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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Meurer, Bernd: Gestaltung Mythos Vernunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0037
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zum Beispiel in der Gestaltung weitgehend im-
materialer Bild- und Tonprodukte. Das, was in
der Mikrophysik Dematerialisierung genannt
wird, gewinnt für die Gestaltung in Zukunft
ganz erheblich an Bedeutung. Nur, daß wir
uns auf eine Art immateriale Geisterwelt hin-
bewegen, scheint mir wenig wahrscheinlich.
Vom Verschwinden der Hardware, von der in
der Gestalterdebatte seit einiger Zeit so viel
und feinsinnig gesprochen wird, kann meines
Erachtens keineswegs die Rede sein. Allein
unsere Müllprobleme bezeugen das Gegen-
teil. Hier wäre Gestaltung gefragt, die das Prin-
zip des ,design out‘, also des Wegentwerfens
impliziert.

Ein für die sozial kulturelle Entwicklung ganz
wesentiicher Aspekt der technischen Entwick-
lung liegt darin, daß sich mit dem Einsatz
neuer Materialien und mit der Anwendung der
Mikroprozessortechnologie nicht nur in der Fa-
brikation sondern auch in den Erzeugnissen
selbst der Herstellungsprozeß über die eigent-
liche Fertigstellung hinaus gleichsam unbe-
grenzt ausdehnen läßt. Durch die technologi-
sche Flexibilisierung können die Gegenstände
selbstverändernde Eigenschaften erhalten.
Damit bekommt die Marx’sche Feststellung,
daß sich der Prozeß der Produktion erst in
dem des Konsums vollendet, für die Praxis
eine Perspektive, in der das existierende Ver-
hältnis von Produktions- und Konsumsphäre
sich zu ändern beginnt. Löst sich die Trennung
von Produktion und Konsum in den Erzeug-
nissen tendenziell auf, erweitern sich auch
Dauer und Begriff der Entwurfstätigkeit über
den eigentlichen Entwurf hinaus.

Damit eröffnen sich Möglichkeiten der Partizi-
pation der Menschen an der Gestaltung ihrer
Umwelt, für die bislang die technologischen
Voraussetzungen fehlten. Zur Erschließung
dieser Möglichkeiten bedarf es prozessual
orientierter Gestaltung und nicht unantast-
barer Kompositionen. Statt die Gestalt der Um-
welt den Menschen zu oktroyieren, zielt pro-
zessuale Gestaltung darauf, daß sich die
Menschen ihre physikalische und Verhaltens-
Umwelt mehr und mehr selbstbestimmt orga-
nisieren und gestalten.

Diese Idee ist nicht neu. Die Anfänge prozes-
sualer Gestaltung finden sich in dem Konzept
des anpassungsfähigen Bauens, das bereits

Abb. 14

Menil Museum, Funktionsskizzen der
Licht/Klimadecke.

Oberste Skizze: Lichtregulierung.

Zweite Skizze: Regulierung der Sonnen-
wärme.

Dritte Skizze: Tragstruktur.

Unterste Skizze: Zusätzliche Elemente.

uatncotfTRCL

Wärmckoniroilc: Nur cin
Tcil dcr Sonncnwärmc
wird durchgdassen, cr-
warmic Luft obcrhaib
dcr Lamellen abgesaugt.

STRUCTURE

Tragwcrk: Die Lamcllen

ff****^J6' -

AwrnoNAL

componlnts


Ujivnyj

***** *•’ pfpHTisr

Lichkontrollc: Etwas di-
rcktes Nordlicht, abcr
kcin dircktcs Sonncn-
lichl fällt in dlc Galerie*
räumc. Spczialglas kon-
trollicrt dic einfallcnde
Lichtinencjc. Dcr wech-
selnde Chorakter und
die Farbe dcs natürli-
chcn Lichts bleibt cr-
halten.

SCLAK

QAlNCONTROtCy[

Ztisatzclcmcnte: Die La-
mcllcn diencn als Trägcr
für Elcktrolcitungcn,
künstlicne Bdeuchtung
und Abluft.

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