47-
Korrespondenzen.
*'*) ** Königsberg, 27. Januar. (Die Fresken in
der Aula der Universität). Nachdem in einer Kom-
missionssitzung unter Präsidium des Hrn. Ministers d. i.
der bisherige Plan zu der Ausschmückung unserer Aula
(wie ich Ihnen denselben Jahrg. 1864 S. 395 mitgetheilt
habe) und die Vertheilung der Arbeiten gebilligt, also eigent-
tl'rch festgestellt war, durften die betreffenden Künstler meinen,
av die Ausführung der Cartons nach den vorgelegten
Zeichnungen gehen zu können. Inzwischen ist der alte
Rangstreit der Fakultäten verzögernd eingeschritten. Nicht
als ob die Fakultäten der Universität sich unzufrieden ge-
zeigt hätten, im Gegcntheil, die sämmtlichen hiesigen Mit-
glieder der Kommission haben soeben eine Vorstellung, be-
treffend die Beibehaltung der getroffenen Bestimmungen, bei
dem Minister eingereicht, der nun die „Hauptwand" (die
über dem Rektorsstuhl) auch der „ersten" Facultät, der
Theologie, nicht der Philosophie, eingeräumt wissen will.
Die Sache hat gewiß wenig auf sich, wiewol in der Regel
die Philosophen den Rektorsstuhl und die Katheder ein-
zunehmen veranlaßt sind, nur ausnahmsweise die Theo-
logen. Für die beiden Maler erwüchse aber aus solchem
Wechsel die unangenehme Nothwendigkeit an ihren Kom-
positionen bedeutend zu ändern, da die Lichtwirkung eine
sehr veränderte würde, auch die räumlichen Maaße ver-
schieden sind. Auch das wird als ein Uebelstand empfun-
den, daß die Längenwand, an der Rosen selber die „Me-
dicin", Gräf die „Jurisprudenz" zu malen hat, zwei
Hände ausweisen würde, ich glaube indeß nicht, daß dem
Beschauer ein Unterschied der Hände irgend aufsallen
wird, da die Wand in zwei architektonisch so völlig geson-
derte Hälften zerfällt, daß man, um die Bilder zu betrach-
ten, ebensoweit von dem einen zum andern zu gehen hat,
als zu den übrigen beiden Bildern. Es käme nur dar-
auf an, daß alle vier Gemälde, oder eigentlich alle,
eine gewisse Uebereinstimmung zeigten. Es wird nun die
endgültige Entscheidung von dem Minister erwartet. —
Zwei von den Zeichnungen (die Rosenfelbers) waren
übrigens hier ein paar Tage ausgestellt und erfuhren da-
bei die extremsten Bcurtheilungen, eine völlig liebedienerische
(wir haben jetzt hier ein „Kunstblatt", das sich zu solchen
Diensten hergiebt), und eine, die so streng aus der Sache
selbst abgeleitet war, daß der Verfasser die Person dar-
über völlig vergessen zu haben schien. Die Wahrheit wird
wohl in der Mitte liegen. Der gestrenge Kritiker sagte
aus einer Fülle der Erkenntniß heraus ohne Zweifel be-
herzigenswerthe Wahrheiten, die, um mehr zu wirken,
nur in weniger harten (um nicht zu sagen lieblosen) Wor-
ten ausgesprochen werden mußten. Auch ich halte Rosen-
feldcrs „Hippokrakes", der ohne den geforderten historischen
Hintergrund einfach „Trost und Hülfe spendend" auftritt,
für ein Genrebild, aber wo die „ganz besondere Sub-
jektivität" seines „Paulus" sitzen soll, verstehe ick nicht.
Meinte man etwa die Subjektivität des Malers? Die
wird man ihm doch lassen müffen. Der Verfaffer hat
sich zu einem Disput darüber nicht verstanden, obscdon
man seine Aufstellungen öffentlich für „persönliche An-
griffe" erklärte. Das „Kunstblatt", statt die Vertheidigung
des Künstlers und der eigenen Ansicht zu führen, verschanzte
sich hinter der Redensart, daß man „auf so etwas" nicbts
zu antworten habe. Von dem Gesichtspunkte ausgehend,
daß eine Kritik weniger das werth ist, was sie lehrt, als
was sie an regt,*) werde ich über die Bilder Ihnen
meine Meinung nicht vvrenthalten, sobald sie aus dem
*) Ist dies wohl ein wesentlicher Unterschied? Nur die
Kritik, welche wirklich belehrt, regt auch au; allein eine blos
anregende, ohne zugleich belehrende Kritik kann leicht aus Ab-
wege führen. Die Red.
provisorischen Stadium heraus und in die gewissere Ge-
staltung der Cartons getreten sind.
Zu Weihnachten haben uns die Mitglieder des Künst-
lerunterstützungsvcreins (nach sieben Jahren) wieder mit
einer Ausstellung von Transparenten erfreut, sechs Num-
mern, worunter drei neue: „Grablegung" von P. Delaroche,
ein effektvolles Architekturstück von Gemmcl und ein See-
stück „Christus wandeltauf dem Meere"; letzteres wurde
als „Mißgriff" bezeichnet, und. wie mir scheint, eignet
sich das Furchtbar-Erhabene wirklich schlecht zur Staffage.
In den nächsten Tagen sehen wir der Eröffnung der
großen Kunstausstellung entgegen.
A Mailand, im Januar (Kunst und Künstler in
Italien. Forts.) Nicht viel besser als mit der Malerei
und Plastik sieht es mit der Baukunst aus; doch hierauf
ist kein großes Gewicht zu legen, da die Architekturfrage
überhaupt die offene Wunde der heutigen Knnstentwicklung
ist. Nicht als ob in Italien, und namentlich im nörd-
lichen Italien, nicht mindestens ebensoviel gebaut wird
wie gemalt und gebildhauert. Allein wenn man von den
meist mit Sorgfalt und Verständniß ausgeführten und in
Ausführung begriffenen Restaurationen älterer Baudenk-
mäler absieht, so kann man nicht verkennen, daß die mo-
dernen Neubauten einen um so schreienderen Gegensatz zu
der Großartigkeit und Stilschönheit jener älteren Bauten
bilden. So hat man in Florenz durch die Verlängerung
des Lungarno zur Porta al Prato eine durch weite Aus-
sichten auf die mit zierlichen Villen und Klöstern bedeckten
Hügel verschönte Anlage in dem Charakter unserer moder-
nen Residenzen erhalten, aber unmittelbar schließt sich
daran, zwischen der Porta al Prato und Porta San
Gallo, die ganz geschmacklose neue Piazza dell' Jndepen-
denza, der einen mit kasernenartigen Privatgebäuden um-
gebenen langweiligen Exerzierplatz darstellt. — Was die
Restaurationen alter Bauwerke betrifft, so muß ich in
erster Reihe den bekannten Plan erwähnen, für die un-
vollendete Westseite des florentiner Doms eine im Stil
des berühmten Bauwerks gedachte Fayade herzustellen.
Nach Maaßgabe der vorhandenen Seitenfa?aden ergeben
sich als Requisite für die architektonische Oekonomie der
Hauptfayade drei Thürcn, ebensoviel Rundfenster und
vier Pfeiler. Trotz dieser durch die innere Konstruction
der Schiffe bedingten Daten gingen die Pläne, welche in
Folge einer Konkurrenz, die durch die zu diesem Zweck
gebildete Kommission ausgeschrieben war, einliefen, doch
in wesentlichen Dingen weit auseinander. Neben dem pro-
jektirten Dreigiebelsystemwelches in mehreren Plänen
vertreten war, traf in einigen der Horizontalabschluß auf,
während wieder bei andern Plänen eine gemischte Form
vorwaltete. Nachdem der erste Termin zur Einsendung
abgelaufen war — dessen Resultat in nicht weniger
als 58 Entwürfen bestand, von denen zwar drei prämiirt,
keiner aber als tauglich befunden wurde — ist man zu
einer zweiten Konkurrenz geschritten, zu welcher man meh-
rere auswärtige Architekten besonders eingeladen hatte.
Die Kommission hatte sich principiell gegen das Drei-
giebelsystem erklärt, woher es kam, daß die 36 Pläne der
zweiten Konkurrenz hievon Abstand nehmen mußten.
Außer dem Marchese Massiuo d'Azeglio, dem Archi-
tekten Bertini, dem Marchese Selvatico in Padua,
dem Ingenieur Monti von Bologna, dem Architekten
Malwezzi aus Turin waren auch ausländische Notabi-
litäten eingeladen worden, nämlich Biolet le Duc aus
Paris, der jedoch behindert war, Dr. E. Förster aus
München und Oberbaurath van der Nüll aus Wien.
Unter den Konkurrenten der ersten Jury hatte der Archi-
tekt Petersen aus Kopenhagen den ersten Preis erhal-
ten, trotzdem daß sein Plan auf dem Dreigiebelsystem
Korrespondenzen.
*'*) ** Königsberg, 27. Januar. (Die Fresken in
der Aula der Universität). Nachdem in einer Kom-
missionssitzung unter Präsidium des Hrn. Ministers d. i.
der bisherige Plan zu der Ausschmückung unserer Aula
(wie ich Ihnen denselben Jahrg. 1864 S. 395 mitgetheilt
habe) und die Vertheilung der Arbeiten gebilligt, also eigent-
tl'rch festgestellt war, durften die betreffenden Künstler meinen,
av die Ausführung der Cartons nach den vorgelegten
Zeichnungen gehen zu können. Inzwischen ist der alte
Rangstreit der Fakultäten verzögernd eingeschritten. Nicht
als ob die Fakultäten der Universität sich unzufrieden ge-
zeigt hätten, im Gegcntheil, die sämmtlichen hiesigen Mit-
glieder der Kommission haben soeben eine Vorstellung, be-
treffend die Beibehaltung der getroffenen Bestimmungen, bei
dem Minister eingereicht, der nun die „Hauptwand" (die
über dem Rektorsstuhl) auch der „ersten" Facultät, der
Theologie, nicht der Philosophie, eingeräumt wissen will.
Die Sache hat gewiß wenig auf sich, wiewol in der Regel
die Philosophen den Rektorsstuhl und die Katheder ein-
zunehmen veranlaßt sind, nur ausnahmsweise die Theo-
logen. Für die beiden Maler erwüchse aber aus solchem
Wechsel die unangenehme Nothwendigkeit an ihren Kom-
positionen bedeutend zu ändern, da die Lichtwirkung eine
sehr veränderte würde, auch die räumlichen Maaße ver-
schieden sind. Auch das wird als ein Uebelstand empfun-
den, daß die Längenwand, an der Rosen selber die „Me-
dicin", Gräf die „Jurisprudenz" zu malen hat, zwei
Hände ausweisen würde, ich glaube indeß nicht, daß dem
Beschauer ein Unterschied der Hände irgend aufsallen
wird, da die Wand in zwei architektonisch so völlig geson-
derte Hälften zerfällt, daß man, um die Bilder zu betrach-
ten, ebensoweit von dem einen zum andern zu gehen hat,
als zu den übrigen beiden Bildern. Es käme nur dar-
auf an, daß alle vier Gemälde, oder eigentlich alle,
eine gewisse Uebereinstimmung zeigten. Es wird nun die
endgültige Entscheidung von dem Minister erwartet. —
Zwei von den Zeichnungen (die Rosenfelbers) waren
übrigens hier ein paar Tage ausgestellt und erfuhren da-
bei die extremsten Bcurtheilungen, eine völlig liebedienerische
(wir haben jetzt hier ein „Kunstblatt", das sich zu solchen
Diensten hergiebt), und eine, die so streng aus der Sache
selbst abgeleitet war, daß der Verfasser die Person dar-
über völlig vergessen zu haben schien. Die Wahrheit wird
wohl in der Mitte liegen. Der gestrenge Kritiker sagte
aus einer Fülle der Erkenntniß heraus ohne Zweifel be-
herzigenswerthe Wahrheiten, die, um mehr zu wirken,
nur in weniger harten (um nicht zu sagen lieblosen) Wor-
ten ausgesprochen werden mußten. Auch ich halte Rosen-
feldcrs „Hippokrakes", der ohne den geforderten historischen
Hintergrund einfach „Trost und Hülfe spendend" auftritt,
für ein Genrebild, aber wo die „ganz besondere Sub-
jektivität" seines „Paulus" sitzen soll, verstehe ick nicht.
Meinte man etwa die Subjektivität des Malers? Die
wird man ihm doch lassen müffen. Der Verfaffer hat
sich zu einem Disput darüber nicht verstanden, obscdon
man seine Aufstellungen öffentlich für „persönliche An-
griffe" erklärte. Das „Kunstblatt", statt die Vertheidigung
des Künstlers und der eigenen Ansicht zu führen, verschanzte
sich hinter der Redensart, daß man „auf so etwas" nicbts
zu antworten habe. Von dem Gesichtspunkte ausgehend,
daß eine Kritik weniger das werth ist, was sie lehrt, als
was sie an regt,*) werde ich über die Bilder Ihnen
meine Meinung nicht vvrenthalten, sobald sie aus dem
*) Ist dies wohl ein wesentlicher Unterschied? Nur die
Kritik, welche wirklich belehrt, regt auch au; allein eine blos
anregende, ohne zugleich belehrende Kritik kann leicht aus Ab-
wege führen. Die Red.
provisorischen Stadium heraus und in die gewissere Ge-
staltung der Cartons getreten sind.
Zu Weihnachten haben uns die Mitglieder des Künst-
lerunterstützungsvcreins (nach sieben Jahren) wieder mit
einer Ausstellung von Transparenten erfreut, sechs Num-
mern, worunter drei neue: „Grablegung" von P. Delaroche,
ein effektvolles Architekturstück von Gemmcl und ein See-
stück „Christus wandeltauf dem Meere"; letzteres wurde
als „Mißgriff" bezeichnet, und. wie mir scheint, eignet
sich das Furchtbar-Erhabene wirklich schlecht zur Staffage.
In den nächsten Tagen sehen wir der Eröffnung der
großen Kunstausstellung entgegen.
A Mailand, im Januar (Kunst und Künstler in
Italien. Forts.) Nicht viel besser als mit der Malerei
und Plastik sieht es mit der Baukunst aus; doch hierauf
ist kein großes Gewicht zu legen, da die Architekturfrage
überhaupt die offene Wunde der heutigen Knnstentwicklung
ist. Nicht als ob in Italien, und namentlich im nörd-
lichen Italien, nicht mindestens ebensoviel gebaut wird
wie gemalt und gebildhauert. Allein wenn man von den
meist mit Sorgfalt und Verständniß ausgeführten und in
Ausführung begriffenen Restaurationen älterer Baudenk-
mäler absieht, so kann man nicht verkennen, daß die mo-
dernen Neubauten einen um so schreienderen Gegensatz zu
der Großartigkeit und Stilschönheit jener älteren Bauten
bilden. So hat man in Florenz durch die Verlängerung
des Lungarno zur Porta al Prato eine durch weite Aus-
sichten auf die mit zierlichen Villen und Klöstern bedeckten
Hügel verschönte Anlage in dem Charakter unserer moder-
nen Residenzen erhalten, aber unmittelbar schließt sich
daran, zwischen der Porta al Prato und Porta San
Gallo, die ganz geschmacklose neue Piazza dell' Jndepen-
denza, der einen mit kasernenartigen Privatgebäuden um-
gebenen langweiligen Exerzierplatz darstellt. — Was die
Restaurationen alter Bauwerke betrifft, so muß ich in
erster Reihe den bekannten Plan erwähnen, für die un-
vollendete Westseite des florentiner Doms eine im Stil
des berühmten Bauwerks gedachte Fayade herzustellen.
Nach Maaßgabe der vorhandenen Seitenfa?aden ergeben
sich als Requisite für die architektonische Oekonomie der
Hauptfayade drei Thürcn, ebensoviel Rundfenster und
vier Pfeiler. Trotz dieser durch die innere Konstruction
der Schiffe bedingten Daten gingen die Pläne, welche in
Folge einer Konkurrenz, die durch die zu diesem Zweck
gebildete Kommission ausgeschrieben war, einliefen, doch
in wesentlichen Dingen weit auseinander. Neben dem pro-
jektirten Dreigiebelsystemwelches in mehreren Plänen
vertreten war, traf in einigen der Horizontalabschluß auf,
während wieder bei andern Plänen eine gemischte Form
vorwaltete. Nachdem der erste Termin zur Einsendung
abgelaufen war — dessen Resultat in nicht weniger
als 58 Entwürfen bestand, von denen zwar drei prämiirt,
keiner aber als tauglich befunden wurde — ist man zu
einer zweiten Konkurrenz geschritten, zu welcher man meh-
rere auswärtige Architekten besonders eingeladen hatte.
Die Kommission hatte sich principiell gegen das Drei-
giebelsystem erklärt, woher es kam, daß die 36 Pläne der
zweiten Konkurrenz hievon Abstand nehmen mußten.
Außer dem Marchese Massiuo d'Azeglio, dem Archi-
tekten Bertini, dem Marchese Selvatico in Padua,
dem Ingenieur Monti von Bologna, dem Architekten
Malwezzi aus Turin waren auch ausländische Notabi-
litäten eingeladen worden, nämlich Biolet le Duc aus
Paris, der jedoch behindert war, Dr. E. Förster aus
München und Oberbaurath van der Nüll aus Wien.
Unter den Konkurrenten der ersten Jury hatte der Archi-
tekt Petersen aus Kopenhagen den ersten Preis erhal-
ten, trotzdem daß sein Plan auf dem Dreigiebelsystem