Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0301

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
291

Kunst-Literatur.

Die Kunst Jedermanns Sache. Von vr. Aug. Reich en-
sperger. Brochürenverein. Nro. 7. Frankfurt a. M.
Verlag für Kunst und Wiffenschaft. (G. Hannacher.)

Der Verf. faßt den Satz „Die Kunst Jedermanns Sache"
zuerst ironisch, aber hinter dieser kunstkennerschafilichen Ironie
verbirgt sich nur schlecht die politische Aegrirtheit des „Dunkel«
mannes", wie er sich selbst (auf S- 2.) nennt — gegen den
„Fortschritt". Hier eine Probe dieses ironisirenden Stils:

„Wie in allen andern Dingen, so ist seitdem auch im Punkte
der Kunstkennerschaft die Welt fortgeschritten. Wer nur einiger-
maaßen Tritt mit diesem „Fortschritt" gehalten hat, bedarf kei-
ner Art von Anweisung mehr, um über jedes Kunstwerk ein
vollgültiges Urtheil fällen zu können. Wenn er in seiner Eigen-
schaft als Forischriitsmann den Ausspruch thut: dieses Bild, dieses
Bauwerk u s. w. ist schlecht oder ist gut, so hat es dabei sein
Bewenden; und wenn eine gewisse Anzahl solcher Männer ihre
Meinung laut werden läßt, so ist es die „Volksslimmme", von

welcher erst recht keinerlei Berufung mehr zulässig ist.".

. . „Die Erscheinung hat übrigens einen sehr tief liegenden Grund
und beschränkt sich daher auch keineswegs auf das Gebiet der
Kunst. Namentlich hängt sie, meines Erachtens, mit dem Auf-
schwünge zusammen, welchen in neuester Zeit die Tagespresse
genommen hat. Durch dieselbe ist gewissermaßen eine höhere
Erleuchtung über die Welt gekommen, die sich in Betreff
sämmtlicher Fächer des Wissens.und Denkens kund giebt. _ Es
versteht sich, daß nur von den liberalen oder fortschritt-
lichen Journalen die Rede sein kann, da die anderen „hinter
ihrer Zeit zurückgeblieben sind", also gar nicht zählen. Wer sich
ein solches Journal hält, ist über Alles im Klaren, was in dem-
selben oder in dem ihm angchängten Feuilleton besprochen wird;
selbst eines Conversationtlexikons, das man vor einigen Jahren
noch für ein unentbehrliches Möbel in jeder auf „Bildung" An-
spruch machenden Familie ansah. bedarf es dermalen nicht mehr."
. . „Was nun die Kunst insbesondere anbelangt, so besteht die
darauf bezügliche neueste Fortschrits - Doktrin in einem
einzigen, höchst einfachen Satze, weshalb es denn auch kein allzu-
großes Wunder ist, daß sie so rasch um sich gegriffen hat. Die-
ser Satz aber lautet: Was dir gefällt, ist schön und was schön
ist, das ist Kunst, infofern Einer, der sich Künstler nennt, es
gemacht hat. Bei allem Bildwerk ist, wo möglich, noch weniger
Nachdenken erfordert. Es fragt sich da nur, ob es natürlich
ist, und da Jeder, der ein Paar Augen im Kopfe hat, das sofort
ganz leicht unterscheiden kann, so ist folgerichtig Jeder ein
Kunstkenner." . , , ,

Dies ist denn doch passabel trivial — abge,ehen davon, daß
der Berf. ielber gerade in den Fehler verfällt, den er der Fort-
schrittspartei vorwirst, nämlich ohne weitere Beweise Behauptun-

gen ausznstellen, die rein aus der Lust gegriffen find. Wenn er
die fortschrittlichen Journale läse — und unser Journal rechnet
sich auch dazu — so würde er wohl schwerlich naiv genug sein
behaupten zu wollen, daß die heutige Kunstkritik das „Natür-
liche" über das „Ideelle" stelle, oder daß sie das „Schöne" vom
blos subjektiven Gefallen abhängig mache. — Sehen wir denn
also nun zu, was es dem Sinne des Verfassers nach mit der
„wahren Kunstkennerschaft" auf sich habe. Wir können ihm na-
türlich nicht Schritt vor Schritt folgen, beschränken uns daher
auf einzelne charakteristische Aussprüche: „Die Kunst wurzelt

nicht im persönlichen Belieben, sonvern in ewigen Gesetzen, die
im Strom der Weltgeschichte sich abspiegeln. Ihr Wesen ruht
in der Idee, nickt in der Materie; letztere dient nur als Haupt-
mittel zum Zwecke der Verwirklichung der Idee". Diese zwei-
felsohne bis zur Trivialität richtigen, ober sich ganz von selbst
verstehenden Bemerkungen stellt der Verf. ausdrücklich als De-
fiailionen der „wirklichen Kunst, im Gegensatz zu der des mo-
dernen Fortschritts" auf, und dadurch werden sie unwahr. Wei-
terhin ist „das Knnstichöne Abglanz der Wahrheit", „Gott aber
ist die Quells aller Wahrheit", folglich ist „die Kunst nur reli-
giöse Kunst" und zwar im Sinne des Vers's. als katholische
Kunst. Alles andere ist Unsinn und Dummheit, Götzendienst
und Heibenthum. Vor Allem ist „die Kunst" — wenn nicht
Jedermanns Sache — „doch im eminenten Maaße Sache der
Diener der Kirche" (S. 18). „Fehlt es augenblicklich an
Geld, um echtkünstlerisches anzuschaffen, so behelfe man sich bis
aus bessere Zeiten mit Provisorischem, welches gar keine ästhe-
tischen Prätensionen macht." „Allerdings schließt ein
Pfuschwerk die Andacht nicht schlechthin (!) aus — selbst
vor kokett, im Rokokostil kostümirten Madonnen mag (!) schon
manches fromme Gebet znm Himmel aufgesliegen sein; allein
daraus folgt weiter nichts, als daß man wahrhaft religiösen
Gemülhern schon sehr viel bieten kann, bevor sie irre
an ihrem Glauben werden" (S. 20). Man spllte wirklich
den Verfasser für einen Felischanbeter halten, der das Stück
Holz als den wirklichen Gott betrachtet. . . Eine Rettung ans
dieier Kunstmisere, eine Wiedergeburt hält dann der Berf. nur
möglich in den — Klöstern. „Das Kloster bildet gewisser-
maaßen eine Insel, von welcher die Wogen des Weltlebens ab-
prallen. In ihm kann daher auch vorzugsweise jene dem höch-
sten Ideal zngewandte, von Seelcnreinheit durchleuchtete, wahr-
haft reine Kunstweise wieder erblühen" . . u. s. f. Diese Pro-
ben werden, dünkt uns, deutlicher als alle Kritik den Stand-
punkt des Verfassers kennzeichnen, und so sei es denn daran ge-
nug. Andrerseits aber enthält die Schrift, namentlich über die
heutige Scheinkunst viel Beherzigenswerthes, wovon wir oben
(s. „Aphorism en aus A. Reichensperger's S chrift"ii.s.s.)
Einiges mittheilen. R.

Kunst - Institute und Kunst-Vereine.

Bekanntmachung

Die königl. Akademie der Künste hat in ihrer Plenar-Vcr-
sammlnng vom 26. Mai d. I. nachstehende Künstler zu ihren
Mitgliedern gewählt und sind dieselben durch hohe Verfügung
Sr. Excellenz des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrlckts-
und Medizinal-Angelegenheilen vom 27. Juli d. I. bestätigt
worden: Als ordentliche einheimische Mitglieder: der Genre-und
Bildnißmalt'r Professor Ludwig Knaus, der Genre-,undLand-
schaftsmaler Will). Ricsstabl. der Bildhauer Wilh. Wolf,
der Komponist Friedr. Kiel. Als ordentliche auswärtige Mit-
glieder: der Genremaler B. VautierinDüffelvorf, der Historien-
maler Moritz v. Schwindt, Professor in München, der Bild-
hauer Ernst Haenel, Professor in Dresden, der Architekt
G. Semper, Professor in Zürich. Als Ehrenmitglied: der
Professor Dr. Gruppe, Secretair der Akademie.

Berlin, den 9. August 1865.

Die königliche Akademie der Künste.

Im Austrage: Ed. Daege. O. F. Gruppe.

Königliche Akademie der Künste in Berlin.

N a m e n l i st e

der in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der
Künste am 3. August d. I. von dem akademischen Senat prä-
miirlen Schüler der Königlichen Kungst- und Gewerkschulen in
Berlin, Breslau, Königsberg i. P., Danzig,
Magdeburg und Erfurt.

I. Kunst- und Gewerkschule in Berlin.

A. Klasse der freien Handzeichnimg. Diese zählte in dem
Studienjahr vom April 1864 bis ebendahin 1865: 344 Schüler
in acht Abtheilungen. Den Unterricht leiteten die Professoren
Lengerich, Holbein, Domschke und Schütze. Die große silberne
Medaille für Handwerker erhielten vier Schüler: Carl Siebert
aus Berlin, Graveur, Carl Fnttig aus Schmiedeberg, Ciseleur,
Ferdinand Scheiner aus Berlin, Ciseleur, Wilhelm Koeppen
aus Berlin, Gürtler. Die kleine silberne Medaille für Hand-
werker erhielten fünf Schüler: Carl Jüliug aus Berlin

Tischler, Carl Krohß aus Zehdenich Drechsler, August Krüger
aus Dahme, Tischler, Wilhelm Hasel aus Berlin, Gürtler
Emanuek Vehrend aus Berlin, Gürtler. Außerordentliche
Anerkenntnisse, bestehend in geeigneten Kupferwerkeu, erhielten-
Hcrrmann Trautvetter aus Düsseldorf, Tischler Gustav
 
Annotationen