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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0335

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bürg, eine stillvolle, sehr schöne Landschaft. — Im Figuren-
fache ist nicht viel Nennenswerthes vorhanden. „Die Krö-
nung Ulrichs von Hutten als Dichter durch Constanze
Peuliuger in Augsburgs von Th. Schweißinger in
Leipzig läßt in Komposition und Zeichnung besonders auch
in der charakteristischen Behandlung der einzelnen Figuren
vieles zu wünschen übrig. — „Philipp der Grvßmüthige von
Hessen an der Gruft seiner Gemahlin" von N. Sichel in
Mainz und „Isaak de Jork im Gesängniß" von I. Sch ei-
le ma in Haag sind in technischer Beziehung anerkennens-
werthe Leistungen, zumal läßt sich in letzterem Gemälde
die Hand des gebildeten Koloristen nicht verkennen, was
sollen wir aber von dem Gegenstand und der Art der
Darstellung sagen. Der grvßmüthige Philpp steht mitten
im Bilde vor einem Grabe und der greise Jork (?) lehnt
schmerzerfüllt sein Haupt an die Gefängnißmauer, hätten
wir nicht den Kommentar in der Gestalt des Ausstellungs-
Kataloges in der Hand, wir könnten auf das Tausendste
ralheu und doch nie erkennen, um was es sich hier handelt.

Ebenso wenig können wir begreifen, wie Künstler Ge-
genstände zu ihrer Darstellung wählen können, die geradezu
nicht darstellungsfähig sind. Wenn Napoleon I. einen be-
häbigen Landgeistlichen überrascht, wie er zur Zeit der
Kontinentalsperre seinen Casfee brennt und dieser sich da-
mit zu entschuldigen weiß, daß er ehrfurchtsvoll sagt, er
verbrenne die Waare, so mag dieses als eine spaßhafte
Anekdote weiter erzählt werden, aber bildlich dargestellt,
wird derselbe Vorgang immer unverständlich, ja lächerlich
sein müssen. Naiver Weise hat der Künstler die be-
treffende Stelle aus dem Anekdotenbuche ausgeschnitten
und dem Bilde aufgeklebt. — Von eigenthllmlicher Wir-
kung ist ein Genrestück von H. de Bannes in Paris,
„Abend nach der Einnahme von Fort de Takon in China".
In wohlbedachter Weise sind die im Vordergründe lie-
genden Todten in Dunkel gehüllt, während die sinkende
Sonne die Mauer des Forts umsäumt, von der herab
eine einsame französische Schildwache träumerisch auf die
Zerstörung des vergangenen Tages herabblickt. Das Bild
zog besonders die Aufmersamkeit der Zuschauer auf sich
und verdient diese Auszeichnung nicht blos wegen des er-
greifenden Gegenstandes der Darstellung. — Gut komponirt
aber mangelhaft ausgeführt ist „ein österreichisches Laza-
reth" von Heinefetter in Baden, dagegen sollten stüm-
perhafte Werke, wie „Leonoreund Tasso" von W. Schön-
lein in Wien, zumal wenn sie noch mit besonderen An-
sprüchen austreten, aus derartigen öffentlichen Ausstellungen
füglich verbannt sein. — Von virtuoser Technik ist die „Car-
nevalskönigin" von Hub er-Buhler in Paris, ein mo-
dernes Bild von größerem Umfange mit vielen Figuren.

„ Das widerspenstige Rind" und „Der ungebildete Alpen-
sohn" von Roux in Karlsruhe sind gut erfundene Genre-
stücke, nur scheint uns der Titelträger im letzter». ein
mächtiger Stier hinter einer fliehenden -vourisiengesellschaft
her, wohl zu mächtig, zu groß zu sein. — „Ein Lauten-
spieler" von A. v. Werner in Karlsruhe und „Ein
Schalksnarr" von demselben sind treffliche Studien und
beweisen eine technische Vollendung, besonders ein feines
Verständniß des Kolorits. - Als tüchtige Werke nennen
wir noch Nach der Polizeistunde" von Fr. Striebel in
München ' die Städtebilder von C. Weißer in Karls-
ruhe sowie das liebliche Aquarell „ Kinderfreuden" von
W. Dürr in Freiberg, ein Bild voll köjtlichen Humors.

Schließlich möchten wir noch zur Kenntniß bringen,
daß von den Vereinen dis jetzt bereits Gemälde im Werthe
von nahezu 7000 fl. angekauft wurden.

/^Dresden, am 28. September. — (Ludwig Rt'ch.
ters Geburtstag). Heute feiert unser allverehrte lie-
benswürdige Kunstveteran L. Richter^ seinen 62ten Ge-
burtstag, und es dürfte daher wohl paffend sein, die hohen
künstlerischen Verdienste Richters der leicht vergeßlichen Mit-

welt in's Gedächtniß zurückzurufen. Ludwig Richter
ist am 28. September 1803 zu Dresden geboren und zwar
in demselben Hause wie der spätere Landschaftsmaler Oehme,
mit dem er ein enges Freundschaftsbündniß schloß. Er er-
hielt den ersten Unterricht von seinem Vater Karl August
Richter, einem Kupferstecher aus Zingg's Schule. In sei-
nem 17. Jahre ging er mit dem kaiserl. russ. Kammer-
Herrn, Fürsten Narischkin, als dessen Zeichner nach Frank-
reich. Nach seiner Rückkehr sandte ihn der Buchhändler-
Arnold in Dresden, der eine besondere Vorliebe für den
talentvollen und fleißigen jungen Mann gefaßt hakte, auf
mehrere Jahre nach Italien, um dort sich einem gründli-
chen Kunststudium zu widmen. In Rom, wohin er 1823
kam, fand er seinen Freund Oehme wieder und schloß sieb
mit ihm an andere bedeutende Künstler, namentlich au
Schnorr und Koch, an. Aus dieser Zeit stammen meh-
rere Landschaften von ihm, wie „Der Watzmann in Mor-
genbeleuchtung", „Rocea di Mezzo", „Amalfi". Bon Rom
aus machte R. weite Ausflüge nach Albano, Olevauo und
Tivoli,^ sodann nach Neapel. Im Sommer 1826 kehrte
er zu Fuß über Florenz und Carrara nach Deutschland
und Dresden zurück. Hier führte er zunächst für Herrn
von Quandt zwei Bilder, „Lariecia" und „Civitella" aus
und nahm^dann 1828 eine Stellung an der mit der Por-
zellanfabrik in Meißen verbundenen Zeichnenschule an.
Als diese aufgehoben wurde, folgte Richter einer Berufung
an die Akademie der bildenden Künste in Dresden, an
welcher er 1841 zum Professor und Vorstand des Ateliers
für Landschaftsmalerei, 1852 zum Mitglied des akademi-
schen Raths ernannt wurde. Außer den oben erwähnten
Bildern sind noch namhaft zu machen: „Das Lauterbrun-
ner Thal (1826), „Bajä" und „Erndtezug italienischer
Landleute" (1830), „Ave Maria am Fuß des Monte Se-
rone", „Osteria bei Tivoli", „Brunnen bei der Grotte
Ferrata" (1834), „Campagna bei Rom" (1835), „Ansicht
von Außig", „Ueberfahrt am Schreckenstein" (1837», „Ein
Bergsee aus dem Riesengebirge" (1838), „Genovefa im
Walde", „Dorfmustkant" (1839), „Abendandacht" (1840),
„Mondscheinabend" (1845), „Mädchen am Brunnen"
(1846), „Brautzug im Frühling" (1847).

Biel bedeutender und charaktervoller als seine Gemälde
sind seine meist für den Holzschnitt gezeichneten naiven,
theils heiteren, theils ernsten Illustrationen zu Volks-
büchern und K inder sch riften. Dies ist seine eigent-
liche Specialität. Unter den Hauptwerken, welche Richter
illustrirte, sind zu nennen: „Volkskalender von Nieritz",
„Jllustrirte Jugendzeitung", „Spinnstube", „Vereinska-
lender", „Musäus Volksmärchen" (1842), „Bechsteins
Märchen", „Volks- und Studentenlieder", „Abc-buch für-
große und kleine Kinder", „Landprediger von Wakefield",
„Robinson", „Hebels Allerneueste Gedichte" (1851),
„Bilder und Reime", „Der Kindereugel", „Kindesleben",
„Hymnen für Kinder", „Ammenuhr", „Klaus Groth",
„Voer de Goern". Bon dem im Jahre 1853 begonnenen
„Göthealbum" erschienen nur 12 Blätter zu „Hermann
und Dorothea", 7 zu „Götz v. Berlichingen", 21 zu ly-
rischen Gedichten. Dann folgten die Illustrationen zu
„Schillers Lied von der Glocke", „Das Vater Unser in
Bildern", „Die Christfreude in Lied und Bild", „Erbau-
liches und Beschauliches" und „Für's Haus". Aus die-
sen sämmtlichen hier genannten Werken ist eine Auswahl
der besten Illustrationen zu einem „Richteralbum" zusam-
mengestellt erschienen, welches 1848 (2. Auflage 1861) bei
Georg Wigand erschien. — In den letzten Jahren erschien
als Fortsetzung von „Für's Haus" ein-neues Heft unter
dem Titel „Neuer Strauß für's Haus". Auch ist noch
zu bemerken, daß R. noch im Jahre 1860 ein Oelbild
„Im Juni" malte, welches in den Besitz des Herrn Ed
Cichorius zu Solothurn überging, der auch eine ebenso
bedeutende wie interessante Sammlung von mehreren hun-
dert Handzeichnungen Richters besitzt.

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