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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0364

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354

u. s. f. Das früher erwähnte Bild Spangenberg's
„Abend in einem Försterhause" gefiel uns, da es günsti-
ger placirt war, diesmal nicht blos in Rücksicht auf
empfindungsvolle Komposition, sondern auch in Bezug auf
das gediegene, harmonische Kolorit außerordentlich: es ist
in der Thal ein schönes und feines Bild.

3. Die Centralausstellung von Karfunkel hat
unserem letzten Besuch wieder einen bedeutenden Fortschritt
durch die Aufstellung einer ganzen Reihe neuer gediegener
Werke an Stelle der weniger guten oder geradezu mittel-
mäßigen gemacht. Wenn sie auf diese Weise fortfährt
und namentlich, was ja die umfangreichen Lokalitäten ge-
stalten, eine bestimmte, nach einem festen kritischen Princip
geregelte Theilung und Verkeilung der verschieden qua-
lificirten Bilder einführt, so dürfte sie bald ein recht re-
spektables Ansehen gewinnen und neben dem (auf das große
Publikum nicht berechneten) Salon von Lepke als das ein-
zige, den Kunstbedürfniffeu einer Weltstadt wie Berlin
durch Umfang, Werth und Mannigfaltigkeit des der Be-
schauung Dargebotenen genügende Privatkunstinstitut da-
stehen. — Neben den bereits in unserem letzten Bericht
erwähnten tüchtigen Werken von Lang („Czikos treiben
Pferde zur Heerde zurück"), Lier, Millner, Frische,
N o r d g r e e n, Max Schmidt, Schieß, D e l f s u. A.,
heben wir diesmal hervor: zunächst ein vorzügliches Ka-
binetstück von Koerle (München), betitelt „die Gefesselte",
eine vornehme Dame im Morgenkostüm des vorigen Jahr-
hunderts in der Betrachtung eines Wandgemäldes ver-
sunken, das den „Raub der Europa" darstellt. Der ganze
Reiz koncentrirt sich hier auf die überaus feine Tonstim-
mung des Kolorits, worin besonders die etwas dunstige
Stubenatmosphäre, die Tapeten, der Kamin, überhaupt
das lokal Stoffliche behandelt ist. Darin herrscht eine
Delikatesse und zugleich eine Freiheit der Durchführung,
welche bewundernswürdig genannt werden müssen. — Ein
zweites, sehr bedeutendes Meisterwerk sind die „Sckaafe"
von Bapt. Hoffner (aus Aresing in Bayern), Thiere
in halber Lebensgröße, von so plastischer Körperlichkeit und
so naturwahrer Charakteristik in der Auffassung des Mo-
ments (sie sind erschreckt durch einen Hasen), daß uns in
der heutigen Thiermalerei Deutschlands kaum ein zweites
Werk von dieser Gediegenheit erinnerlich ist.

Da unser Rauni diesmal etwas knapp zugemessen ist,
so müssen wir uns für heute in Betreff der anderen zahl-
reichen Werke auf eine Anführung der Titel beschränken.
Bon St eff eck fanden wir die von der großen Ausstellung
her bekannte reizende „Kinderstube" sowie eine sehr hübsche
kleine Landschaft, von Lier einen „Bauernhof", von Jern-
berg ein großes, breit und virtuos gemaltes „Stillleben",
von Graes zwei vortreffliche Portraits, von Beller-
mann „Villa Maecen bei Tivoli", von Mecklenburg
eine große „Ansicht von Venedig", von Knorr mehrere
tüchtige Landschaften, „Malmesfield ", „Hardangerfjord",
von bedeutender Lichtwirkung, von Marr „Holzfuhren im
Gebirge", von Emil Hünten eine Skizze „Hurrah, wir
haben Düppel" u. s. f. — Besonders hervorzuheben sind
noch einige sehr ansprechende Genrebildchen, von Fräul.
Ludwig (Düsseldorf) „Junge Liebe", von liebenswürdiger
Auffassung und sehr gefälliger Behandlung, von Leon
Pohle (Weimar) „Gretchen vor dem Schmuckkästchen",
eine für Genreformat ziemlich umfangreiche, sehr glücklich
aufgefaßte Komposition, ohne falsche Sentimentalität, aber
mit eingehendem Versländniß des Göthe'schen Motivs und
großem Geschick gemalt. Ebenso sind die „Ungeladenen
Gäste", von Stelzner, worin eine gesunde Komik herrscht,
erwähnenswerth.

Mau bemerkt in dieser Reihe von Künstlern anßer
den bewährten Namen hiesiger und auswärtiger Künstler
auch mehrere, die in Berlin noch mit keinem Werke aus-
getreten sind, so daß wir der Centralausstellung ihre Be-
kanntschaft zu verdanken haben.

4. Was die Sachse'sche „Permanente Ge-
mäldeausstellung" betrifft, so haben wir uns dies-
mal weniger mit ihrem augenblicklichen künstlerischen In-
halt, als mit einem Generalbericht zu beschäftigen, welchen
das Institut unter dem Titel „Rückb lick auf die zwölf-
jährige Wirksamkeit der Permanenten Gemälde-
ausstellung von Sachse u. Co." kürzlich veröffentlicht
hat. —

Der Inhalt dieser Denkschrift besteht indeß weniger
in einer Berichterstattung über die Thätigteit des Instituts^
als in eigenthümlichen „Betrachtungen" über allgemeine
Kunstzustände; Betrachtungen, für welche sie ausdrücklich
die Aufmerksamkeit ihrer Abonnenten in Anspruch nimmt.

Man könnte nun füglich nichts dagegen sagen, wenn ein
Privatinstitut, um die durch eine rivalistrende Konkurrenz
gefährdete Theilnahme des Publikums von Neuem anzu-
regen, sich selbst und seine Thätigkeit in möglichst günsti-
gem Lichte darzustellen sucht, selbst wenn es bei einer der-
artigen Reklame den Mund etwas voll nimmt. Hier
aber liegt die Sacke anders. Der „Rückblick" nimmt
nicht nur gegen andere, öffentliche und private, Kunst-
institute, sondern auch gegen das Publikum einen so un-
passenden, ja beleidigenden Ton an, daß wir uns veran-
laßt sehen, der sich darin kundgebenden Selbstüberhebung
in entschiedenster Weise entgegenzutreten und dieselbe auf
ihr richtiges Maaß zurückzuführen. Wir können dies mit
um so größerer Unbefangenheit, als die öffentliche Kritik,
von welcher übrigens die Sachse'sche Ausstellung stets
mit besonderer Vorliebe behandelt worden ist, der einzige
Faktor unscrs Kunstlebens ist, welcher (vielleicht aus einem
Anfall taktvoller Erkenntlichkeit) glücklicher Weise in dem
„Rückblick" ganz unerwähnt blieb. Sonst wird Allen _—
mit Ausnahme der Herren Künstler, denen natürlich nicht
vor den Kopf gestoßen werden durfte — der ihrige, wie
man zu sagen pflegt, tüchtig gewaschen; so z. B. den
„Leuten von gutem Stande", welche (nach der Versicherung
der Herren Sachse & Co.) „die verdienstvollsten
Gemälde mit einer staunenswerthen Oberfläch-
lichkeit betrachten", so den „ganzen Schaaren von
bemittelten Familien, welche der Kunst" (immer
nach der Ansicht der Herren Sachse & Co.) „Rechnung
getragen zu haben wähnen, wenn sie alle zwei Jahre (!)
einen Sonntagsmorgen auf die Wanderung durch die
Akademiesäle verwenden" (statt NB. alle Sonntage zu
Sachse zu gehen —; beiläufig wäre noch die Frage, was
für ihr Kunstverständniß vortheilhafter wäre, ob eine
Wanderung durch die Natioualgalerie oder 100 Besuche
bei Sachse?) „oder die auch — selbst hierzu nicht zu be-
wegen — sich Kunstfreunde wissen, wenn sie als Mit-
glied irgend eines Kunstblatt-Vereins jährlich ein neues
Bild zu den übrigen in den Korridor hängen!" (statt
NB. die betreffenden Thaler zum Abonnement auf die
„Permanente" zu verwenden).

Ist je eine das Publikum beleidigendere Sprache in
dem gedruckten Programni eines auf die Theilnahme die-
sesselben Publikums berechneten und dadurch reich ge-
wordenen Instituts geführt worden? Mit welchem Recht er-
lauben sich die Herren Sachse L Co. „ganze Schaaren
von bemittelten Familien", wie sie selbst sich ausdrücken,
so zu sagen als ästhetische Botokuden zu brandmarken,
nur weil sie den Besuch der Natioualgalerie dem Sachse-
schen Lokal vorziehen oder Mitglieder von Kunstvereinen
sind? — Wer eine solche und noch dazu unberufene Kritik
übt, wird es sich wohl gefallen lassen müssen, wenn die
berufene Kritik ihm einmal etwas genau an den Puls
fühlt.

Wer, ohne das Sachse'sche Lokal zu kennen, „den
Rückblick" durchliest, muß den Eindruck empfangen, als ob
es sich hier um ein glänzendes, umfangreiches, mit Mei-
sterwerken ersten Ranges aller Völker und Zeiten aus-
gestattetes Institut handele, wie es iu der ganzen übrigen
Welt kein zweites giebt, und nicht etwa um ein Lokal aus
 
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