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Curtius, Ernst
Gesammelte Abhandlungen (Band 2) — Berlin, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.33815#0010

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VI

Vorwort.

IVenn Otfried MiiHer den Boden von Griechenland als
unentbehrliche Quelle unserer Wissenschaft hetrachten lehrte,
so lag schon seinem Standpunkte der Gedanke nahe, diese
Quelle durch Nachgrahungen ergiehiger zu machen. Er seibst
hat zu den Ausgrabungen in Delphi den bescheidenen Anfang
gemacht. Nach ihm ist die Wissenschaft der Topographie in
ungeahntem Umfang eine experimentirende geworden und da-
durch in ein ganz neues Stadium getreten. Der reiche Ertrag
hat unsere Kenntnifs der verschiedensten Epochen so wesentlich
erweitert, dafs es kein Wunder ist, wenn man im Einzelnen
hier und da den Gewinn überschätzt, wie es bei allen neu er-
öffneten Forschungswegen der Fali zu sein phegt.*) Die Wissen-
schaft läuft Oefahr, etwas von dem ideaien Oharakter zu ver-
lieren, den ihr Otfried Mtiller gegeben. Der Grabscheit wird
zum allein sicheren Führer der Forschung und es kann vor-
kommen, dafs an einzelne Fundergebnisse zu weitreichende
Folgerungen geknüpft werden, wenn man nicht, wie die alten
Meister, sich immer das ganze Geschichtsbild klar vor Augen stellt.

Der enge Zusammenhang zwischen Volksgeschichte und
Erdboden war der erste Punkt, den ich hervorhob, um den
geschichtlichen Sinn zu bezeichnen, der nach Vorbild meiner
Lehrer ftir meine Arbeiten mafsgebend gehlieben ist. Derselbe
Sinn ist es, der uns verpfiichtet, unser Augenmerk darauf zu
richten, dafs kein historisclies Gut, das uns aus dem Alterthume
erhalten ist, unverwerthet bleibe. Ueber keinen Punkt gehen
abei' die Ansichten noch heute so schroff auseinandei', wie tiber
den Werth der verschiedenartigen Ueberlieferungen. Denn die
Ueherzeugung, welche sich in der germanischen Alterthumskunde
durch die Gebrtider Grimm und durch Müllenhoff am kräftigsten

*) Darum habe ich in Betreff der Quellen Athens (Bd. I S. 406 tf.)
Leakes und Miillers Darsteliung mit neuen Grründen zu vertreten gesucht.
So habe ich auch an zwei anderen Punkten neueren Forschungen gegen-
über meine Bedenken aussprechen müssen. Der eine betriü't die Be-
leuchtung des Tempelhauses (Bd. II S. 382 tf.), der andere die Frage
über Orchestra und Biihne (Jahrb. des deutsch. arch. Inst. 1893, Bd. VIII
Anzeiger S. 24).
 
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