Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0041

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

das der König von Holland erwarb, und aus dessen Nach-
laß cs verkauft wurde, zugleich mit dem andern Bilde
desselben Meisters „Die Weißkappen". 1835 wagte der
Zwanzigjährige seine erste Reise. Er ging nach Paris
und kam berauscht zurück. 1836 konkurrirte er noch in
der alten Manier mit bei der Exposition in Brüssel. Doch
als er 1837 auch Holland besucht hatte, entschloß er sich,
ganz der Richtung französischer Romantik sich hiuzugeben.

Von 1837 bis 1852 gab eS daher einen ausgesprochen
modern-französischen Maler mehr in Belgien, Henry Leys.
Schon 1845 zum Mitglieds der k. Akademie Belgiens er-
nannt, schuf er während dieser 15 Jahre in seiner zweiten
Manier bereits sehr Bedeutendes, aber doch immer nur
von französischem Standpunkte aus, virtuos in der Tech-
nik, flämische Elemente mit hineinmischend, jedoch wie eben
ein echter Pariser ihm Fremdes auffaßt. So entstanden
1837 „Massacre der Schöppen von Löwen 1379", jetzt
bei Van der Seick in Brüssel; 1838 „Die Geusenfaniilie
sich gegen Spanier vertheidigend; 1839 „Eine flämische
Hochzeik"; „Zigeuner und Räuber"; „Bettler und Reiche";
„Maleratelier"; „Ein bretagnischeö Familienfest" u. s. w.
1839 wieder in Paris, faßte Leys Muth, etwas mehr
selbstständig zu werden. Neuerdings in Antwerpen wagte
er sich schon au Ausgesprocheneres. So schuf er 1845
jene „Predigt im Mittelalter", jetzt im brüsseler Museum
der Modernen; „Der Bürgermeister Six bei Rembrandt";
1849 den „Corps de Guide", später in Utrecht verkauft;
den „König der Armbrustschützen"; das „Atelier Rembrandt's",
ini Besitze von I. v. Arthaber in Wien; und schritt so
fort bis 1851, wo er „Das Fest der Schützen zu Ehren
Rubens" ausstellte, daS nach St. Petersburg verkauft
wurde.

Schon hatte Leys eine selbstständige Richtung
wenigstens in der Wahl der Sujets eingeschlageu, schon
sprach man von ciueni Regenerator altflämischer Geschichte;
aber die Mittel und die Darstellungsmanier war noch
ganz modern, französisch routinirt, daher fast in einem
frivolen Gegensätze zu dem geistigen Wollen. Zudem zeigte
sich Leys in dieser Manier zwar als gewandter Meister,
aber durchaus nicht als brillanter Virtuos, weder als
großer Kolorist, noch als genialer Zeichner, geistreicher
Pointirung fähig, oder in der Mache so bahnbrechend
wie manche jener artistischen pariser Köche, die Saucen
zu bereiten wissen, mittelst deren man — wie man im
Quartier Latin sagt — seinen Großvater aufesfen könnte.
Leys schwang sich in seinerzweitenManierkeineswegszusolch'
falscher Originalität empor; er war blos ein sehr guter,
solider französischer Maler nicht französischer Sujets. Er
hatte zudem ganz fleißig die 600 Nummern alter Meister.
der antwerpcuer Galerie durchstudirt, all' die Rnbensiaden
in all' den Kirchen Belgiens, und schien sich noch am
meisten Cornelius de Vos dem Aeltereu zuzuneigen.
Dagegen die einzelnen Altdeutschen, die Niederrheiner und
die alten Flämen, wie er sie sporadisch in den Museen
von Brüssel oder Antwerpen vorfand, die scheint er da-
mals noch kaum bemerkt zu haben; wenigstens läßt nichts
schließen während seiner zweiten Periode, er sei schon da-
mals besonders fascinirt gewesen von den Van Eyck's,
Hans Memling's, Matsys', Dürer's, Holbein's

u. s. w. Das ist sehr erklärlich. Jene belgischen Museen
wie alles Belgische, genießen einen verhältnißmäßig zu
großen Ruf im Auslände. In Wirklichkeit sind sie nicht
so reich an guten Bildern wie mau gemeinhin aunimmt,
zudem sind die heterogensten Schulen zusammengeworfen,
nian kommt gar nickt zum vollen Eindrücke irgend einer
besonderen Richtung, und als Grundton klingt überall
die übertäubende, dekorative Rubensiade vor. Sogar die
Flämen und Holländer kann mau in jenen Museen nicht
mit Aplomb wirken sehen, da alle Totalität der Special-
fächer fehlt, und selbst von Rubens und Vandyk kann
man erst den rechten Begriff bekommen, wen» mau ihre
vorweg bedeutenderen und charakteristischeren Werke in
London, Paris, Wien, München u. s. w. gesehen.

So stand denn die Leys, der außer Belgien, Holland
und Paris nichts kannte, trotz aller ihm gewordenen An-
erkennung ziemlich rathlos da, wo er eigentlich hinaus
wolle und was denn der dunkle mächtige Drang in ihm
sagen solle? Er fühlte den Widerspruch in seinem Genre
bei so modernen und fremden Mitteln. Es träumte ihm,
es habe eine gar große reiche Zeit in der Vergangenheit
seiner Vaterstadt wie seines Vaterlandes gegeben, lang
bevor der spanische Konflikt hereinbrach, und bis kurz vor-
der Reformation heraufreichend; und diese Zeit habe in
ganz Europa ihre eigene Type gehabt, ernst, linkisch, schwer-
fällig, aber auch wahr, gemüthsreich, poetisch. Es war
die Zeit des souveränen Bürgerthums der Reichsstädte.
Das wußte er laugst, er konnte sich aber jene Type bis
dahin blos konventionell modern vergegenwärtigen.

Da führte ihn der Zufall 1859 nach Deutschland. Leys,
der kein Wort deutsch kann, zog ganz allein, und von
den Wirthen wahrscheinlich für einen französischen Commis
Voyageur gehalten, umher in Köln, Frankfurt, Berlin,
Dresden, Prag, Nürnberg, München. Er sprach nicht
einen einzigen seiner zeitgenössischen Kollegen, betrat kein
modernes Atelier, sondern saß blos tagelang nachdenklich
oder skizzirend in den Museen umher. Als er die alt-
deutschen und niederdeutschen Schulen in solcher Totalität
und in solchen Meisterwerken kennen lernte, war es ihm,
als sei er endlich und ganz zufällig i» das Paradies ge-
ratheu, wovon er immer dunkel geträumt, von dem er aber
gar nicht ahnte, daß es in Wirklichkeit vorhanden sein
könne. Jetzt wußte er plötzlich was er wollte; und er
entschloß sich das auch zu sollen. Er ging nach Ant-
werpen zurück, warf alle modernen französischen Remi-
uiscenzen zum Fenster hinaus und fing ganz primitiv
von vorn au. Freilich, anfangs wußte er selbst nicht gleich
recht, wo er eigentlich hinaus wolle, und wie das auzu-
sangen sei, für ihn, den modernen Reflexionsmenschcn,
wieder naiv, absichtslos und besonders auch wieder in den
Mitteln bescheiden zu werden? Er malte „Franz Floris
sich zu einem Fest begebend" das später Demidoff erwarb,
jetzt Lord Erford besitzt; dann kam „Der Spaziergang
außerhalb der Stadtmauer", Sujet aus Gocthe's Faust,
im Besitz des Herzogs von Brabant; ferner „Die katho-
lischen Frauen", jetzt bei Minister Van Praet in Brüssel;
„Das Neujahr in Flandern", seither im Besitz der Wittwc
Fould in Paris; „Das Ballspiel des Bertal de Hase", in
der Kollection des General Baron Goethals in Brüffel
 
Annotationen