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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0070

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55

gefälligst: Wer hat denn dies je behauptet? Sie kämpfen
gegen Windmühlen, geehrter Herr, und unterscheiden sich
nur dadurch von dem weiland berühmten Ritter, daß Sie
die Flügel durch ihren eigenen Wind in Bewegung setzen.
Doch weiter: „Wir nehmen das Monument für Preußens
Friedrich den Großen, diese letzte Schöpfung Rauchs,
aus; aber wir fragen: sind die Statuen Bülow's und
Scharnhorst's, Aork's und Gneisenau's, die Statue Fried-
rich Wilhelms III. im Thiergarten gar so unnahbar, daß
Alles, was in München geleistet wurde, tief, tief dagegen
absteht?"

Der Verfasier schwärmt also für die Rauch'sche Fried-
richsstatue l Nun, das ist Geschmackssache. Andere Leute
sind anderer Meinung und ziehen die „Statue des gro-
ßen Kurfürsten" vor, die der Verfasser gar nicht zu ken-
nen scheint. Ebensowenig scheint er die Statue „Zieten's"
und „des Dessauer's" von Sch ad ow, die „Blücherstatue"
von Rauch u. a. m. zu kennen oder zu wisien, daß ge-
rade die schönen Figuren des Piedestals an dem Fried-
richsdenkmale, z. B. die vier Reiterstatuen an den Ecken,
von Rauch's Schülern, Bläser, Drake u. s. f. herrüh-
ren. — Was die Münchener Denkmalsbildhauerei betrifft,
so gäbe diese ein dankbares Thema ab, wenn wir, nach
dem Beispiel des Verfassers, die Mängel heraussuchen
wollten. Es wäre gar zu wohlfeil, auf Statuen, wie die von
„Orlando di Lasso" und ähnliche Machwerke hinzuwei-
sen, für die der Verfasser in Berlin schwerlich ein Aequi-
valent, als Produkt der berliner Skulptur der letzten
dreißig Jahre, finden möchte.

Obgleich die berliner Bildhauer, nach der Ansicht des
Verfassers, „gar nicht im Stande sind, den König Max
würdig darzustellen," überhaupt seit dem Tode Rauch's
kein Bildhauer mehr in Berlin vorhanden ist, welcher der
Rede wertst wäre: so macht er sich auf der andern Seite
doch eine illuminöse Vorstellung von der Stellung, welche die
Künstler in Berlin im Vergleich mit denen in München
einnehmen. „In einem Punkt freilich" — sagt er — „sind
die berliner Bildhauer den Münchnern überlegen. Es ist
der, daß sie angesehen und geehrt sind und sich der öffent-
lichen Achtung und Theilnahme erfreuen, deren sich Mün-
chens Künstler gerade nicht sehr rühmen können." — „Zu
den Münchner Bildhauern hat man kein rechtes Vertrauen,
wie es scheint, und wir sehen diese häufig dazu verurtheilt,

die Ideen Anderer auszuführen, immer aber gezwungen,
für Preise zu arbeiten, welche ein berliner Künstler mit
Entrüstung zurückweisen würde, wollte man ihm zumuthen,
ein Werk für solche unbedeutende Summe zu liefern." —
Nun, nun; der Unterschied wird wohl nicht allzu groß
sein. Der Herr Verfasser, welcher einem berliner Bild-
hauer nicht den Auftrag zur Ausführung des Königs-
denkmals gönnt, muß die Einnahmen der berliner Bild-
hauer nicht nach dem Maaßstab zu beurtheilen, nach wel-
chem die preußische Regierung einen m ü n ch n e r Künst-
ler für seine Arbeiten hierorts bezahlt hat.") Ehe Bayern
den preußischen Künstlern überhaupt soviel zu verdienen
giebt, wie dieser einzige niünchener Künstler von Preußen
erhielt, darüber möchte wahrscheinlich noch einige Zeit
hingehen.

Nach allen diesen Jnvektiven schließt der Verfasser
mit der naiven Bemerkung, daß er „Niemand habe be-
leidigen wollen und daß es ihm genüge, ein sreimüthiges
offenes Wort, Keinem zu Liebe und Keinem zu
Leide, ausgesprochen zu haben".

Auch wir wollen mit einem freimüthigen Worte schlie-
ßen, nämlich mit der Ansicht, daß, wenn der Verfasser
die Entfremdung zwischen Nord- und Süddeutschland wirk-
lich beklagt, diese Entfremdung — die übrigens mehr in
gewissen verschrobenen Köpfen als in der Wirklichkeit vor-
handen ist — schwerlich dadurch ausgeglichen werden
dürfte, daß man in öffentlichen Blättern einen so jäm-
merlichen Nationalhaß gegen Preußen überhaupt und eine
so kleinliche Eifersüchtelei gegen die preußischen Künstler
im Besonderen zur Schau trägt, wie es in dem obigen Artikel
geschehen ist. Was uns betrifft, und wir glauben hier für die
große Mehrzahl reden zu dürfen, so versichern wir auf-
richtigst, daß wir nicht die geringste Antipathie, im Ge-
gentheil das freundschaftlichste Interesse für Süddeutsch-
land, insbesondere für die gemüthlichen Bayern nnd
Sachsen, fühlen, und daß uns nichts ferner liegt, als
Eifersucht und dergleichen in Betreff ihrer künstlerischen
oder wissenschaftlichen Kapacitaten zu empfinden.

M. Sr.

*) Kaulbach nämlich erhielt für seine Gemälde im Trep-
penhause des Neuen Museums gegen 250,000 Thlr., ungerech-
net die Entschädigung für Kohle-nnd Papier zur Entwertung
des Cartons; eine Entschädigung, die auf 25,000 veranschlagt
wurde. D. Red.

Korrespondenzen.

H. München, den 6. Februar 1865. („Vorführung
des gefangenen Sckamyl", Gemälde von Hor-
schelt). Das hier ausgestellte historische Gemälde von
Horschelt, welches die Vorführung des gefangenen Schamyl
vor seinen Sieger, den russischen Fürsten Bariatinsky, dar-
stellt, erfreut sich eines sehr zahlreichen Besuchs von Seiten
des Publikums. Bei aller Anerkennung der Verdienste
des BildeS kann ich doch nicht umhin, die Vermuthung
auszusprechen, daß der Künstler, wenn er frei hätte schaf-
fen können, den Augenblick der Gefangennahme, nicht aber
der Vorführung des Gefangenen gewählt haben würde.
Letzteres ist kaum ein Vorwurf für die Malerei, oder
überhaupt für künstlerische Darstellung, während das tra-
gische Schicksal der Niederlage des nationalen Freiheitshelden
unter die Gewalt soldatischer Uebermacht ein wirklich
künstlerisches Motiv gewesen wäre. Selbst wenn man die

Russen als Vertreter der Civilisation gegenüber der
rohen Naturkraft betrachten wollte, so bliebe diese Vor-
führung des gefesselten Schamyl immer ein mißlicher
Vorwurf. Wahrscheinlich lag auch dem Besteller des
Bildes, dem russischen Fürsten Bariatinsky, nichts ferner,
als eine solche Idee, sondern er hatte wohl die nahe lie-
gende Absicht, sich und seine Generale in der wichtigsten
und würdevollsten Situation, sammt dcni Stern auf seiner
Brust, abkonterfeienzu lassen; nnd wenn der Künstler noch
etwas mehr gethan hat, so hat er es rein aus uneigen-
nütziger Liebe zur Kunst gethan. Die Komposition des
Bildes ist folgende: Auf einem mit Birken bewachsenen
Hügel sitzt der Fürst, während seine Generale um ihn her-
umstehen, von seinem Knie hängt der Fürstenmantel her-
ab, über seinem Haupt werben von hintenstehenden Krie-
gern russische Fahnen gehalten.
 
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