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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0366

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vieler Gemälde durcheinander" (! das geht auf
die großen akademischen Kunstausstellungen) „den Be-
schauer zu ermüden —, noch einzelne deutsche, fran-
zösische oder irgend andere Künstlernamen par excellence

zu protegiren,-*)" (bedanken Sie sich, HerrLepke),

„sondern" (man höre, staune und schweige ehrerbietig!)
„unparteiisch allen wohlberechtigten Richtun-
gen der Kunst Eingang zu schaffen, gute Werke
aller Schulen, aller Nationen und allen Genres
zur Schau zu bringen, wo (?) es möglich ist, und
zwar so auszu st eilen, daß eines dem andern in
häufig wechselnder Reihe folgt und eine genuß-
und lehrreiche Betrachtung des Einzelnen ge-
währt sei." ■—■

Glückliches Jahrhundert, dreimal glückliches Deutsch-
land, dreimillionenmal glückliches Berlin, daß ihr einen
Sachse L Co. zu den Eurigen zu zählen den unver-
dienten Ruhm habt! Und diesem Manne ist noch kein
Denkmal gesetzt? Ehrt Ihr so Eure großen Männer,
die WohlthLter der Nation, ja der Menschheit? Denn
was wäre die Kunst ohne ihn? Und seht, mit welch'
rührender Bescheidenheit er nur zaghaft die Lippen an den
Rand der Posaune setzt! „Nur schüchtern und nach lan-
gem Bedenken" hat er es nach seiner Versicherung „ge-
wagt, seine Beobachtungen niederznschreiben." Aber die
Pflicht, die unerbittliche, ruft — und, soll es denn ein-
mal geblasen sein, dann auch mit vollen Backen!

Aber dieser Posaunenstoß ist für den Rückblicker nur
ein Vorbereitungssignal. Nachdem er sich damit erst Luft
gemacht, setzt er von Neuem an, um der beschämten Welt
über die eigentliche kulturhistorische Bedeutung der „Per-
manenten" die rechten Flötentöne beizubringen. Mit breit
gesperrten Lettern verkündet er, berauscht von seinem
eignen Paroxhsmus, in dithyrambischen Schwünge kühn-
ster Begeisterung, die erhabenen und nur auf's Ideale ge-
richteten „Grundsätze, nach denen das Institut an der Ge-
sammtentwicklung mitzuarbeiten bisher bemüht war!"
— Und mit welchen Opfern hat es diesen reinen Kultus
der Kunst geübt! Undankbares Berlin, dessen „tiefere
Regungen nach Kunstbeschäftigung durch ein gut Theil
Oberflächlichkeit, Bequemlichkeit und Mode beherrscht wer-

*) Diese „ Gedankenstriche" sind die geistreiche Erfindung
des Rückblickers und sollen ersichtlich das Pathos der folgenden
fulminanten Knalleffekt-Charakteristik der „Permanenten" unter-
stützen. D. R.

den", sieh' mit Beschämung, wie cs das „winzige Häufchen
wirklicher Freunde der Kunst" macht, die auf die „Perma-
nente" abonnirt sind, gehe hin und thue desgleichen! Vergiß,
daß es ein Museum, eine Nationalgalerie giebt,
verachte Lepke und Karfunkel, wende dem Kunst-
verein und der Akademie den Rücken und schließe
dich der „Permanenten" an, wo allein für dich Heil und
Segen zu finden ist! Das ist des Pudels Kern!

Um den satyrischen Ton, zu dem jedoch die maaßlose
Selbstüberhebung und die an die Reklamen des „Hoff'-
schen Malzextrakts" erinnernde Sprache des „Rückblicks"
unwillkürlich Anlaß giebt, fallen zu lassen und um mit
dieser in jedem Betracht unangenehmen Sache zu Ende
zu kommen, bemerken wir nochmals, daß wir es ganz in
der Ordnung finden würden, wenn ein kaufmännisches
Geschäft, wie das Sachse'sche trotz seiner Opposition
gegen die „Kaufhandlungen" es lediglich ist, sich bei seinen
Kunden dadurch zu insinuiren sucht, daß es ihnen die
Vorzüge vor Augen stellt, welche eö ihnen gewährt; aber
sich selbst auf Kosten nicht nur aller ähnlichen Geschäfte,
die — wie das L epke'sche — denn doch bekanntlich eine
andre, viel gediegnere Auswahl von Meisterwerken des
In- und Auslandes aufznweisen haben, als die „Per-
manente", sondern selbst auf Kosten von königlichen Kunst-
instituten, wie die Akademie und die Nationalgalerie, in
pomphafter Marktschreierei sich in den Vordergrund drän-
gen zu wollen und zum Ueberfluß dem berliner kunst-
liebenden Publikum, die stärksten Sottisen in's Gesicht zu
schleudern: das ist denn doch, ganz abgesehen von dem
Mangel an Klugheit, der sich darin kund giebt, ein wenig
zu stark, als daß man darüber schweigen könnte. Die
Herren Sachse & So. müssen sehr übel berathen ge-
wesen sein, daß sie eine solche Schulknabenarbeit — als
welche das Machwerk sich durch die stylistischen Schwächen
wie durch den phrasenhaften Ton maaßloser Uebertreibung
von vorn herein dokumentirt — adoptirt und gedruckt in
die Welt geschickt haben. Wenn diese verzweifelte Styl-
übung eine Reklame sein soll, so ist sie es jedenfalls nur
für die darin angegriffenen und mit einer gewissen Ver-
ächtlichkeit behandelten Institute und Geschäfte, die, im
Vertrauen auf den richtigen Takt und den gebildeten Ge-
schmack des Publikums, welches wirkliche Gediegenheit
recht wohl von buntemjFirlefanz zu unterscheiden weiß, einer
Reklame überhaupt nicht bedürfen, sondern sie im Ge-
gentheil als ihrer unwürdig verachten. M. Sr.

Kunstgeschichte und Antiquitäten.

Die „Wadonna di Loreto",

ein von dem Unterzeichneten neu aufgefundenes Bild von R

Dieses auf Leinwand nur untermalte Bild, welches
4 Wiener Schuh hoch und 3 Wiener Schuh breit ist,
stimmt genau mit der Beschreibung Vasaris überein, der
aber das Bild nicht unter diesen Namen bezeichnet, son-
dern nur von einem Madonnen-Bilde spricht, das Raphael
für die Familie de Dci untermalte aber, vom Papst
Julius II. nach Rom berufen, nicht vollendete, sonvern
noch auf seinem Todtenbette den Maler Ghirlandajo
eigens beauftragte, das Blau des Mantels, sowie das
Bild überhaupt zu beenden. Dieses Bild nun kam als
Geschenk des Papstes Julius II. nebst seinem Portrait
in die Kirche Santa Maria del Popolo in Rom, zuletzt
als Geschenk eines Römers Namens Girolamo Lottorio
1717 in den Schatz von Loretto, seit welcher Zeit es die-
sen Namen führt. Bei der Besetzung der Franzosen soll
das Bild nach Rom, nach Paris aber nur eine Kopie
davon gekommen sein.

Es ist erwiesen und Passavant in seinem Werke „Ra-

phael, im Besitz des Herrn Antonio Tortella in Verona.

phael von Urbino. II. Theil Seite 126 und 127 sagt, daß
das vermeintliche Originalbild, welches sich im Pariser
Museum seit 1821 befindet, eine schwache Kopie sei, wenn
sie auch vom Museum um 100,000 Francs erstanden
wurde. Passavant, der 12 Kopien dieses Bildes anführt,
glaubt die Originalität keinem dieser 12 genannten Bilder
zutrauen zu dürfen, sondern erklärt das Originalbild für-
verschollen. Nun aber hat Herr Antonio Tortella in
Verona dieses sein Bild in Mantua nebst andern Bildern
vor 32 Jahren gekauft und erst zu Hause unter einer,
wie es scheint mit Absicht, dick darüber geschmierten brau-
nen Kruste die schöne Malerei zu Tage gebracht. Da er
aber nicht Gelegenheit hatte, Passavants „Leben Raphaels"
zu lesen, so konnte er die Identität seines Bildes, d. h. die
Uebereinstimmung zwischen dem bei Vasari erwähnten
als dem nach Loreto gestifteten Bilde nicht erkennen. Erst
und ich das Bild sah, erkannte ich es als solches und
nannte es das ächte, längst verschollene Bild Ra-
 
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