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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 3.1906/​1907

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Stöckhardt, Ernst: Die Monumentalkirche der S. Maria Immacolata zu Genua
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Wiegand, J.: Moderne Kirchendekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.53750#0304

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262

MODERNE KIRCHENDEKORATION ^3

sten Grad kunstvoll das Haupt Johannes des
Täufers inmitten desselben, umrankt von Gir-
landen und Blumen.’ Über dem Altar be-
findet sich ein weiteres Fresko von Pianello,
Esther darstellend, wie sie Gnade für ihr Volk
erfleht. — Die letzte Kapelle ist dem An-
denken des S. Giuseppe Calasanzio, des Be-
gründers der Scuole Pie, gewidmet. Archi-
tektur und Ausstattung in Marmor wurden
nach Dufours Entwurf von Giambattista Villa
ausgeführt. Die drei Gemälde stammen von
Alfredo Luxoro. Auf einer Basis von afrika-
nischem Marmor zwischen zwei Lisenen im
Stil des XV. Jahrhunderts erhebt sich das
größere Gemälde: Calasanzio sitzt wie in-
spiriert, den Blick auf die Madonna mit dem
Jesuskind im Arm geheftet, welche auf dem
Halbmond stehend erscheint. Seitwärts ziehen
Kinder herbei, arme und reiche, denen er
ein Asyl geschaffen.
Neben dem Haupteingang sieht man, provi-
sorischer Weise in täuschendem Chiar-oscuro
von Quinzio al Fresco gemalt, das »Batti-
sterio« mit Statuen von Adam und Eva,
welche von Bildhauer Benetti gemeißelt werden,
bei meinem letzten Besuch der Kirche aber
noch nicht vollendet waren.
Die werten Leser, welche mir bis hierher ge-
folgt sind, werden meine in der Einleitung
ausgesprochene Ansicht teilen, daß die Schön-
heit der Details durch das Übermaß an Schönem
nicht verloren geht, wenn ich auch zugeben
muß, daß viele Einzelheiten Gefahr laufen,
angesichts des übermächtigen Ganzen über-
sehen zu werden. Wer sich aber nicht mit
dem imponierenden Gesamtbild begnügt,
sondern den Einzelheiten mit Liebe nachgeht,
wird einen kaum erwarteten Reichtum an
unvergeßlichen künstlerischen Eindrücken aus
diesem Gotteshaus mit sich nehmen. Hier
haben wahrhaft große Epigonen vielgestaltige
architektonische und dekorative Vorbilder nach
dem Geschmack ihrer Zeit — um nicht zu
sagen: nach modernem Geschmack — über-
arbeitet und mit neuen eigenen Ideen be-
reichert und sie auf diese sublime Weise zu
Nutz und Frommen kommender Geschlech-
ter konserviert. Eine Elite moderner heimi-
scher Meister der Malerei und Skulptur und
des Kunstgewerbes aber hat ihre herrlichsten
Schöpfungen in den Dienst desselben edlen
Zwecks gestellt dank der grandiosen Opfer-
freudigkeit und dem von alters her ererbten
Kunstsinn der Genuesen, deren Hinneigung
zum Virtuosen sich allerdings auch hier viel-
fach verrät.

MODERNE
KIRCHENDEKORATION
Von J. WIEGAND, Trier
Weiterentwicklung der kirchlichen Kunst in
einerWeise, welche dem modernen Emp-
finden Rechnung trägt, Loslösung von scha-
blonenhafter Nachahmung der historischen
Stile, ist eine Forderung, welche immer mehr
Zustimmung findet. Nicht leicht ist es jedoch,
diese Forderung zu befriedigen. Die Führung
hat zweifellos die Tafelmalerei übernommen.
Ihr hatte die profane Kunst gewaltig vorge-
arbeitet. Weniger glücklich sind die Leistungen
auf dem Gebiete der Architektur. Manche
Proben hat die »ChristlicheKunst« ihren Lesern
vorgeführt. Daß sie als allerseits gelungen be-
zeichnet werden dürfen, wird man füglich
nicht behaupten können. Damit soll aber
über diese Versuche keineswegs der Stab ge-
brochen werden, in vielen modernen Ent-
würfen zu Kirchen steckte ein guter Kern, in
mancher Beziehung waren die Lösungen recht
glücklich und vielverheißend, so daß man zu-
versichtliche Hoffnungen für die Zukunft hegen
darf. Auf einem andern Gebiete öffnet sich
der modernen Kunstbetätigung ein dankbares
Feld, welches merkwürdigerweise noch sehr
wenig gepflegt worden ist, ich meine die rein
ornamentale Innendekoration der Kirchen.
Selbstverständlich muß die Dekoration einer
im historischen romanischen oder gotischen
Stile erbauten Kirche dem Charakter des Stiles
Rechnung tragen. Die Stilisierung legt hier
gewisse Fesseln an, aber auch hier dürfte es
am Platze sein, endlich einmal mit den aus
der grauen Vorzeit überkommenen, bis zum
Überdruß wiederholten Formen zu brechen.
Sollten sich denn nicht neue Formen finden,
die sich ebenso dem romanischen und goti-
schen Stil harmonisch anschmiegen? Wer
möchte denn behaupten, die Formenwelt jener
Stile sei endgültig abgeschlossen? Den Stand-
punkt kann doch nur einnehmen, der die Be-
griffe von Archaisieren und Stilisieren ver-
wechselt. Größere Freiheit aber könnte der
modernen Dekoration in solchen Kirchen ge-
währt werden, die einen ausgeprägten Stil
nicht aufweisen, in so vielen Landkirchen,
welche im sogenannten Scheunenstil erbaut
sind. Solche Kirchen durch die Dekoration
gewaltsam in romanische oder gotische um-
modeln zu wollen, ist ein Unternehmen, das
zwar leider lange genug geübt worden ist
und noch geübt wird, das sich aber durch die
Wirkung von selber richtet. Wenn man
wenigstens für diese Kirche barocke Manier
wählen möchte! Aber besonders in Nord-
 
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