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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0071

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56

Die ganze Versammlung, die einen Halbkreis bildet,
hat die Blicke auf einen einzigen Punkt gerichtet: dort
steht Schamyl, das Gesicht nach dem Dolmetscher gewen-
det, der mit der Hand nach dem Fürsten deutet und die
Unterredung zwischen letzterem und Schamyl vermittelt.
Dicht hinter diesen: folgt eine wilde Gestalt mit nackten
Armen und Beinen, mitjder linken Hand einen Grasbüschel
auf eine Wunde des rechten Armes drückend. In Mie-
nen und Bewegung zeigt sie die ganze Rauheit eines
Sohnes der Berge; es ist ein Freund Schamyls, der zu-
gleich mit ihm in Gefangenschaft gerieth. Weiter nach
links stehen Gruppen von Kriegern, welche mit neugieri-
gen Augen die Gefangenen betrachten, hinten schließt sich
die Masse des Heeres an und erfüllt weithin die Land-
schaft, die mit einem majestätischen Berg, der eine Stadt
überragt, ihren Abschluß findet. Der Künstler, welcher
dem Vorgang selbst beiwohnte, hatte den Auftrag, ihn
ganz so zu malen, wie er ihn gesehen hatte, daher war
von einer freien Anordnung nicht die Rede. Gleichwohl
ist die Stellung der Figuren nicht unglücklich, indem zwar
dem russischen Fürsten dadurch Genüge geschehen ist, daß
er einen erhöhten Platz erhalten hat, wo er sogleich in
die Augen fällt, gleichwohl aber Schamyl, der unser Haupt-
interesse in Anspruch nimmt, auch die Hauptfigur im Bilde
ist, indem er die Mitte desselben einnimmt und zugleich
durch das Jmponirende seiner Erscheinung und die niaje-
stätische Ruhe, mit der er sein Schicksal trägt, allen An-
dern gegenüber eine gewisse moralische Ueberlegenheit be-
hauptet.

Alle Gestalten des figurenreichcn Bildes sind vor-
trefflich gezeichnet, die Bewegungen sind von großer
Wahrheit, besonders ist in dem Dolmetscher, der mit
Schamyl spricht, die Achtung und Höflichkeit, mit der er
dies thut, sehr gut ausgedrückt, um so mehr, als er dem

Beschauer den Rücken zukehrt und seine Meinung nur aus
seiner Stellung und Handbewegung errathen wird. Wie
die Zeichnung der einzelnen Figuren, so sind auch die
Gruppen in ihrer Stellung zu einander vortrefflich. Hor-
schelt ist überall Meister, wo es auf Zeichnung und Linie
ankommt, weniger kann man dies von der Farbenwirkung
sagen. In diesem Falle freilich, wo der Künstler aus
einzelnen Portraits ein Bild zusammenfügen sollte, war
es keine leichte Aufgabe, sich zu dem eigentlichen künst-
lerischen Gedanken aufzuschwingen, der ein Kunstwerk zu-
erst in seiner Totalwirkung, sowohl in Linien als in
Farben, durchdringen muß, und von welchem alle einzel-
nen Theile in des Ganzen abhangen. Es scheint uns
aber, nach andern Werke des Künstlers zu urtheilen, eine
Eigenthümlichkeit desselben zu sein, daß er die Zeichnung
und Linienwirkung überhaupt mehr zu betonen pflegt als
die Farbenwirkung. Wir vermissen in dem Bilde haupt-
sächlich eine solche Vertheilung von Licht und Schatten-
massen, welche eine gesammelte Wirkung Hervorbringen
könnte, vielmehr sind Licht und Schatten darin so zer-
splittert, daß ihre Wirkung nahezu null ist. Hie und da
treten sie ohne Berechtigung zu stark hervor; so hebt sich
die Gestalt von Schamyl's Freund so hell ab, daß das
Auge des Beschauers unwillkürlich zuerst auf sie gerichtet
wird, und einen Augenblick die Täuschung obwalten kann,
als sei dies die Hauptfigur, besonders da sie die beweg-
teste im ganzen Bilde ist.

Indessen es geht bei diesem Gemälde wie bei allen
bedeuteren Kunstwerken: Man kommt über dem Inter-
esse, welche ihre Schönheiten einflößen, kaum dazu, sich
auch ihre Mängel zu besehen; jedenfalls ist es dankbar
anzuerkennen, daß der Künstler ein Bild, welches nach
russischem 'Geschmack entworsen wurde, einem deutschen
Publikum gleichwohl noch genießbar gemacht hat.

Kunst-Chronik.

Berlin. — Das Knaus'sche Bild, „Der Taschenspie-
ler", welches seit etwa 5 Wochen „nur aus wenige Tage"
in dem Sachse'schen Lokal ausgestellt ist, bleibt bis zum
14. d. M. auf genannter Ausstellung.

— — Der Magistrat hat, wie öffentliche Blätter
mittheilen, vor wenigen Tagen an die Professoren
Magnus und Menzel, Ober-Hofbanrath Professor
Strack und Geh. Ober-Baurath Dr. Stüler, ferner
an die Professoren Dropsen, Eggers, Scknaase
und Waagen ein Schreiben gerichtet, worin er die Her-
ren, unter Vorlegung aller bezüglichen Pläne und Ent-
würfe über den Bau und die innere Ausschmückung des
Rathhauses, um ein Gutachten erfüllt. Ob damit
ein Kollektivgutachten gemeint sei, ist nicht ersichtlich.

Köln. — Der Absatz der Dombau-Loose nimmt einen
überraschend günstigen Fortgang. In den ersten acht
Wochen des Betriebes sollen 200,000 Loose untergebracht
worden sein, so daß man mit Sicherheit auf einen Zu-
schuß zum Dombaufond aus der Lotterie bis zum Be-
trage von etwa 300,000 Thalern rechnet.

Breslau. — Hier hat der Kunsthändler Karfunkel
eine permanente Gemäldeausstellung eröffnet.
Die Lokalitäten (Schweidnitzerstraße 16—18) sollen sich
durch Geräumigkeit, gute Beleuchtung und frequente Lage
vorteilhaft auszeichnen.

Wien. — In einem hiesigen Polizeihause in der
Sterngasse, das in früherer Zeit ein Kloster gewesen ist,
entdeckte man kürzlich eine unterirdische Kapelle,
unter deren Hochaltar sich eine steinerne gewölbte Gruft
befand. Grabschrift und Vorgefundene Dokumente weisen
nach, daß hier Eleonore, die GemahlinKaiserFerdinand'sll.,
begraben lag, deren Sarg 1782 bei Aufhebung des Klosters

in die Gruft von St. Stephan überführt wurde. Die
Kapelle ist kreisförmig; in der hintern Mittelnische steht
eine Statue des heil. Joseph, an welcher blos die reckte
Hand fehlt. Auf der linken Seite derselben befindet sich
eine Marien-Statue mit dem Jesuskinde und eine Engels-
sigur. Sämmtliche Bildwerke sind in Sandstein ausge-
führt. Außerdem ist die Kapelle mit einigen Freskomale-
reien verziert, unter denen ein Bild der Dreifaltigkeit ober-
halb der Mittelstatue durch Farbenpracht hervorragt. Das
Ganze ist grau ausgemalt. Bestehen dürfte die Kapelle
schon seit 1643 und ist jedenfalls bei Lebzeiten der kaiser-
lichen Stifterin des Karmeliterinnenkouvents schon einge-
richtet worden.

— — Der Landschaftsmaler Selleny hat drei
jener großen Cartons vollendet, welche er nach seinen auf
der Weltumseglung mit der „Novara" gemachten Skizzen
zur späteren Ausführung in Oel anfertigen will: „Die
Insel Madeira mit Funchal", „Die Insel St. Paul im
Indischen Ocean" und den „Grottentempel zu Mahama-
Beipur in Vorderindien". Demnächst soll ein „Urwald aus
Australien" folgen.

Augsburg. — Der bekannte Gemälderestaurator Kon-
servator Eigner in Augsburg hat nach jahrelangen Ver-
suchen einen neuen Gemäldefirniß erfunden, welcher
große Vorzüge vor dem bisher gebräuchlichen Harzfirniß
voraus haben soll. An Stelle des Harzes kommt eine
andere Substanz in Anwendung, welche den, Temperatur-
wecksel, der Feuchtigkeit und den Sonnenstrahlen wider-
steht, so daß jedes Springen, Vertrocknen und Abblättern
der Farbe verhindert wird; auch können die hiermit ge-
firnißten Bilder mit Wasser gereinigt werden. Außer dem
Vortheil dieser Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse
soll der neue Firniß auch dem Ton der Bilder eine an-
 
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