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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0300

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feit begangen, werden sich leicht wieder gut machen lassen,
und es steht zu erwarten, daß in nicht gar langer Zeit
unsere weltberühmten mittelalterlichen Kirchen wieder in
derselben Baureinheit glänzen werden, in welcher sie gleich
nach ihrer Vollendung gestanden haben.

Die Frage, auf welche Weise die alten Baudenkmäler
restaurirt werden müssen, ist jetzt als gelöst zu betrachten.
Sobald der Sinn für die Erhaltung der mittelalterlichen
architektonischen Denkmäler geweckt war, wurde die Frage,
in welcher Art am besten die verwitterten Theile des
Hausteinwerkes an den äußersten Gebäudetheilen herzustel-
len seien, vielfach erörtert; es fehlte nicht an mannigfachen
Vorschlägen und Versuchen. Den allein richtigen Stand-
punkt nehmen in dieser Beziehung die vor Kurzem ver-
öffentlichten Vorschriften ein, welche für den in Rede stehen-
den Zweck in Frankreich erlassen sind. Die Restaura-
tion der Kirchen von St. Maria im Capitol, St. Gereon
und St. Martin gab dem General-Konservator der preu-
ßischen Kunstdenkmäler, Herrn v. Quast, neuerdings Ver-
anlassung, auf die bei solchen Restaurationsarbeiten zu
beobachtenden Grundsätze aufmerksam zu machen, welche
vollständig mit denjenigen der französischen Verordnungen
übereinstimmen.

Wie laut und bitter man auch über den Materialis-
mus unserer Zeit und die Gleichgültigkeit des lebenden
Geschlechtes gegen alles Höhere klagen mag, so wird man
doch die Thatsache nicht in Abrede stellen können, daß ge-
rade in dieser materialistischen Zeit unser genuß- und ge-
winnsüchtiges Geschlecht sich zu dem kühnen Entschlüsse
aufgerafft hat, die bedeutenden Kosten zur Wiederherstellung
der denkwürdigsten miltelalkerlichen kölner Bauwerke her-
beizuschaffen. Zur Herstellung der Minoritenkirche
hat der hochherzige Erbauer des städtischen Museums,
I. H. Richartz, die Summe von 40,000 Thlrn. herge-
geben, und Dank diesem reichen Geschenke steht dieses Got-
teshaus jetzt als eine hervorragende Zier der Stadt da
und bildet im Verein mit dem Museum eine sehens- und
bewundernswerthe Baugruppe. Für die Herstellung der
St. Marienkirche wurden die Mittel durch das reiche
Vermächtniß des Rentners Frank disponibel gestellt, und
der Kirchenvorstand von St. Diarien hat es nach langem
Kampfe endlich erreicht, daß an diesem prachtvollen Bau-
werke eine Restauration in Gang gekommen ist, welche
den romanischen wie gothischen Bautheilen in gleichem
Maße gereckt wird. Zur Herstellung von St. Gereon
mußten Stadt und Kirchengemeinde für die erforderliche
nicht unbedeutende Summe eintreten, und die Restauration
verfolgt auch hier mit Geschick und Glück den Plan, die
romanischen wie die gothicken Bautheile in ihren ursprüng-
lichen Stand zu setzen. Um St. Martin vor dem gänz-
lichen Verfall zu wahren und in würdiger, stilgetreuer
Weise herzustellen, war eine Summe von 32,000 Thlrn
erforderlich. Nachdem das Ministerium es abgelehnt, einen
Theil dieser Kosten auf die Staatskaffe zu übernehmen,
haben Stadt und Kirchengemeinde sich in die Summe ge-
theilt, und mit rüstiger Hand hat man im vorigen Jahre
mit der Herstellung begonnen, die man im Laufe von noch
fünf Jahren glücklich zu vollenden hofft.

Das Hauptrestaurationswerk ist aber an unserm un-
vergleichlichen Dome vorgenommen worden. Gerade der
Dom ist es, an welchem unsere Architekten gelernt haben,
auf welche Weise die mittelalterlichen Bauwerke restaurirt
werden müffen. Der Dom gießt uns eine vollständige

Geschichte des Restaurationsverfahrens, von den ersten
mangelhaften und theuern Versuchen bis zu der gegenwär-
tigen Vollkommenheit.

Die Ostseite des Domes wurde noch unter dem Bau-
Inspektor Ahlert restaurirt. Die größeren verwitterten
Stellen, ebenso auch alle fehlenden Theile wurden voll-
ständig erneut, leider nicht in gleichartigem Gestein. Die
Ostseite des Domes besteht aus Drachenfelser Trachyt,
von feiner hellgrauer Farbe; man nahm nunmehr Nieder-
mendiger Basaltlava, welche allen Anforderungen der
Festigkeit zwar entspricht, aber trübe, fast schwarz von
Farbe und schwer zu bearbeiten ist; die neuen Ornamente
und Gliederungen wurden roh und entsprachen nicht im
Entferntesten den hochvollendeten Vorbildern. Daß unter
solchen Verhältniffen die Steinmetzen sich nicht heranbilde-
ten, noch weniger ein Verständniß der alten Formen er-
reichen konnten, liegt auf der Hand. Den traurigen Be-
weis sehen wir an den alten restaurirten Blattkränzen,
Kreuz- und Kantblumen. Das Fehlende an denselben
würde nicht ergänzt durch neu eingesetzte Theile, sondern
es wurde beigehauen, wie man dieses in der Steinmetz-
sprache nennt. War beispielsweise einem Maskaron die
Nasenspitze abgewittert, so wurde betgehauen und es gab
eine Slumpfnase u. s. w. Das ging nicht. Man nahm
also bildsameres Material; die Balbachinfialen an der un-
teren Galerie der Ostseite auf den Pfeilern bestehen aus
Heilbronner Stein, welche mit ihrer gelbbraunen Farbe
zu dem Grau des Trachyts nicht günstig stimmen.

Im Laufe der Jahre erlangte unter Meister Zwirner
die Domsteinmetzhlllte die hohe Ausbildung, welche sie
über den ganzen Kontinent berühmt gemacht hat. Die
neuen Theile des Domes, aus vortrefflichem Material,
wurden mit so großem Geschick, mit solcher Sorgfalt und
Kunstfertigkeit ausgeführt, daß sie den schönsten alten Thei-
len des Domes würdig zur Seite gestellt werden können.
Es konnte nicht fehlen, daß auch die Restauralion der
alten Theile entsprechend behandelt wurde; jeder fehlende
oder abgewitterte Theil wurde durch Einsetzen von Vierun-
gen aus möglichst gleichartigem Material ergänzt mit einer
bemerkenswerlhen Sorgfalt, welche auch da nicht fehlt, wo
in den obern Stockwerken und vielen Winkeln des Domes
die Ausführung sich dem Blicke des Beschauers fast ganz
entzieht. Aber man hatte sich an das saubere, Helle und
glatte Ansehen so gewöhnt, fand dasselbe so schön, daß
man bald daran ging, auch die restaurirten Theile in
volle Uebereinstimmung mit den neuen zu bringen. Alles,
auch das Gesunde, aber im Laufe der Zeit dunkler Ge-
färbte wurde mit dem Eisen abcharrirt und so zu sagen
erneut. Dadurch erlitt die Hochachtung vor dem alten,
hochvollendeten Werk große Einbuße; der Bau verlor im
Ganzen wie im Einzelnen an Ursprünglichkeit. Wenn
auch nur eine halbe Linie abcharrirt wird, so verändert
die im Laufe de: Jahrhunderte sich drei- oder viermal
wiederholende Restauration das Vcrhältniß der Gliederun-
gen vollständig; einzelne Rundstäbchen, ursprünglich etwa
einen Zoll stark, bleiben dann nur noch halb so dick.

Man mußte sich sagen, dies Verfahren sei nicht das
richtige. Aber Zwirner war nicht der Mann, der
seine Ueberzeugungen so leicht änderte, und er behielt das
vorbeschriebene Verfahren bis an sein Ende bei. Das
war die konservative Zeit am Dombau.

(Schluß folgt.)
 
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