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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0061

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fd)tebenen Plänen, die auf Befehl des Königs
zur Stadtverschönerung entworfen wurden,
jedesmal in dieses Rondell hineingezeichnet."

Ohne die Verdienste des Monarchen zu diskutiren,
können wir doch nicht umhin, in dieser Vorherbestimmung
seines eigenen Denkmals etwas — Ungewöhnliches und Auf-
fälliges zu finden. Wir wissen nicht, ob irgend ein an-
derer Fürst — außer etwa in der römischen Kaiserzeit, wo die
Selbstvergötterung zur Mode geworden war — bei seinen
Lebzeiten bereits Sorge dafür getragen, daß seine Ver-
dienste, in einem Monumente verewigt würden, statt diese
Sorge seinem Nachfolger oder seinem Volke zu überlassen;
das aber wissen wir, daß je größer die Verdienste und
Thateu der Fürsten waren, sie desto weniger an dergleichen
eitle Kleinigkeiten gedacht haben. Wie lange hat es ge-
dauert, bis Friedrich dem Großen in seiner Residenz ein
Denkmal gesetzt wurde? Freilich ist sein ganzer Staat
selber ein einziges großartiges Denkmal seines Ruhms
und seiner Vaterlandsliebe, und er selber lebte und lebt
als „Alter Fritz" zu tief im Herzen und in der Anschauung
seines Volks, um ein Monument von Stein oder Metall
zu bedürfen. — Aber die Denkmalswuth ist heutzutage
epidemisch! und nirgends grassirt sie in ausgedehnterem
Grade als in München. Wem hat man dort nicht Denk-
mäler gesetzt, und was für Denkmäler! Auf Details ein-
zugehen wird man uns erlassen, wir wollen weder die
Todten, an denen sich diese Denkmalswuth versündigt,
noch den lebendigen Sündern selber zu nahe treten. Rs-
cMkseunt in paes!

Nun aber ist wieder ein neues Projekt im Werke, bei
dem man, wie cs scheint, den Gesichtspunkt festhalten zu
wollen scheint, daß es sich dabei mehr um eine Verschö-
nerung der Stadt München als um eine Frage nationaler
Pietät handelt. Außerdem hat das Counts, vielleicht im
Hinblick auf die mannigfachen plastischen Unthaten der
bayerischen Nationalkunst, die vermessene Idee gehabt, in
Etwas dem künstlerischen Gesichtspunkt auch Rechnung
tragen zu wollen und (horreur!) außer bayerischen Künstlern
auch einige aus Dresden und gar aus Berlin zur Kon-
kurrenz aufgefordert. Nun Dresden, das ginge noch, in
Rücksicht darauf, daß — doch gleichviel worauf! — aber
Berlin, das politische Sodom und Gomorrha — aua-
thema sit!

„Es sollen" — bemerkt hierüber der genannte Artikel —
„fünf Künstler in München, Dresden und Berlin aufgefor-
dert werden, Entwürfe zu dem Denkmal zu liefern, und soll
jeder derselben eine Prämie von 1500 Fl. erhalten. Also
auch Berliner Künstler sollen dazu Mitwirken!" — „Wir
sind keineswegs so zunftmäßig engherzig, daß wir eine
Art Schutzzollsystem für die bayerschen Bildhauer ver-
langen" (also wörtlich nicht!) und wissen recht wohl, daß die
Kunst kein Vaterland hat. Aber" — vielleicht taugen die

berliner Bildhauer nichts? Nein, das ist's nicht, sondern —
„es ist doch weltbekannt, daß die gering sch ätz ende
und hochfahrende Behandlung, welche die deut-
schen Mittelstattten in der schleswig-holsteini-
schen Frage durch Preußen erfahren haben,
wesentlich dazu beitrug, unserm König seine
letzten Lebenstage stark zu verbittern." — —
— „Nach unseren in jüngster Zeit gemachten höchst trau-
rigen Erfahrungen und der gegenwärtigen trüben Kon-
stellation am politischen Horizont wäre es gewiß eine
grausame Ironie des Schicks als, wenn das Denk-
mal des Königs Maximilian II. von Bayern
an der Spree gemacht werden sollte."

Wie? Was? Also — angenommen es wäre so, der König
wäre an der schleswig-holsteinischen Frage statt an etwas
Anderem gestorben — dafür sollen nun die armen, un-
schuldigen berliner Künstler büßen? — Unschuldig? Warum
nicht gar! Nein:

„Es ist keineswegs die preußische Regierung allein,
welche diese offene Geringschätzung gegen das übrige
Deutschland hegt, auch das preußische Volk in sei-
ner Mehrheit theilt diese ungemessene Selbst-
überhebung und blickt hochmüthig auf die Be-
wohner der Mittelstaaten,' vor allen Bayerns, herab.
Unserm innersten Gefühl — sagen wir es offen — wider-
strebt es geradezu, ja wir halten es für eine reine
Unmöglichkeit, daß die berliner Bildhauer im
Stande sein sollten, den guten, einfachen, volksfreund-
lichen König Maximilian würdig aufzufassen". Nun, dann
werden sie ja wohl in der Konkurrenz durchfallen. Also
wozu alle diese Protestalionen? Sollte doch vielleicht die
Besorgniß vorhanden sein, ein berliner Bildhauer könnte
am Ende „im Stande sein, den guten, einfachen, volks-
freundlichen König Maximilian würdig aufzufassen"?) —
„Es mahnt uns dieses Vorhaben fast wie eine auf arti-
stischem Gebiet bereits vollzöge ne Annexion der
Mittelstaaten, welche durch Preußen auf der politischen
Arena so rückhaltslos angestrebt wird, wenn wir schon
jetzt anfangen, nach Berlin hin zu gravitiren und uns von
dem dortigen Geschmack abhängig zu machen."

Welches töstimouium xanportatis! Entweder taugt
der berliner Geschmack oder er taugt nichts. Taugt er
nichts, wo ist dann die Gefahr des „Gravitirens"? Taugt
er aber etwas und mehr als der münchener, ja dann —
mag sich der Verfasser mit der Stärke seines National-
hasses für die Schwäche seines Nationalgeschmacks
trösten. Wir Berliner hegen keinen solchen kleinlichen
Haß, wir zucken die Achseln über solche klägliche Logik
und bedauern das gutmüthige und verständige bayerische
Volk, das sich von seiner Presse solche jammervollen Eifer-
süchteleien octroyiren läßt.

(Schluß folgt.)
 
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