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Korrespondenzen.
ü Stuttgart, den 9. Februar 1865. (Ausstellung
im Kunst - V er ein. Permanente Ausstellung).
Von den gegenwärtig im Kunst-Verein neu ausgestellten
Werken ragt zunächst Lurch seine Größe hervor das Histo-
rienbild „Die besiegten Mailänder vor Kaiser Friderich
Barbarossa" von Karl Svoboda in Wien, das Eigen-
thum der Verbindung für historische Kunst ist. Verschiedene
Stimmen haben bereits in anderen Blättern eine ein-
gehende Beschreibung über das Gemälde gegeben, so daß
wir von einer solchen absehen und vielmehr gleich zur
Charakterisirung des Werkes als künstlerischer Leistung über-
gehen. — Vor Allem ist die Komposition durch den Mangel
an Einheit keine glückliche zu nennen. Das Bild zerfällt
gewissermaaßen in zwei horizontal übereinander stehende
Partien. Die obere wird von dem Kaiser und seinen
Begleitern, die untere von dem Zuge der besiegten Mai-
länder eingenommen, und tritt diese Theilung noch schärfer
durch die horizontale Zeichnung der Architektur hervor.
Dem Bilde wird nicht mit Unrecht der Vorwurf des
Konventionellen gemacht, was besonders von der aus dem
Kaiser und seinen Begleitern gebildeten Gruppe gilt. Ueber-
dies klebt mancher Figur zu sehr das gestellte Modell an
und läßt den Beschauer nicht recht warm werden. Hiezu
dürfte man auch einen zweiten und zwar hauptsächlichen
Grund darin finden, daß, obschon die einzelnen Figuren
aus dem Zuge der Mailänder zu deni erhöhten Mittel-
punkt des Bildes — Barbarossa — hinaufsehen und we-
nigstens so den Zusammenhang zum Ganzen erkennen
lassen, doch das Bild, abgesehen von der oben erwähnten
Haupttheilung, sich zu sehr in einzelne Gruppen auflöst.
Das Auge irrt eben von einer zur anderen, ohne sich mit
lebhaftem Interesse auf einen Punkt recht koncentriren zu
können. Außerdem erscheinen einige Figuren, weil zu kurz
gezeichnet, unproportionirt- ' Was der Zeichnung mangelt,
sucht das Kolorit gut zu machen, das an dem Bilde wol
noch das Beste ist.
Karl Bäuerle's „Italienische Studienkopfe" sind
typisch interessant und dürften mehr Beifall finden, als
seine gegenwärtig in der „Permanenten"") ausgestellten
Portraits. Eine „Episode aus dem Gefecht von Veile"
von Louis Braun ist in der bekannten glatten und
sauberen Manier des Künstler's gemalt. Durch hübsche
Gesammtwirkung erfreut die Familienscene „Ermahnung"
einer Mutter, welche ihrem kleinen Sohne Geld zu Ein-
käufen giebt, von Hanno Rho mb erg.
In der „Partie aus dem Hinterdux in Tirol" von
Fr. blnterbcrger verdient nur die solide Behandlung
Erwähnung. — Rich. Zimm ermann's „Kühe und Schafe
in einer Felsschlucht" ist eine täuschende Imitation der
Werke Nie. Berghem's und als solche tritt bei dem an
und für sich tiefen Ton des Bildes die dunkle Lasur des
Vordergrundes nicht zu störend entgegen, obschon sie zu
absichtlich erscheint. Das Bild besitzt viele Schönheiten;
ob jedoch derartige Nachahmungen, so vorzüglich diese
auch ausfallen mögen, empfehlenswerth sind, möchten wir
in Zweifel ziehen. — Eine weite Perspektive durch hohe
Kastanienbänme auf lichtblaue Fernen genießen wir in
dem „Kastanienwald bei Meran" von H- Funk. Der
Behandlung des Laubes hätten wir gern eine weniger
in's Detail gehende Zeichnung gewünscht, die an die Manier
Ludwig Richter's erinnert, doch ist dies zu unwesentlich,
als dast der wolthuende, poetische Eindruck des Bildes
dadurch" verkümmert würde. — Mit Liebe gemalt ist eine
„Partie im oberen Rheinthale" von W ilh. Sch euch; er.
Weniger spricht die „Winterlandschaft" von A. Stade -
mann an. Wir sehen in den Bildern dieses begabten
Künstlers zu viel Schablone, und das verstimmt. Es sind
fast immer dieselben Motive mit geringen Veränderungen,
*) S. unten.
die gleiche Beleuchtung, dieselbe Staffage rc., wodurch
diese routinirten Leistungen den Stempel des Fabrik-
mäßigen tragen. — Wahr und poetisch ist ein „Mondschein
in Venedig" von K. Hoff; vorzüglich in Farbe und
Stimmung der Landschaft, wie in der Behandlung der
Figuren ein kleines Bild von Al. Bach „Hasenhetze."
Das von der Ausstellung bereits abgegangene Bild von
Gust. Cloß „Blick aus Capri" möge noch nachträglich
als eine reckt gelungene Leistung genannt werden.
(Schluß folgt).
z Wien, Ans. Februar. (Noch einmal dieJa-
nuarausstellung.)^) Obgleich oder vielmehr weil Sie
bereits einen Bericht über die Januarausstellung des
Oesterreichischen Kunstvereins gebracht, fühle ich mich ver-
anlaßt, Ihnen einige Bemerkungen über dieselbe Ausstel-
lung mitzutheilen, welche sich mir beim Lesen jenes Berichts
aufdrängten. Fürchten Sie jedoch nicht, daß ich in einen
antikritischen Ton verfallen möchte. Wo ich mich auf Ans-
sprüche Ihres © Korrespondenten beziehe, wird es nur
aus sachlichen Gründen geschehen, obschon ich offen ge-
standen mit Mehrerem nicht einverstanden bin. Im Uebri-
gen werde ick ganz unabhängig meine Ansicht über einige
Werke anssprechen, deren Würdigung mir in jenem Bericht
nicht genügend scheint.
Was zunächst Hoffmann'ö fünf „Ansichten von
Athen" betrifft — Ihr Korrespondent schreibt nur von
einer „Ansicht" — so kann ich mit dem harten llrtheil,
daß sie „theilweise unwahr in der Farbe" seien, nicht
übereinstimmen. Sie sind gut gemalt, wenn auch (wenig-
stens Nro. 1 „Hauptansicht von den Gärten der Venus
aus gesehen") etwas schwärzlich und nicht ganz ohne Här-
ten in der. Farbe ist. Aber im übrigen verdienen sie ihrer
charakteristischen und schönen Zeichnung und glücklicher Er-
findung wegen unbedingte Anerkennung. Die anderen
kleineren Bilder oder Skizzen (wie sie der Katalog selbst
nennt) sind dagegen weich und warm im Kolorit und da-
bei ebenso am'preckend in der linearischen Komposition wie
das erste. Sie stellen dar: „Der heilige Fluß Jlissos",
„Das Stadium", „Der Areopag" und „Der Hügel
Musaion". — Von andern Landschaftsbildern erwähne ich
ferner Morten Müller's „Kiefernwald"; eine höchst
victucs gemalte — Naturstudie. Das sind richtige Kie-
fern, wie sie im Walde stehen, ein urwüchsiges Durchein-
ander ohne künstliches Arrangement; aber eben deshalb
auch ohne Totalwirkung im Sinne bildmäßiger Einheit.
— Litschaner's „Nacht" und „Morgen" sind ganz hübsch
aber nur keine „Nacht" und kein „Morgen", Remi van
Haancn's „Landschaft nach dem Regen" ist echt hollän-
disch gedacht und gemalt, aber in dieser Weise zu oft dage-
wesen, als daß nicht schließlich in dem Beschauer der peinlicke
Eindruck hervorgerufen wird, daß der Künstler bei allem
Talent doch in seiner Production etwas fabrikmäßig zu
Werke gehe. — Bi e l ch i o r Fritsch 's „Gebirgslandschaft",
sonst ein aussprechendes Bild, erscheint in der Farbe nur
etwas zu grau; sehr verfehlt ist die „Villa d'Este" von
Heinrich Otto, während 'die „Landschaft von Franz
Marco sehr hübsches Wasser zeigt. In Ehr. Mali's
„Chiemsee" herrscht eine nicht angenehme Ueberfüllung an
Dingen, welche dem Charakter der landschaftlichen Stimmung
hinderlich ist. — Auch in Edm. Wörndle's „Berg Qua-
rantana im Judenthal" ist zu viel komponirt, selbst in
Rücksicht auf Farbe.
Soviel über die Landschaften. Ich gehe nun zu den
Figurenbildern und Thierstücken über.
(Schluß folgt.)
*) Nachfolgender Bericht, ans andrer Feder als der in Nro. 4
abgedruckte, welcher über dieselbe Ausstellung handelt, bringt
mehrfache Ergänzungen und Berichtigungen zu letzterem, weshalb
wir ihn ebenfalls aufzunehmen uns veranlaßt fühlen. D. R.
Korrespondenzen.
ü Stuttgart, den 9. Februar 1865. (Ausstellung
im Kunst - V er ein. Permanente Ausstellung).
Von den gegenwärtig im Kunst-Verein neu ausgestellten
Werken ragt zunächst Lurch seine Größe hervor das Histo-
rienbild „Die besiegten Mailänder vor Kaiser Friderich
Barbarossa" von Karl Svoboda in Wien, das Eigen-
thum der Verbindung für historische Kunst ist. Verschiedene
Stimmen haben bereits in anderen Blättern eine ein-
gehende Beschreibung über das Gemälde gegeben, so daß
wir von einer solchen absehen und vielmehr gleich zur
Charakterisirung des Werkes als künstlerischer Leistung über-
gehen. — Vor Allem ist die Komposition durch den Mangel
an Einheit keine glückliche zu nennen. Das Bild zerfällt
gewissermaaßen in zwei horizontal übereinander stehende
Partien. Die obere wird von dem Kaiser und seinen
Begleitern, die untere von dem Zuge der besiegten Mai-
länder eingenommen, und tritt diese Theilung noch schärfer
durch die horizontale Zeichnung der Architektur hervor.
Dem Bilde wird nicht mit Unrecht der Vorwurf des
Konventionellen gemacht, was besonders von der aus dem
Kaiser und seinen Begleitern gebildeten Gruppe gilt. Ueber-
dies klebt mancher Figur zu sehr das gestellte Modell an
und läßt den Beschauer nicht recht warm werden. Hiezu
dürfte man auch einen zweiten und zwar hauptsächlichen
Grund darin finden, daß, obschon die einzelnen Figuren
aus dem Zuge der Mailänder zu deni erhöhten Mittel-
punkt des Bildes — Barbarossa — hinaufsehen und we-
nigstens so den Zusammenhang zum Ganzen erkennen
lassen, doch das Bild, abgesehen von der oben erwähnten
Haupttheilung, sich zu sehr in einzelne Gruppen auflöst.
Das Auge irrt eben von einer zur anderen, ohne sich mit
lebhaftem Interesse auf einen Punkt recht koncentriren zu
können. Außerdem erscheinen einige Figuren, weil zu kurz
gezeichnet, unproportionirt- ' Was der Zeichnung mangelt,
sucht das Kolorit gut zu machen, das an dem Bilde wol
noch das Beste ist.
Karl Bäuerle's „Italienische Studienkopfe" sind
typisch interessant und dürften mehr Beifall finden, als
seine gegenwärtig in der „Permanenten"") ausgestellten
Portraits. Eine „Episode aus dem Gefecht von Veile"
von Louis Braun ist in der bekannten glatten und
sauberen Manier des Künstler's gemalt. Durch hübsche
Gesammtwirkung erfreut die Familienscene „Ermahnung"
einer Mutter, welche ihrem kleinen Sohne Geld zu Ein-
käufen giebt, von Hanno Rho mb erg.
In der „Partie aus dem Hinterdux in Tirol" von
Fr. blnterbcrger verdient nur die solide Behandlung
Erwähnung. — Rich. Zimm ermann's „Kühe und Schafe
in einer Felsschlucht" ist eine täuschende Imitation der
Werke Nie. Berghem's und als solche tritt bei dem an
und für sich tiefen Ton des Bildes die dunkle Lasur des
Vordergrundes nicht zu störend entgegen, obschon sie zu
absichtlich erscheint. Das Bild besitzt viele Schönheiten;
ob jedoch derartige Nachahmungen, so vorzüglich diese
auch ausfallen mögen, empfehlenswerth sind, möchten wir
in Zweifel ziehen. — Eine weite Perspektive durch hohe
Kastanienbänme auf lichtblaue Fernen genießen wir in
dem „Kastanienwald bei Meran" von H- Funk. Der
Behandlung des Laubes hätten wir gern eine weniger
in's Detail gehende Zeichnung gewünscht, die an die Manier
Ludwig Richter's erinnert, doch ist dies zu unwesentlich,
als dast der wolthuende, poetische Eindruck des Bildes
dadurch" verkümmert würde. — Mit Liebe gemalt ist eine
„Partie im oberen Rheinthale" von W ilh. Sch euch; er.
Weniger spricht die „Winterlandschaft" von A. Stade -
mann an. Wir sehen in den Bildern dieses begabten
Künstlers zu viel Schablone, und das verstimmt. Es sind
fast immer dieselben Motive mit geringen Veränderungen,
*) S. unten.
die gleiche Beleuchtung, dieselbe Staffage rc., wodurch
diese routinirten Leistungen den Stempel des Fabrik-
mäßigen tragen. — Wahr und poetisch ist ein „Mondschein
in Venedig" von K. Hoff; vorzüglich in Farbe und
Stimmung der Landschaft, wie in der Behandlung der
Figuren ein kleines Bild von Al. Bach „Hasenhetze."
Das von der Ausstellung bereits abgegangene Bild von
Gust. Cloß „Blick aus Capri" möge noch nachträglich
als eine reckt gelungene Leistung genannt werden.
(Schluß folgt).
z Wien, Ans. Februar. (Noch einmal dieJa-
nuarausstellung.)^) Obgleich oder vielmehr weil Sie
bereits einen Bericht über die Januarausstellung des
Oesterreichischen Kunstvereins gebracht, fühle ich mich ver-
anlaßt, Ihnen einige Bemerkungen über dieselbe Ausstel-
lung mitzutheilen, welche sich mir beim Lesen jenes Berichts
aufdrängten. Fürchten Sie jedoch nicht, daß ich in einen
antikritischen Ton verfallen möchte. Wo ich mich auf Ans-
sprüche Ihres © Korrespondenten beziehe, wird es nur
aus sachlichen Gründen geschehen, obschon ich offen ge-
standen mit Mehrerem nicht einverstanden bin. Im Uebri-
gen werde ick ganz unabhängig meine Ansicht über einige
Werke anssprechen, deren Würdigung mir in jenem Bericht
nicht genügend scheint.
Was zunächst Hoffmann'ö fünf „Ansichten von
Athen" betrifft — Ihr Korrespondent schreibt nur von
einer „Ansicht" — so kann ich mit dem harten llrtheil,
daß sie „theilweise unwahr in der Farbe" seien, nicht
übereinstimmen. Sie sind gut gemalt, wenn auch (wenig-
stens Nro. 1 „Hauptansicht von den Gärten der Venus
aus gesehen") etwas schwärzlich und nicht ganz ohne Här-
ten in der. Farbe ist. Aber im übrigen verdienen sie ihrer
charakteristischen und schönen Zeichnung und glücklicher Er-
findung wegen unbedingte Anerkennung. Die anderen
kleineren Bilder oder Skizzen (wie sie der Katalog selbst
nennt) sind dagegen weich und warm im Kolorit und da-
bei ebenso am'preckend in der linearischen Komposition wie
das erste. Sie stellen dar: „Der heilige Fluß Jlissos",
„Das Stadium", „Der Areopag" und „Der Hügel
Musaion". — Von andern Landschaftsbildern erwähne ich
ferner Morten Müller's „Kiefernwald"; eine höchst
victucs gemalte — Naturstudie. Das sind richtige Kie-
fern, wie sie im Walde stehen, ein urwüchsiges Durchein-
ander ohne künstliches Arrangement; aber eben deshalb
auch ohne Totalwirkung im Sinne bildmäßiger Einheit.
— Litschaner's „Nacht" und „Morgen" sind ganz hübsch
aber nur keine „Nacht" und kein „Morgen", Remi van
Haancn's „Landschaft nach dem Regen" ist echt hollän-
disch gedacht und gemalt, aber in dieser Weise zu oft dage-
wesen, als daß nicht schließlich in dem Beschauer der peinlicke
Eindruck hervorgerufen wird, daß der Künstler bei allem
Talent doch in seiner Production etwas fabrikmäßig zu
Werke gehe. — Bi e l ch i o r Fritsch 's „Gebirgslandschaft",
sonst ein aussprechendes Bild, erscheint in der Farbe nur
etwas zu grau; sehr verfehlt ist die „Villa d'Este" von
Heinrich Otto, während 'die „Landschaft von Franz
Marco sehr hübsches Wasser zeigt. In Ehr. Mali's
„Chiemsee" herrscht eine nicht angenehme Ueberfüllung an
Dingen, welche dem Charakter der landschaftlichen Stimmung
hinderlich ist. — Auch in Edm. Wörndle's „Berg Qua-
rantana im Judenthal" ist zu viel komponirt, selbst in
Rücksicht auf Farbe.
Soviel über die Landschaften. Ich gehe nun zu den
Figurenbildern und Thierstücken über.
(Schluß folgt.)
*) Nachfolgender Bericht, ans andrer Feder als der in Nro. 4
abgedruckte, welcher über dieselbe Ausstellung handelt, bringt
mehrfache Ergänzungen und Berichtigungen zu letzterem, weshalb
wir ihn ebenfalls aufzunehmen uns veranlaßt fühlen. D. R.