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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0111

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Die kopenhagener Geburtsregister wissen nichts von ihm,
und es gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, welche
ihn in Island oder ans einer Reise von Island nach
Kopenhagen das Licht erblicken läßt. Thorwaldsen selbst
wußte darüber wie über seine ersten Lebensjahre keine
Aufklärungen zu geben und vielleicht war ihm sogar der
Tag seiner Geburt unbekannt; als „römischen Geburtstag"
feierte er in späteren Jahren den 8. März, den Tag, an
dem er Rom zum ersten Male betreten. Dieser schien
ihm einer Feier und solcher Bezeichnung werther als der
zufällige Tag der körperlichen Geburt.

Seine Jugend war ein Leben voller Last und Mühen-
Die Familie war arm; wenn auch der Vater.durch An-
fertigung von Gallionen einen Erwerb hatte, so reichte
dieser um so weniger aus, als der Branntwein viel da-
von verschlang, der böse Dämon, durch den auch das
Leben der Ehegatten wesentlich gestört wurde. Fast der
einzige Punkt, in dem die Sympathien der Eltern sich
begegneten, war der kleine Bartel, der bis an ihr
Lebensende beide, besonders seine Mutter, zärtlich liebte.
Unterricht hat er, wie es scheint, nicht viel genossen; wir
wissen wenigstens aus seiner späteren Zeit, daß es ihm
schwer fällt, orthographische Briefe zu schreiben; auch
sucht er durch Beschäftigung mit der Grammatik das
noch nachzuholen, was in der Jugend versäumt war.
Zum Zeichnen müssen sich aber schon früh Anlagen ge-
zeigt haben, denn mit dem 11. Jahre wird er in die
Kunstschule ausgenommen und kann schon im folgenden
die erste Klasse verlassen, um in der zweiten Abtheilung
Figuren zeichnen zu lernen. Auch Hilst er um diese Zeit
bisweilen seinem Vater schon bei den Schnitzarbeiten für
Schiffszierrathen und Spiegelrahmen, wird auch damals
einige Male wöchentlich in das Haus eines der Professo-
ren der Kunstschule eingeladen, für dessen Sohn er Freund
und Beschützer gegen den llebermulh mancher Kameraden
war. Näher rückt er seinem Berufe, als er 1785 in die
Gypsschule eintritt und im daraus folgenden Jahre in der
Modellirschule Aufnahme findet. Er hatte da manchen
Aerger und manche Verkennnna seiner Leistungen durch den
Geschmack einzelner Lehrer zu erfahren, die für die ruhige
maaßvolle Haltung der antiken Werke kein Berstäudniß
hatten. Trotzdem erhält Thorwaldsen 1787 die erste An-
erkennung durch Verleihung der kleinen Silbermedaille,
die ihn bei dem Prediger, der ihn bald nachher einsegnet,
so in Respekt setzt, daß er von ihm stets „Monsieur" be-
titelt wird. In den vier folgenden Jahren hört man so
viel wie Nichts von ihm; er half wahrscheinlich bei der
Arbeit seinem Vater, der mit der Konfirmation seine Stu-
dien für beendigt hielt. Es war deshalb wichtig, daß
er unter den Professoren einen Gönner fand, der ihm
Aufmunterung zu Theil werden ließ und ihn wohl auch
veranlaßt?, um die 1789 ihm ertheilte große Silberme-
daille zu konkurrireu. Von da finden wir ihn schon

mehrfach mit selbständigen Arbeiten beschäftigt; auch ver-
einigt er sich damals mit einigen jungen Künstlern zu
gemeinsamen Studien, um sich für eine fernere Preisbe-
werbung vorzubereiten. Am 1. Juni 1791 wurde die
Konkurrenz dazu eröffnet. Thorwaldsen empfing als Auf-
gabe „Helidors Vertreibung aus dem Tempel" nach der

Erzählung im Buch der Makkabäer II, 3., 25. 26. Auf
die Skizze, die er jetzt liefern mußte, kam es an, ob er
überhaupt konkurriren konnte. Doch nicht lange ist er
damit beschäftigt, als ihn eine solche Angst und Unruhe
befällt, daß er sich von seinem Zimmer über eine Seiten-
treppe hinunterzuschleichen sucht. Unten begegnet ihm aber
ein Professor der Schule, der den Flüchtling nach ehr-
lichem Geständnisse wieder zur Rückkehr beredet, und nicht
vier Stunden vergingen, so war die Aufgabe zu allge-
meiner Befriedigung gelöst. Das in den folgenden Mo-
naten nach dieser Skizze ansgeführte Basrelief erwarb
ihm die kleine Goldmedaille. Als in der Akademie seine
Arbeit günstig beurtheilt wurde, benutzte nicht nur sein
Freund Abilgaard diese Gelegenheit, ihn einigen ange-
sehenen und einflußreichen Männern der Versammlung
zu empfehlen, sondern es eröffnete auch ein anderer alter
Freund eine Subskription, die dem jungen Künstler es
möglich machen sollte, frei von den gewöhnlichen Sorgen
des Lebens einige Aufgaben aus dem Homer zu behan-
deln. Im Zusammenhang damit steht die Ausführung
eines Basreliefs von 2' Höhe, das die Scene vorstellte,
wie „Priamus von Achill die Auslieferung von Hektars
Leiche erbittet", ein Werk, das später in größerer Vollen-
dung von ihm ausgeführt wurde.

Um diese Zeit hatte er sein eigenes Arbeitszimmer
erhalten. Seine Zeit war zwischen der Kunst und dem
Handwerke getheilt. Als Künstler schafft er seine Reliefs
„Herkules und Omphale", „Numa und Egeria", als
Handwerker unterstützt er seinen Vater bei der Verfertigung
von Spiegelrahmcn und sonstigen Holzschnitzereien. Die
Freistunden vertreib er sich vielfach mit Musik und nahm
sogar im Flöten- und Violinspiel Unterricht.

In Kopenhagen waren seine Studien beendet, als ihm
die Akademie 1793 die große goldne Medaille für ein
Relief ertheilt, in dem er „Die Heilung des Lahmen durch
Petrus", nach Apostclgesch. 3. dargestellt hatte. Nach dem
gewöhnlichen Gauge der Dinge hatte der junge Künstler
nun Aussicht, ein dreijähriges Reisestipendium für's Aus-
land zu erhalten. Aber Thorwaldsen's Lust zu reisen
war nicht groß, so sehr ihn auch seine Freunde stets da-
zu ermunterten. Dazu war seine damalige Stellung in
der Heimath ziemlich erträglich. Zeichnenunterricht und
mit Silberstift entworfene, leicht kolorirte Bilder ver-
schafften ihm außer den nöthigen Subsistenzmitteln auch
den Zutritt in angesehene Familienkreise. Die tüchtigsten
Künstler der Akademie suchten seinen Umgang, und wenn
man auch seine künftige Größe noch nicht ahnte, galt er
doch für ein Talent, das sich über die Mittelmäßigkeit
erhoben hatte. Bald erweiterte sich der Kreis seines Um-
ganges auch dadurch, daß er Mitglied einer dramatisch-
literarischen Gesellschaft wurde, deren sämmtliche Thcil-
nehmer er sich in kurzer Zeit durch die Liebenswürdigkeit
seines Wesens zu Freunden gemacht hatte. Inzwischen
wurde er von der einen Seite zur Reise gedrängt, von
der anderen möglichst zurück gehalten wurde, so daß er
selbst unschlüssig war und schwankte. Endlich gewannen
aber doch seine Freunde die Oberhand; sein Gönner
Abilgaard diktirte ihm förmlich das Gesuch um ein Stipen-
dium in die Feder, dem noch an demselben Tage von
 
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