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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0334

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die Fenster zuweilen dreifach und erhöhte das mittlere und
demgemäß die Umrahmung. Einen besonderen Reiz ge-
währen die schon erwähnten vorspringenden Erker, welche
behaglich auf die Gasse hinabschauen und deren Inneres
lauschige Plätzchen gewährten; und diese wurden dann mit
besonderer Vorliebe ornamentirt. Oft findet man auch an
Eckhäusern über dem untern Geschoß einen vorspriugenden
Tragstein, der als Konsol für ein Standbild, meist entwe-
der eine gewappnete Ritterstatue oder einen Heiligen dar-
stellend, diente. Endlich wurde auch das Eingangsthor, falls
es hinlänglich weit und hoch war, mit Spitzbogen überwölbt
und mit mannigfachem Bildwerk geschmückt.

Unter denjenigen Häusern Nürnbergs, welche dieses
charakteristische Gepräge in besonders ansprechender Weise
zur Schau tragen, erwähnen wir das sogenannte „Um-
schlitthaus", das „Eboracher Kloster" aus dem Jahre 1482
mit einer Kapelle von Hans Beer und einem Marienbilde
an der Ecke, das „Kaiserstübchen" in der Burgstraße, aus
dem Jahre 1489, die „Kaiserstallung", vom Jahre 1494,
mit einem schönen Thurm von Hans Behaim d. Aelt.,
das „Hallgebäude" (1499), etwas später Las „Förde-
reuther'sche Haus", das „Lorenzer Schulgebäude" (1528)
u. a. m. Doch zeigt sich in dieser Zeit schon eine Mo-
difikation des ursprünglich reinen deutschen Geschmacks,
namentlich hervorgerufen durch italienischen Einfluß. Ein
bemerkenswerthes Beispiel dieser alten Renaissance ist das
Tu ck er'sche Jagdhaus in der Hirschelgasse, welches 1533
angefangen und 1544 vollendet wurde, noch in ausgebildeterer
Weise das G aup'sche Haus, dessen Prachtsaal die Jahres-
zahl 1534 trägt. Die späteren Bauten nähern sich durch
inimer entschiedenere Anlehnung an den Renaissancestil
mehr und niehr dem Charakter des italienischen Pracht-
stils, wie das Fuchs'sche Hans (1605), wovon wir in
der vorigen Nunimer eine Abbildung der Wendeltreppe
mittheilten.

WaS die alten Straßen im Ganzen betrifft, so ist
cs überhaupt eine Eigenthümlichkeit in älteren Städten,
daß dieselben meistens schmal und krumm sind. Der Grund
liegt theils in der Nolhwendigkeit der Raumersparniß bei
der ursprünglichen Anlage, weil die feindselige Stellung des
Raubritterthums ein Zusammendrängen auf einen kleinen,
von Mauern umgebenen Raum nöthig machte, theils in

der allmähligen, von einem Mittelpunkt ausgehenden Er-
weiterung. Die Art und Weise, wie aus diesem allniäh-
ligen Wachsen der Straßen die Gruppirung der Häuser
zu einem größeren Komplex sich entwickelte, verleiht der
Stabt Nürnberg ein fast noch entschiedeneres charakteristi-
sches Gepräge als die einzelnen Gebäude. Es ist bekannt,
daß Nürnberg keine einzige ganz grade Straße besitzt.
Hierzu kommt nun noch die Unebenheit die Bodens, der
bald aufsteigt, bald abfällt, so Laß dadurch in der That
eine bunte Mannigfaltigkeit von Profilirungen entsteht,
welche den modernen Städten gänzlich abgeht. Unterstützt
wird diese Mannigfaltigkeit endlich noch durch den Um-
stand, daß die einzelnen Häuser nicht einmal immer ein und
dieselbe, wenn auch krumme Fluchtlinie bilden, sondern daß
bald das eine bald das andere Haus aus derselben vor-,
springt oder zurücktritt, so daß die Fluchtlinie ein förm-
liches Zickzack bildet. So erhält Nürnberg im Verhältniß
zu den heutigen regulären Städten eine ganz eigenthümlicbe
malerische Physiognomie, und nimmt zu diesen etwa das
Verhältniß ein, wie eine durcheinander strömende wechsel-
volle Volksmenge zu einem Quarrö im Takt dahin mar-
schirender Soldaten.

Wie dies malerische Gepräge der alten ehrwürdigen
Stadt den künstlerisch gebildeten Blick anzieht, so erfreut
die mannigfaltige Umgebung derselben das Auge des ihre
Mauern umwandelnden Beschauers. Rings sproßt eine
üppige Vegetation an den alten, verwitterten, zum Theil
ruinenhafteu Bastionen empor, der alte Epheu in seinem
armstarken knorrigen Geäst klammert sich an die Mauern
an und rankt sich, zu ganzen grünen Wänden sich aus-
breitend, an ihnen empor. Dazu die wechsclvollen Spazier-
gänge auf deu Wällen, der schöne Rasen in den Gräben,
die reichtragenden Obstgärten, in denen kleine freundliche
Villen versteckt liegen: Alles so frisch und jugendlich, als
ob es die alte gute Zeit wieder zu neuem Leben erwecken
wolle. — Aber bald, wenn aus der Ferne der schrille
Pfiff der Lokomotive zu uns herüberdringt, werden wir
nur zu deutlich an die Gegenwart erinnert, und wir be-
st, neu uns, daß das heutige Nürnberg nur noch das schöne
Grabmal einer schönen und mächtigen Vergangenheit ist.

M. Sr.

Korrespondenzen.

# Karlsruhe, den 9. September. (Ausstellung
des Rheinischen Kunst Vereins). — Der Rheinische
Kunstverein hat dahier seinen Turnus beendigt. Es ka-
men über dreihundert Gemälde zur Ausstellung, zum
größeren Theil aus deutschen Werkstätten. Die größten
Beiträge lieferten München mit 41, Wien mit 30, Karls-
ruhe mit 22, Düsseldorf mit 16 Nummern ce. Fran-
zösischer Abstammung sind nicht weniger als 61 Gemälde.

Als Ausstellungslokal diente das von Sr. König!.
Hoheit dem Großherzog auch dieses Mal wieder bereit-
willig eingeräumte große Pflanzenhaus, wo die duftenden,
farbenreichen Kinder der Natur den Gebilden der Kunst
weichen mußten. Wir können nicht behaupten, daß wir
zuvor mit geringereni Interesse durch diese Räume ge-
gangen sind, daß wir mit weniger Behagen die wohl-
riechenden Düfte der Blumen des Südens eingesogen ha-

ben, als wir darauf daß suchende Auge über die Schöp-
fungen des Kunstfleißes hinschweifen ließen, denn äußer-
einigen anerkennenswerthen Leistungen im Gebiete der
Landsll)aftsmalerei, welcher weitaus die größte Zahl der
Gemälde angehört, findet sich Weniges von Bedeutung.
Wir führen deshalb auch jene Gattung in erster Reihe
an. Besondere Erwähnung verdienen: „Der Herbsttag
in dem Achenseer-Gebirge" von Heinlein in München,
eine trefflich ausgeführte Landschaft, — „Eingang in den
Wald" von G. Castan in Genf, „Parthie von Meers-
burg" von F. Petzl in München, die sorgfältig und liebe-
voll behandelte „Partie am Bodensee" von P. F. Peters
in Stuttgart, „Landschaft" von Thoma in Karlsruhe,
„Schwarzwaldlandschaft" von Vollweid er von da,
„das Schneegestöber in Tyrol" von Bürkel in München,
„Wasserfall im baierischen Gebirge" von E. Lugo in Frei-
 
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