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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0124

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Kunst - Institute und Kunst- Vereine.

Der Urchiiekien-Wereiil in Werlm
feierte den Jahrestag der Geburt Schinkels in hergebrachter
Weise. In dem angemessen verzierten Arnim'schen Saale, an
dessen Hauptwand auf hoher Säule des Meisters Kolossalbüste
inmitten der Handzeichnnngen desselben prangte, während an den
Wänden die prämiirten und andere Grundrisse angeheftet waren,
versammelten sich von 7 Uhr ab die Mitglieder und Gäste des
Architekten-Vereins, darunter der Handelsminister Gr. v. Jtzen-
plitz, der Staats-Minister a. D. Or. v. Bethmann-Holl-
weg, der erste Präsident des Kammergerichts v. Strampff
und Andere. Der Vorsitzende des Vereins, Geheimer Ober-
Baurath Stüler, erstattete zunächst den Jahres-Bericht und
verkündete als Sieger im Gebiete des Landbaues Hrn. Beruh.
Kühn aus Schlesien. Die Ehre der öfsentlichen Erwähnung und
die Verleihung der Denkmünzen wurden den HH. Wedeking ans
Berlin und Deutz ans Köln zu Theil. Im Gebiete des Wasser-
baues erhielt den Preis Hr. Täger ans dem Magdebnrgischen,
die Ehre der öffentlichen Erwähnung und die Denkmünzen die
HH. Edgar Schmidt und Karl Günzer. Den Festvortrag hielt
der Baumeister Lncae über die Bedeutung Schinkel's als aus-
übenden Künstlers. Er führte im Eingänge aus, daß Schinkel
immer unpersönlicher werde und deshalb seine Idealität um so
bedeutender hcrvortrete. Er hätte die Schönheit als sittliches
Moment erfaßt und als sein künstlerisches Glaubensbekenntnis^
es ausgesprochen, wie nur das Kunstwerk, das edle Kräfte ge-
kostet und in dem diese Aufopferung edler Kräfte sich ausdrllcke,
ein Wahres sei; nur wo man sucht, ist man wahrhaft lebendig.
Schinkel hätte die griechischen Trümmer künstlerisch verwerthet,
ohne deshalb den griechischen Stil ausschließlich zu pflegen.
Der Vortragende weilte ausführlicher bei Schinkel's Verdiensten
um den Kirchenbau auf protestantischem Gebiete; seine Entwürfe
der Kirchen in den Vorstädten Berlins seien eine echt christliche,
echt protestantische That. Im tvcitern Verlaufe zeigte der Vor-
tragende, lute sich Schinkel als Bankünstler des 19. Jahrhun-
derts verhalten mußte, wie sein schöpferischer Geist an jede Arbeit
die edelsten Kräfte gesetzt und den Weg zu einem modernen
Stil gefunden habe. Neben dieser neugestaltenden Kraft habe
er sich in die alte Zeit versenkt, lute dies die Theaterdecorationen
zu Cortes, Armide und Zauberflöte bewiesen. So ist er, was
er ist, überall ganz als Maler, Geschichtschreiber, Baukünstler.
Er ließ der Zeit, tvas ihr gehört, und war ein Reformator
seiner Kunst. Ohne Grieche zu werden, wurde er ein Wicder-
hersteller des ursprünglichen Geistes der Baukunst, einer Re-
naissance des 19. Jahrhunderts. Dies bekundete sich am Glän-
zendsten in dem originellsten seiner Werke: der Bau-Akademie.
Populär war Schinkel nicht, er wollte es auch nicht sein. Mit
Rückweisung auf den Eingang und Schinkel's Worten schloß der
Vortrag. Demselben folgte ein Festmahl von 285 Gedecken.
Bei demselben wird, nach dem eingeführten Gebrauche, nur ein
Trinkspruch auf Schinkel's Andenken ausgebracht. Der Bau-
meister Aßmaun brachte ihn in Distichen. Außerdem wurde
das Mahl durch Quartette und allgemeinen Gesang belebt.
Begrüßungs-Telegramme ivaren eingegangen: von dem danziger
Architekten-Verein, aus Görlitz und Bromberg. Diese Grüße
wurden durch telegraphische Gegengrüße erwiedert. Nach Mit-
ternacht, als das Fest seinen Höhepunkt erreicht hatte, brachte
der Negiernngsrath Hoffmann dem Verein ein Hoch. Die
Festgeuosseu blieben indeß noch lange zusammen.

Archäologische Kesellschast in Werliii.

(Sitzung vom 7. März d. I.)

Hr. Fried erichs kam ans seine neulich vorgctragene Theorie
vom Ursprung des Jonischen Kapitäls zurück, welche er durch
ein von Fellows publicirtes lykisches Monument und durch die
im Werke „Der Stil" von dem Architekt Semper übereinstim-
mend vorgetragcuen Ansichten neu bestätigt fand. Als Vertreter
der bisherigen, in Böttichers Tektonik gründlich erörterten An-
sicht beharrten dagegen die Herren Strack und Adler bei ihren
schon neulich eingelegten Einspruch; die Gültigkeit des nur in
ungenügender Zeichnung vorliegenden, nicht unbekannten, aber
aus später Zeit herrührenden lykischen Monuments ward bestrit-
ten, übrigens aber einer kritischen Prüfung der für die neu aus-
gestellte Theorie scheinbar sprechenden Denkmäler aller fernere
Spielraum Vorbehalten. — Ans der Sknlpturensammlung des
köuigl. Museums war der mit Nr. 175 (früher mit Nr. 109)
bezeichnctc, in den Verzeichnissen der Sammlung einem Athleten
beigemessene Kopf zur Stelle gebracht. Durch Vergleichung des
Kopses einer mit dem Attribut der Kithar versehenen Toweleyschen
Apollostatue des britischen Museums machte Herr Friederichs wahr-

scheinlich, daß auch der vorliegende Kopf vielmehr einem Apollo
angehöre, und wo möglich in diesem Sinne das gedachte hiesige
Kunstwerk mit den sonst bekannten noch übrigen Denkmälern der
älteren und strengen Bildung des pythischen Gottes. — Herr
v. Farenheid legte eine Reihe gewählter Photographieen nach
Pompejanischen Wandmalereien und Bronzen, wie auch nach
mehreren Sculpturen vor, unter denen ein im Laufe der letzten
Jahre aus Arles ins Museum des Louvre gelangter „Venuskops"
von jungfräulich strengem Charakter als vorzügliches und bisher
unbekannt gebliebenes Kunstwerk besonders hervorgehoben wurde.
Eingehende Bemerkungen widmete der Vortragende der zu Nea-
pel als Narcissus benannten berühmten Erzfigur, und bekannte
mit Entschiedenheit sich zu der Ansicht, daß in derselben ein
Dionysos dargestellt sei, und zwar sei derselbe seinem von Sehn-
sucht gehobenen Ausdrucke nach vermuthlich in seiner Annäherung
an die schlafend von ihm aufgefundene Ariadne. — Hr. Hübner
wandte ein, daß die große Jugendlichkeit der Figur den sonsti-
gen Darstellungen jenes Liebeobesuches nicht entspreche; auch ward
mehrfach bemerkt, daß die wie lauschend und horchend, zugleich
mit sprechender Handgeberde, vorgebückte Stellung der Figur
eigenthümlich genug sei, um dem, wie cs scheint, bisher nicht
sicher gefundenen Berständniß jenes trefflichen Kunstwerks auch
ferner noch nachzuforschen. — Hr. Abeken legte eine Photo-
graphie, den jetzigen Zustand des Palatinischen Hügels darstellen,
vor; die Anschaulichkeit dieses Blattes ward der Planmäßigkeit
entsprechend befunden, durch welche jene auf Kosten der franzö-
sischen Regierung von dem Architekten Rosa geleiteten Ausgra-
bungen sich auszeichnen.

Herr Hübner sprach, anknllpfend an den „Jahresbericht der
Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier" für 1861 bis
1862 (Trier 1864), über die daselbst im Jahre 1859 ausgcgra-
benen Reste eines ansehnlichen Römischen Gebäudes. Die In-
schrift, welche sich in dem Mosaikfußboden des Atriums fand
und in der Sammlung zu Trier aufbewahrt wird (wo der Vor-
tragende sie im Jahre 1863 sah und abschricb), ist von dem ver-
dienten Verfasser der Beschreibung, Herrn Domkapitular v. Wil-
mowsky, auf einen Tribunen M. Pilonins Victorinus ge-
deutet worden. Der Vortragende erkannte darin vielmehr den
Kaiser Ni. Pilsonins Victorinus und hat dies in einem
eigenen Aufsätze nachgewicsen, welcher demnächst in den Jahr-
büchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande er-
scheinen soll. — Herr G. Wolfs sprach über Myrons Schüler
Lykios. Er unterschied, abweichend von Brunn (Gesch. d. gr.
Künstler I., S. 259) zwei Werke desselben, den suf'fitor bei
Plinins 34, 79, welcher nach Pausauias I., 13, 8, ein Sprcug-
gefäß hielt, und den Diener (pusr setzte Plinius für seiner
griechischen Quelle), ivelcher das Feuer anbläst. Letzteren er-
klärte er für eine Concnrrenzarbeit mit dem an^tty^onTtjg des
Styphax (Plut. Perikles 13. Plin. 22, 44, 34, 81-, besonders
wegen der Gleichheit der seltenen Darstellung. Somit fiele eines
der frühesten Beispiele für das Genre in der Sculptur fort und
würde zum Portrait. Da der Eingeweideröster der Athen«
Hygieia geweiht war, deren Bildsäule Perikles bei derselben
Gelegenheit auf der Burg Athens aufstellte und von Lykios
Räucherer ebenfalls bezeugt ist, daß er auf der Burg stayd, so
bezeichnctc Herr Wolfs beide als Gegenstücke und wies ihnen
als den wahrscheinlichen Ort der Aufstellung die Seiten des
Altars jener Athen« an. — Herr Waagen berichtete, daß bei
Versteigerung des Kabinet Pourtalüs zu Paris die berühmte
archaische Erzfigur mit der Inschrift des Polykratcs der kaiser-
lich Russischen Sammlung anheimgefallen sei. — Herr Gerhard
sprach über die mit U. Köhlers Erklärung vom archäologischen
Institut so eben herausgegebene Unterweltsvase von Altamura.
Der überraschende Umstand, im obern Raum jenes fignrenreichen
Gefäßes erst Mcgara mit den Herakliden, dann Pelops und
Hippodamia sammt Myotilos, der sie kenntlicher macht, vorzu-
finden , ward durch die hohe Geltung der Ahnfrauen zwei so
angesehener Stämme erklärt, wie Herakliden und Pelopiden es
sind. ■—Von literarischen Neuigkeiten war der 82. Band der
allgemeinen Encyklopädie eingelansen, in welchem eine gründ-
liche Geschichte der Darlegung der griechischen Mythologie von
Ch. Petersen, wie auch eine sachkundige, nach ihren Geschichts-
Perioden geordnete Geschichte der griechischen Kunst von C.
Bursian enthalten ist. Desgleichen ward Benlös Histoire de
Ja sculpture avant Phidias, ein ans Vorträgen erwachsenes
und durch gewählte Abbildungen erläutertes Werk, und eine
Fortsetzung von F. Kenners schätzbaren Beiträgen zu einer Chronik
der archäologischen Funde in der österreichischen Monarchie
(1862—1863) der. Versammlung vorgelegt.
 
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