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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Cordes, Gerhard: Konsequenzen umweltverträglicher Industrieproduktion für das Design
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0042
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Stell- und Trennwänden, der für seine Verhält-
nisse erstaunliche Investitionen in den umwelt-
verträglichen Umbau seiner Produktion und
des ganzen Unternehmens steckt.

Nach eigenem Bekunden tut er dies, weil er ei-
nige Jahre in einer baubiologischen Siedlung
gelebt und mitgewirkt hat, und - weil er seinen
zukünftigen Umsatz absichern will.

Was die Anlässe zur Orientierung auf Umwelt-
verträglichkeit angeht, so bin ich in den Be-
richten, die ich kenne, auf alles mögliche ge-
stoßen - Anregungen von Entwicklungsabtei-
lungen, Kritik in Konsumentenzeitschriften
(das wurde inzwischen in verschiedenen Bei-
spielsammlungen zusammengetragen) - das
betriebswirtschaftliche Ziel ist immer dasselbe:
die Absicherung des Umsatzes für die Zukunft.
Das ist zunächst nicht erstaunlich. Welche
Problematik aber dahinter steckt, drückt die
Frage eines Referenten des vorhin erwähnten
Grünen-Kongresses aus: Wieviel Ökonomie
können wir uns noch ieisten? Darauf komme
ich später zurück.

Was sind nun die Konsequenzen für das De-
sign?

Seit wir uns diese Frage stellen, stoßen wir im-
mer häufiger auf Zusammenhänge, die zu-
meist sinnlich nicht wahrnehmbar, komplex
und äußerst unbeständig sind. Der wissen-
schaftliche und der technische Fortschritt be-
kommen eine bisher ungewohnte Bedeutung.
Beispiele für die Unsinnlichkeit der Kriterien
und Komplexität der Zusammenhänge sind
das Aluminium und die Energie-Sparlampe,
ein anderes für die rasche Veränderung das
Verchromen.

Deshalb ist in den Diskussionen unter Kolle-
gen die am häufigsten und mit größtem Nach-
druck geforderte Hilfe das Angebot von Sach-
informationen, der Aufbau von Datenbanken,
die Vermittlung von Experten.

Aber in dem Nebel von Nichtwissen, Desinfor-
mation, platter Werbemasche und Einzelinter-
essen schälen sich allgemeine Zusammen-
hänge heraus, die die Kursbestimmung er-
leichtern.

Ich erlaube mir, mich auf einen Zeitschriften-
aufsatz zu stützen, den mir vor kurzem ein
Societätskollege zu lesen gab und der mir wie
gerufen kam. Er ist im „Baumeister“ Heft 9/90
erschienen.

Sein Titel heißt „Bauen und Entropie“, der Ver-
fasser ist Günter Moewes, Fachhochschulleh-
rer in Dortmund für Entwerfen und industria-
lisierte Bauweisen.

Auf die Definition von Entropie als stets zu-
nehmender Vermischung und Zerstreuung in
geschlossenen Systemen folgen Aussagen,
die die Bedeutung dieses zweiten Hauptsat-
zes der Thermodynamik für jede Gestaltungs-
tätigkeit drastisch illustrieren:

- Bodenschätze können immer nur ver-
braucht, zerstreut, in Müll verwandelt wer-
den.

- Recycling kann diesen Verbrauch bremsen,
aber niemals stoppen. 50 bis 70% sind
möglich, 100% nie.

- Genau besehen ist Recycling keine wirkli-
che Anti-Entropie, sondern Umwandlung
von Materie-Entropie in Energie-Entropie.

- Erzeugung von Zielmaterie oder Zielenergie
ist immer mit Abfall verbunden (Beispiele
Dampfmaschine, Glühlampe, Aluminium/
PVC; in der BRD hat sich seit 1970 die Pro-
duktion verdoppelt, der Abfall verzehnfacht).

Umkehrung der Entropie gibt es nur in der Na-
tur. Wann der Mensch in der Lage sein wird,
durch Einbetten von Teilen seines Wirtschaf-
tens in Naturkreisläufe die bisher stattfindende
Entropie in nennenswertem Umfang umzukeh-
ren, bleibt offen.

Nach dieser Einleitung stellt der Autor fest:
Bauen ist Entropie.

Die Stichworte und Beispiele für diese Aus-
sage über das Bauen (die überwiegend ge-
nauso für das industrielle Produzieren gelten),
verallgemeinert Moewes, ich zitiere: (Seite 45,
oben: Architektur...)

Es ist erfrischend zu lesen, wie im Anschluß
an eine „Kriterienliste zur Entropievermeidung
im Bauwesen“ die sogenannten Entropiestile
„Dekonstruktivismus“ und „Postmoderne“ -

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