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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0358

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348

Kunst-Literatur und Album.

I. Kunstliteratur.

les anciens peintres flamands, leur vie et ieurs oeuvres,

par J. A. Crowe et G. B. C a va 1 c asel 1 e. Trad.

de l’anglais par 0. D'elepierre etc. (Forts.)

Nachdem die Verf. (Kap. I) als älteste vereinzelte Spuren der
Malerei in Belgien die Wandbilder im Refektorium des Biloque-
Hospitals in Gent und die wohl etwas später fallende knieende
Figur des Robert von Bethune im St. Martin zu Apern angeführt
haben, kommen sie auf die Bildung der Malergilden im 14. Jahr-
hundert und auf ihre Kunstübung zu sprechen, die sich fast nur auf
die Kolorirung der Werke der Architektur und Skulptur beschränkt,
bei welcher bekanntlich die Farben schrn mit Oel gemischt wur-
den, während für Tafelbilder noch die alte Technik der Tempera-
farben im Gebrauch blieb. Als ältestes Mitglied der Malergilde
des heil. Lucas in Brügge, deren Stistungsjahr unbekannt ist,
wird Jan van Hasselt genannt, dessen Geburtsort in geringer
Entfernung von dem der Brüder van Eyck liegt. Anfangs Hof-
maler des Grafen Ludwig II. von Flandern, später, als dies
Land 1384 dem Herzogthum Burgund einverleibt wurde, im
Dienste Philipps des Kühnen, malte er 1386 ein Altarbild für
die Minoritenkirche in Gent. Durch diese burgundischen Her-
zoge und insbesondere durch die Prachtliebe Philipp's des Kühnen
bekamen in Flandern die Künste und vorzugsweise die Arbeiten
in edlen Metallen und kostbaren Stoffen einen großen Aufschwung.
Philipp erbaute die (jetzt verschwundene) Karthause in Dijon,
ließ deren Wände durch Jan von Malouel und den Schrein
des Hauptaltars mit Malereien von Melchior Bröderlain
schmücken, ein Werk, das, im Museum von Dijon noch vorhan-
den, hier in einer kleinen Umrißzeichnung und in einzelnen Köpfen
größeren Maaßstabes mitgetheikt wird, so daß mit Hinzuziehung
des kürzlich von Ernst Förster (Denkmale, Bd. IX. Malerei
S. 21) publicirten Theiles, „Die Flucht nach Aegypten", wir uns,
wenn auch nicht von der Farbe, doch wenigstens von Kompo-
sition, Zeichnung und Ausdruck einen klaren Begriff machen kön-
nen. Die auf den Außenseiten des Schreins befindlichen Ma-
lereien stellen die „Verkündigung", die „Heimsuchung", die „Dar-
stellung im Tempel" und die „Flucht nach Aegypten" dar. Daß
Förster diese letztere Scene für seine Publikation gewählt hat, ist
nicht ohne Grund: sie zeigt uns mehr als die anderen die eigen-
thümliche Mischung oder vielmehr den Kontrast zwischen der
idealen Auffassung der kölnischen Schule, in welcher sich Brö-
derlain sicher gebildet hat, und dem flandrischen Realismus,
der im 15. Jahrhundert so entschieden hervortritt. Ein ebenso
auffallender Kontrast herrscht im Kolorit: in den Köpfen sind
die Farben dünn und mager, Licht und Schatten ohne Ueber-
gänge neben einander, dagegen in den leicht und einfach drapir-
ten Gewändern viel kräftiger und saftiger, ein Umstand, der un-
sere Verf. auf die Vermuthung bringt, daß in diesen Theilen des
Bildes vielleicht schon das Oel angewandt worden ist.

Außer diesem anerkannten Werke Bröderlain's, der also,
so weit bis jetzt unsere Kenntniß reicht, in Flandern als der einzige
namhafte Vorgänger der van Eycks anzusehen ist, erwähnen die
Verf. noch zwei hierher gehörige Arbeiten unbekannten Urhebers,
nämlich ein in der Taufkapelle*) des nördlichen Seitenschiffs
von St. Sauveur in Brügge befindliche Tafel, die, etwa um
das Jahr 1360 entstanden, einen Christus am Kreuz mit Maria,
Johannes, zwei Frauen und den heil. Barbara und Katharina
darstellt und mit denselben Fehlern der Zeichnung denselben Kon-
trast zwischen dem Idealismus der weiblichen Köpfe und dem
Realismus der Kriegsknechte, sowie zwischen dem Kolorit der

archivs^^ ®erf‘ '"a®en trrthümlich,

es sei im Saale des Kir

Karnation und dem der Gewandung verbindet, und zweitens ein
mir unbekanntes Bild im Museum zu Valencia, das die größte
Aehnlichkeit mit der Behandlung Bröderlain's haben soll.

Je dürftiger die Quellen über das Leben der Brüder v an
Eyck und namentlich Huberts (Kap. II.) fließen, je größer also
das Feld der Vermuthungen und Kombinationen, desto erklär-
licher ist es, daß fast nie zwei Forscher hierin ganz überein-
stimmen. Unsere Vers, lassen das Zeugniß van Mander's, daß
Hubert um 1366 in Maaseyck geboren, gelten, weil cs eben kein
besseres giebt; sie nehmen an, daß Josse van Eyck (oder
Hyke) und Margarete Huntfanghe, die 1391 in den Re-
gistern der Brüderschaft U. L. Frauen zu den Strahlen in Gent
Vorkommen, seine Eltern gewesen sind, daß also die Familie kurz
vorher wegen der Unruhen in der Provinz Limburg dorthin ge-
zogen sein mag. Hubert selbst wurde 1412, seine Schwester
Margarethe 1418 ebenfalls in diese Brüderschast ausgenommen*).
Sein Todesjahr 1426 steht urkundlich fest. Was Jan (Kap. III)
betrifft, so nehmen die Verf. (S. 37) an, daß er zwischen 1482
und i486 geboren sei (worüber sich Ruelens in seinem Votum
später ausspricht), daß aber nicht er, sondern sein Bruder Hubert
die Oelmalerei erfunden habe, weil jener, wie sie sagen, 1410
(in welche Zeit man einstimmig diese Erfindung setzt) erst 19
oder vielleicht erst 15 Jahr alt gewesen sei, was aber mit jener
S. 38 aufgestellten Annahme in Widerspruch steht. Sie erzählen
sodann die übrigen Umstände seines Lebens und geben sein Todes-
jahr auf 1440—1441 au, was Weale (Kotes sur Jean van
Eyek p. 19) genauer auf den 9. Juli 1440 präcistrt hat.

Ungleich wichtiger als diese beiden Kapitel ist das solgends
(IV.) über die Arbeiten Hubert's und Jan's von Eyck. Bon
Ersterem erkennen die Vers, nur ein einziges als authentisch an,
das Genter Altarwerk, von dem sie in Umrissen eine kleine Ge-
sammtabbildung des Innern, ferner in größerem Maaßstabe die
4 Flügelbilder der unteren Hälfte und die Engelstgur der Ma-
donna mittheilen, letztere in einer Lithographie, die den Liebreiz
des Ausdrucks nicht im entferntesten wiedergiebt. Was den
Antheil der Brüder an diesem Werk betrifft, so erklären sie für
Huberts Arbeit die Gesammtkomposition und die Ausführung
der Einzelfiguren Gott Vater, die Madonna, Johannes der
Täufer und Adam und Eva, weniger bestimmt die singenden
und die musicireuden Engel, für Jan's Arbeit alles klebrige mit
Ausnahme der beiden Johannesgestalten der Außenseite. Also
ganz anders einerseits als Hotho (Malerschule Hub. v. Eyck
II. S. 91), der rundweg sagt: „da es mir erwiesen scheint, daß
dieselbe Hand, die in Gott Vater, Maria, Johannes, Adam und
Eva jetzt Jedermann willig für Huberts anspricht, ganz unbe-
dingt auch die stngenden Engel, das Orgelspiel und den Gruß
an die Jungfrau gemalt haben müsse, seitdem kann über dem
Rest für mich kein längerer Zweifel sein. Entweder hat Hubert
dir Hauptsache jeder Tafel, oder von allen keine gemalt;" ande-
rerseits als Waagen (Handbuch S. 82 f.), der dem Hubert aus
der oberen Reihe die von Hotho genannten Figuren, aus der
unteren die Seite des Mittelbildes, worauf sich die Apostel und
die Heiligen befinden, und die Flügelbilder mit den Eremiten
und den Pilgern mit Ausnahme der Landschaften, alles klebrige
dagegen, auch die sämmtlichen Außenseiten der Flügel dem Jan,
nur den Propheten Zacharias und die Leiden Sibyllen einer
schwächeren Hand beilegt. Wie sich der Kommentator Ruelens
zu dieser Frage verhält, davon später. (Forts, folgt.)

*) Daß Waagen (Handb. d. Mal. S. 7») diese Brüder-
schaft nach Brügge versetzt, also deshalb einen Aufenthalt Huberts
in Brügge von 1412—20 annimmt, ist wohl nur ein arger Jrr-
thum. Wo steht geschrieben, daß diese Brüderschaft in Brügge
war? Ebenso willkürlich daher, bei Hubert eine Bekanntschaft
mit dem Miniaturmaler Johann von Brügge vorauszusetzen.
 
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