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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0049

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34

Kunst-Industrie und Technik.

Das Recht der Photographie.

Die „Allgemeine österreichische Gerichtszeitung" bringt
über „das Recht der Photographie" vom rein juristischen
Standpunkt einen Artikel, dem wir seines für den Kunst-
verkehr wichtigen Inhalts wegen Folgendes entnehmen:
„So gewiß die Photographie zu den schönsten,
interessantesten Erfindungen unseres Jahrhunderts zählt
und eines vielleicht noch nicht geahnten Aufschwunges
fähig ist, so mannigfaltig die Verkehrskreise sind, welche
sie berührt, so auffallend ist es, daß die neuere Gesetz-
gebung noch keine Notiz von ihr genommen und daß
verhältnißmäßig auch die Literatur ihr bisher nur eine
geringe Aufmerksamkeit zugewendet hat. Lediglich ist es
die Jurisprudenz der Gerichtshöfe, in der sie einige An-
erkennung gefunden; und doch tritt das Bedürfniß nach
einer richtigen Beurtheilung der durch sie hervorgerufenen
Rechtsverhältnisse immer dringender hervor. Freilich ist
der Streit über die Natur des geistigen, literarischen und
artistischen Eigenthums, über das Wesen des Autorrech-
tes, über die letzten Gründe des demselben zu gewähren-
den Rechtsschutzes selbst noch lange nicht abgeschlossen, —
wie sollte da über die Ansprüche der gleichsam noch in
den Jahren der Kindheit befindlichen Photographie Ueber-
einstimmung der Ansichten herrschen? Hteju kömmt noch,
daß man häufig die doppelte Richtung, welche bei der
Erzeugung von Lichtbildern in Betrachtung kömmt, nicht
gehörig unterschieden hat. Das photographische Verfah-
ren scheint nämlich einerseits — gleich dem Gypsabguße,
der Galvanoplastik und anderen ähnlichen Verfahrungs-
weiseu — als ein Mittel der (chemischen) Vervielfäl-
tigung artistischer Erzeugnisse, während es anderseits
als Originalaufnahme eines physischen Objektes
(eines Menschen, einer Landschaft, eines Gebäudes, einer
Maschine u. dgl.) der zeichnenden Kunst wenigstens nahe
steht und selbst als ein künstlerisches Verfahren aufgefaßt
werden kann.

In der ersteren Beziehung dürfte es nun keinem
Zweifel unterliegen, daß die photographische Ver-
vielfältigung unmittelbar und geradezu unter die
Vorschriften der zum Schutze des artistischen Eigenthums
gegen unbefugte Nachbildung erlassenen Gesetze falle, in-
dem hiefür sowohl die Absicht des Gesetzgebers, als der
Geist und zumeist auch selbst der Wortlaut der betreffen-
den legislativen Bestimmungen spricht*).

Schwieriger und zweifelhafter erscheint die Beant-
wortung der zweiten Frage, ob den photographischen
Originalaufnahmen selbst der Schutz gegen unbefugte
Vervielfältigung auf Grundlage der bestehenden Gesetze
wider den Nachdruck zukomme, oder ob, — in so ferne

*) So verbietet der §. 3 des öfter. Gesetzes vom 19. Ok-
tober 1846 jede ohne Genehmigung des Urhebers oder seines
Rechtsnachfolgers auf „mechanischem Wege" unternommene
Vervielfältigung von Werken der Kunst. Hierbei steht, wie Dr.
Harum (in der osterr. Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst
und öffentliches Leben, Jahrgang 1863, Nr. 21, S. 651) be-
merkt, fest, daß der zunächst von der Drucklegung hergenommene
Ausdruck „auf mechanischem Wege" jedes Verfahren treffe, durch
welches ein literarisches oder artistisches Werk mittelst einer und
derselben Vorrichtung sogleich in einer Mehrzahl von einander
gleichen Exemplaren hergestellt werden kann, also auch wenn
dabei andere als mechanische Kräfte wirksam sind. Deshalb will
auch das osterr. Strafgesetzbuch (Art. 2 des Knndmachnngspa-
tentes und §. 467) alle durch was immer für mechanische oder
chemische Mittel vervielfältigten Erzeugnisse des Geistes und
der bildenden Kunst den Erzeugnissen der Druckerpresse gleich-
gehalten wissen, und ebenso unterwirft §. 4 des Preßgesetzes die
durch was immer für mechanische und chemische Mittel ver-
vielfältigten Erzeugnisse der Literatur und Kunst den Anordnun-
gen desselben. — S. dagegen die Ansichten der würtembergischen
Gerichte und des Ministeriums des Innern in Würtemberg in
der deutschen Vierteljahrschrist, Jahrgang 1863, 2. Heft, S. 189.

dieß nicht behauptet werden könnte, — ein solcher Schutz
durch neu zu erlassende gesetzliche Verfügungen gewährt
werden folle? Auch hier begegnen wir den verschieden-
artigsten, ziemlich weit auseinander gehenden Ansichten.
Die Einen behaupten, daß nur den Erzeugnissen des ei-
gentlich künstlerisch schaffenden Genius ein Schutz gegen
unbefugte Nachbildung gebühre, daß demnach die Erzeug-
nisse der Photographie, als bloß handwerksmäßig auf
optisch-chemischem Wege hervorgebrachte Nachbildungen,
diesen Schutz in keinem Falle anzusprechen haben. Eine
andere Ansicht will dagegen in jedeni photographischen
Bilde ein artistisches Erzeugniß erblicken, welches gegen
unberechtigte Nachahmung und Vervielfältigung geschützt
werden muß, während eine dritte Meinung dahin geht,
daß von Fall zu Fall zu entscheiden komme, ob dem pho-
tographischen Erzeugnisse, ein artistischer Werth inne
wohne, ob bei der Hervorbringung desselben eine geistige,
künstlerische Kraft thätig war, oder nicht, und daß nur
unter der ersteren Voraussetzung vom einem Schutze ge-
gen Nachdruck die Rede sein könne.

Die Vertheidiger der ersten Ansicht gehen von der
Betrachtung aus, daß das Darstellungs- oder Verviel-
fältigungsmittel allein noch nicht das Wesen eines artisti-
schen Erzeugnisses ausmache, sondern hierzu vielmehr er-
forderlich sei, daß das Dargestellte irgendwie als indivi-
duelle Geistesschöpfung des Darstellers erscheine, ohne
Rücksicht übrigens auf den Kunstwerth. Bei der schlech-
testen Lithographie sei dieß noch der Fall, denn sie gehe
doch aus der Hand des Zeichners selbst hervor, und sei
immer ein Produkt individueller Auffassung, während bei
der Photographie sich das Objekt im Apparat selbst ab-
zeichne und das Bild gar nicht als Geistesschöpfung des
Photographen gelten fottne*). — „Die Kunst ist," sagt
Cousin, die freie Reproduction des Schönen, und die
Fähigkeit zu dieser Reproduction macht das Genie aus.
Die Freiheit der Reproduction und der Gebrauch, den
der Künstler davon zu machen versteht, ist das Wesen der
Kunst, ein Moment, welches der Photographie durchaus
fremd ist. Sie entbehrt jedes schöpferischen Elementes,
ihre Aufgabe ist nur die Illusion. Der Photograph mag
noch so sorgfältig die Stellung, die ihm die geeignetste
scheint, wählen, den richtigen Standpunkt erfassen, Licht
und Schatten nach seinem Gutdünken verthcilen, er kann
doch nur sein Modell wiedergebeu mit allen Einzelheiten,
mit allen Unvollkommenheiten, wie sie die Natur darbietet.
Es wird ihm niemals gelingen, durch die Reproduction
einer großartigen Natnrscene, einer reizenden Gegend in
dem Beschauer jenen erhabenen oder melancholischen Ein-
druck hervorzubringeu, welcher die Seele des Malers er-
füllte, als seine Hand den Pinsel führte; erwirb niemals,
der sich der vollkommensten Aehnlichkeit befleißt, einer niedri-
gen Stirn den Ausdruck des Erhabnen, einem scheuen,
verrätherischen Blicke jene Klarheit verleihen können, welche
die Nachwelt zwischen der Geschichte und dem Potrait
schwanken macht *'*). Bon der geradezu entgegengesetzten
Anschauung geht u. A. Lienbacher*"*) aus. Nach dem-
selben ist das Nachdrucksgesetz, wie es sich selbst nennt,
und wie aus jeder einzelnen Bestimmung desselben her-
vorgeht, ein Gesetz zum Schutze des literarischen und
artistischen Eigenthums. Auf das Wort „Eigenthum",
nicht auf das Wort „artistisch" ist, nach der Meinung
des Verfassers, der Nachdruck zu legen. Ist auch das

*) Harum, a. a. O. S. 653.

**) Revue pratique du droit frangais, jurisprudence,
doctrine, legislation. T. 17. Nr. 1, p- 47-
***) Der rechtliche Gesichtspunkt in der Frage, ob den Pho-
tographen gleichfalls der Schutz des Nachdrucksgcsctzes gebühre,
in der Wiener Zeitung vom 20- und 21. Februar 1864.
 
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