auch St. Franciscus, wie Ihr wissen werdet,
das im Lauf der Jahrhunderte abermals Aus-
schreitungen aller Art verfallene Mönchtum
wieder zu Ehren gebracht und auf die ihm
ursprünglich vorgeschriebenen Bahnen zurück-
geleitet. Auch sind wir Specuenser stolz darauf,
das festgestellt älteste, und sicherlich auch
authentische Bildnis des hl. Franz hier in Sacro
Speco verehren zu dürfen. Daß es sich hier
befindet, gleichsam mit diesen Mauern
zu eins verwachsen, das ist gewiß kein
bloßes Zufallsspiel, sondern die Vor-
sehung hat es so gewollt!« und aus jedem
Wort und aus den lebhaften Gesten, mit denen
er diese seine Rede begleitet, spricht unum-
stößliche Überzeugung und eine gewisse stolze
und sieghafte Stimmung.
Obgleich der Typus des Heiligen, dessen
Name FRANCESCO in großen unregelmäßi-
gen Lettern oberhalb des Hauptes angebracht
ist, mehr der eines kühl und objektiv dozie-
renden Dogmatikers, als des Feuergeistes
und heißblütigen Gefühlsmenschen ist, als
welcher der heilige Franziskus sich sowohl
in seinen Gedichten als in seinem Lebens-
 
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