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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0050

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Wort „artistisch" das Bestimmungswort für das Ob-
jekt, dessen Eigenthum geschützt werden soll, so ist der
Unterschied doch nicht ;u unterschätzen, — das Gesetz
schützt den Eigenthümer in dem ausschließlichen Genuß jedes
Eigenthums, dieses mag sich als Erzeugniß der materiel-
len oder der geistigen Natur darstellen; und es ist nur
eine Folge der eigenthümlichen Natur der Erzeugnisse der
letzteren Art, wonach sie den größten Nutzen meist nur
durch ihre Vervielfältigung mittelst chemischer oder mecha-
nischer Procednr abwerfen, daß der Eigenthumsschutz bei
denselben durch den Schutz gegen unbefugte Vervielfälti-
gung gewährt wird. Es kommt daher, um diesen Schutz
ansprechen zu können, nicht daraus an, daß das zu schützende
Eigenthumsobjekt lediglich und vorzugsweise ein Erzeug-
niß der persönlichen Subjektivität sei, sondern darauf,
daß sich das Erzeugniß, von welchem wenigsten die Er-
scheinungsform subjektiv vermittelt wurde, in jener
Art darstelle, welche man die literarische oder artistische
nennt.

Hiergegen jwurde schon von Dr. Schenk*) mit
Recht bemerkt, daß man bei Kunstwerken, ihrem Wesen
nach ganz eigentlich in der Form ruhend, eben nicht le-
diglich die artistische Erscheinungsform als Krite-
rium annehmen kann, weil diese mit den artistischen Mit-
teln der Hervorbringung nicht immer zusammenfällt,
welche allein einen innern Erkennungsgrund bieten. Außer-
dem müssen wir bemerken, daß jene Argumentation an
dem Begriffe des geistigen (künstlerischen) Eigenthums
festhält, welcher vielfach bestritten, ja schon von mehreren
Seiten aufgegeben wurde, wie denn selbst der neue Ent-
wurf eines allgemeinen deutschen Nachdrucksgesetzes nicht
mehr von dem starren Eigenthumsbegriffe ausgeht, son-
dern ein „Urheberrecht," „Autorrecht" annimmt, welchem
für seine Hervorbringungen ein Schutz gegen unbefugte
Nachbildung zu Theil werden soll, um dem Urheber (dem
Autor) die Frucht seiner Arbeit zu sichern. Immer wird
aber dabei eine individuelle Geistesschöpfung vor-
ausgesetzt, ein Produkt, welches geistigen (artistischen)
Gehalt besitzt, mag dieser auch in noch so geringem Grade
vorhanden sein.

In dieser Richtung wird nun zu Gunsten der Photo-
graphie geltend gemacht, daß auch ihre Erzeugnisse eine
Gleichstellung mit dem Kupferstiche, dem Stahlstiche, der
Lithographie beanspruchen können, wenn sie eben künst-
lerisch ausgeführt sind. Eine artistische Darstellung, —
sagt der Verfasser des o. a. geistreichen Aufsatzes in der
deutschen Vierteljahresschrift, — hat ihre Wesenheit nicht
ausschließlich in Dem, was dargestellt ist, sondern auch in
der selbstthätigen künstlerischen Handhabung und Benützung
der Mittel, womit und wie es dargestellt ist. Der Pho-
tographie steht dießfalls ein Feld offen, wie keiner andern
Kunst, ein Gebiet, in welchem sie geschützt werden muß,
wenn sie es tüchtig und gediegen bearbeiten soll. Die
gesammte lebendige und todte Natur ist ihr geöffnet, mag
es sich um Aufnahme von Landschaften, des Himmels,
der Gestirne, der Menschen, Thiere, Naturerscheinungen,
Pflanzen, geologischen und anatomischen Gebilde handeln;
sie ist im Stande, die Werke jeglicher, sei es Schiffs-,
Maschinen- oder sonstigen Baukunst wiederzugeben. Schon
aus diesen Andeutungen erhellt, wie sehr die Photographie
in ihren von künstlerischer Bildung geleiteten
Originalaufnahmen gegen die nur technisch herge-
stellten photographischen Nachbildungen einer z. B. in
Kupfer gestochenen, oder lithographirten oder photographir-
ten Kopie verschieden ist. Eine gediegene Originalauf-
nahme erfordert ein künstlerisches Verständnis), ein richti-
ges Urtheil und feinen Takt bei Aufstellung des Appa-
rates; sie erfordert bei menschlichen Figuren und Portraits
eine künstlerische Anordnung der Stellung, Gruppirung,

*) lieber den Rechtsschutz der Photographie in Nr. 6 und 9
der Zeitschrift für das österr. Notariat vom Jahre 1864.

Drapirung und dergleichen; bei plastischen Kunstwerken
ein Beherrschen der eigenthümlichen Beleuchtungseffekte;
bei Aufnahme von nicht direkt photographirten Gegenstän-
den (z. B. alten Gemälden) eine künstlerische Nachhilfe
der zeichnenden Künste. —

Noch ein anderes Argument wurde von den Partei-
gängern der Photographie, namentlich in einer Petition
der wiener photographischen Gesellschaft an das Justiz-
Ministerium, in's Treffen geführt. Man sagt, „baß ein
Gesetz gegen Nachdruck neben den geistigen Interessen
auch die materiellen Interessen oder das materielle Eigeu-
thum schützen solle, und daß jede Photographie,, abgesehen
von ihrem möglichen Kunstwerlhe, auch ein materielles
Eigenthum begründe, durch die Regiekosten des Ateliers
und die außergewöhnlichen Anlagen der Herausgabe man-
cher photographischen Erzeugnisse, so daß in vielen Fällen
ein solches Unternehmen ohne anzuhoffenden Schutz als
zu gewagt erscheinen und unterbleiben dürfte." Harum
meint (a. a. O.), baß hier wohl eigentlich der Gedanke
zum Grunde liege, viele photographischen Darstellungen
könnten wegen der mit der ersten Aufnahme verbundenen
Kosten oder persönlichen Mühen gar nicht unternommen
werden, wenn die so erzeugten Bilder sofort der Konkur-
renz photographischer Nachbildungen preisgegeben würden,
die ohne jene Kosten und Mühen einfach nach den Ori-
ginalbilbern erzeugt, und daher leicht unter dem Kosten-
Preise der letzteren abgegeben werden könnten. Da nun
dieß genau der Grund ist, warum man überhaupt den
Urhebern literarischer und artistischer Werke das aus-
schließliche Recht zur mechanischen Vervielfältigung der-
selben für eine bestimmte Zeit zuerkannt hat, so scheint
dem genannten Schriftsteller die Gleichheit des Grundes
auch für die Gleichheit der Folgen zu sprechen, und dem-
nach die Ausdehnung jenes ausschließlichen Rechtes auch
auf Photographien zu rechtfertigen.

Nicht so weit geht Dr. Schenk (a. a. O.) in seinen
Anforderungen. Er will für „geringe Produkte" der Pho-
tographie, ihrer Natur „als Handwerksarbeit" entsprechend,
dadurch sorgen, daß die Bestimmungen des Musterschutz-
gesetzes vom 7. Dezember 1858 unter einigen Modifika-
tionen auch photographischen Erzeugnissen im Allgemeinen,
in so fern sie nicht den Stempel künstlerischer Auffassung
an sich tragen, nicht einmal einen so weit gehenden Schutz
angedeihen lassen sollen. Der Photograph, sagt man,
wird dafür durch den leichten und immer mehr Gewinn
bringenden Vertrieb seiner Produkte entschädigt; er macht
aus seiner Arbeit, die er einerseits gar zu gerne mit dem
Namen einer Kunst bezeichnet sähe, in der That und vor
Allem einen Industriezweig: er opfert den reinen künstle-
rischen Genuß den Vortheilen, welche ihm sein Atelier
einbringt; er möchte wohl als Künstler auftreten, hat aber
alle Ursache, ein Gewerbsmann zu bleiben, und nimmt
keinen Anstand, seinen Namen, so sehr er aus den Ruhm
desselben hält, zum Gegenstände einer gewerblichen Firma
zu machen.

Fassen wir schließlich unsere eigene Ansicht zusammen,
so dünkt uns, daß es zu weit gehen hieße, jede photo-
graphische Originalaufnahme als ein „Werk der Kunst"
zu betrachten, daß daher nur jenen Erzeugnissen der
Photographie, welche wirklich einen (wenn auch geringen)
künstlerischen Werth haben, welche von einer künstlerischen
Auffassung, von einer künstlerischen Ausführung zeugen,
ein Schutz gegen unbefugte Nachbildung gebühre, daß
aber dieser Schutz eben in dem Nachdrucksgesetze gegeben
sei. Dem Richter mag es in jedem einzelnen Falle, ohne
daß es dazu eines neuen Gesetzes oder auch nur einer
authentischen Interpretation der bestehenden Vorschriften
bedarf, anheimgestellt blieben, zu beurtheilen, ob das Ge-
setz zum Schutze des geistigen (artistischen) Eigenthums
auf eine photographische Aufnahme anzuwenden sei oder
nicht, und wenn er es für nöthig erachtet, mag er Be-
hufs dieser Beurtheilung das Gutachten von Sachver-
 
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