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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0367

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357

phaels aus dem Schatze der KircheSan Loreto.

Maria (halbe Figur) steht links gewendet hinter dem
Lager des Christkindes, indem sie den Schleier lüftet, mit
dem es vielleicht bedeckt war; der erwachte Knabe, den sie
liebreich betrachtet, streckt lebhaft seine Aermchen ihr ent-
gegen, wodurch seine Gestalt in ganzer Schönheit erscheint.
Der heilige Joseph steht rechts hinter der Madonna, mit
beiden Händen einen Stab haltend und die liebliche
Gruppe abschließend. Den Hintergrund bildet ein Vvr-
hang.

Da nun Raphael fast alle seine Staffeleigemälde, die
wir von ihm kennen, auf Holz gemalt hat, könnte schon
der Umstand, das dieses im Besitze Herrn Tortella's be-
findliche Bild auf Leinwand gemalt ist, an der Aechtheit
des Originals Zweifel erregen, ferner könnte man das
Bild als verputzt und zwar bis auf die Untermalung ver-
putzt ansehen, was aber bei näherer Betrachtung sich als
irrig ergiebt. Ick, halte das Bild für alle Fälle als ein
höchst fetteneö Werk Raphaels und zwar schon darum,
weil es als nicht vollendet einen tiefen Einblick in den
Entwickelungsprozeß dieses unsterblichen Meisters erlaubt.
Und so wie Alles, was ein Genius ersten Ranges unter-
nimmt, den Genius verräth, so ist auch dieses Bild, trotz-
dem es nur untermalt zu nennen ist, schon so vollendet
und gicbt so klar zu erkennen, was der Meister dieses
Werkes wollte, daß es als eine Reliquie des großen Urbi-
naten hoch gehalten werden muß. Herr Tortella hat seit
32 Jahren sein Bild dem Publikum nicht vorenthalten,
wohl aber hat eine durch Eigennutz und Neid hier in
Verona sich eingenistete Gesellschaft von sogenannten Kunst-
kennern sich alle Mühe gegeben, die Aechtheit dieses Wer-
kes zu bezweifeln. Ich selbst, als ein begeisterter Ver-
ehrer des unsterblichen Urbinaten, habe in Ueberstimmung
mit vielen Kennern und Malern vom Fache dieses Bild
als acht erkannt und wünsche nur, daß auch andern Ken-

nern Gelegenheit geboten würde, sich darüber auszu-
sprechen. Das Bild ist übrigens in durchaus gutem Zu-
stande. König Ludwig I. von Baiern, dem ich eine
Beschreibung einsandte, war sehr darüber erfreut. Außer-
dem habe ich eine Zeichnung sowie eine Aguarellskizze an-
gefertigt, die lebhaft für das Originalbild Interesse er-
regten. Es wäre zu wünschen, bevor das Bild nach Eng-
land oder ins Ausland wandern sollte, daß es in Deutsch-
land in einer Galerie jenen Platz einnehmen möge, den
es vermöge seiner Aechtheit verdient. Was nun den Streit
zwischen acht oder unächt aubelangt, kann ich uur Eines
bemerken, nämlich daß wer einen unächten Raphael von
einem ächten unterscheiden kann, keinen Zweifel haben kann,
daß dies Bild ächt ist. Denn Raphael steht so einzig
und allein da, daß ich Niemanden unter den lebenden
wie andern Malern wüßte, der sich für diesen Unnahba-
ren ausgeben dürfte.

Was Herrn Antonio Tortella, den Besitzer dieses
Schatzes, betrifft und welcher, wie ich etwaigen Anfragen
gegenüber bemerke, zu Verona (Via Uorta Oawxomarro
klo. 5526 III. piano vieino al Uontö Navi, in Casa Tiolo)
wohnt, so ist derselbe ein großer Kunstfreund, der sich in
früheren Jahren viel mit alten Bildern, aber nur zu sei-
ner Liebhaberei, beschäftigt hat. Er ist nicht abgeneigt
das Bild zu verkaufen, will aber einem Kunsthändler
nicht den Verkauf dieses Schatzes anvertraueu. Aber auf
eine direkte Ansprache an ihn selbst würde er gerne nähere
Erklärung geben. Ich selbst bin glücklich, dieses Bild
entdeckt, erkannt, benannt und dadurch auch vielen Kunst-
freunden und Künstlern zugänglich gemacht zu haben.

Verona, den 30. September 1865.

Heinrich Stohl,

Maler aus Wien.

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Die pariser Kunst- und Industrieausstestung von 1867.

Bekanntmachung der preußischen Centralkommission
über die Anmeldung von Kunstwerken.

Stach der von der Unterzeichneten Central-Kommission im
Staats-Anzeiger vom 3. September d. I. veröffentlichten Be-
kanntmachung der Bedingungen für die Zulassung zu der Aus-
stellung von 1807 werden zu derselben nur solche Werke zuge-
lassen werden, welche seil dem l. Januar 1855 ausgeführt worden
sind.

Ausgeschlossen von der Ausstellung sind- st) Kopien, selbst
diejenigen, welche in einem von dem des Originals verschiedenen
Genre ausgeführt sind; 2) Nicht eingerahmte Oel-, Minia-
tur-, Aquarell-, Pastell-Gemälde, Zeichnungen und Cartons für
Glasmalereien und Fresken; 3) Bildhauerarbeiteu in ungebrann-
tem Thon. ~~

Abweichend von dem Verfahren bei der letzten internatio-
nalen Ausstellung in London sollen auch für die Werke der
schonen Künste Belohnungen durch eine internationale Jury nach
noch näher festzustellenden Regeln zuerkännt werden.

Der Wunsch, daß die deutsche Kunst bei der Ausstellung in ihrer
vollen Bedeutung erscheinen möge, wird sicher von den Künstlern
des Vaterlandes gctheilt werden und sie bestimmen, für eine würdige
Vertretung derselben Sorge zu tragen. Auch an die Besitzer von
Kunstwerken wird die Kommission nicht vergeblich die Bitte
richten daß sie während der Zeit der Ausstellung sich von den-
selben'trennen, um sie zur Verherrlichung der deutschen Kunst
beitragen zu lassen.

Was die Zulassung der angemeldeten Kunstwerke betrifft, so
wird dieselbe unter das Urtheil einer Prüfungs-Kommission gestellt,
deren Zusammensetzung in ähnlicher Weise wie bei der Londoner

Ausstellung seitens der königlichen Kunst-Akademien bewirkt werden
wird.

Für den Transport der Kunstwerke nach und von Paris/
für die Aufstellung derselben, die Verwahrung der Emballagen
und die Versicherung gegen Gefahr werden gleiche Erleichterungen
gewährt werden, wie bei der Ausstellung im Jahre 1862.

Im Uebrigen gelten für die Betheiligung die Bestimmungen,
welche die Bekanntmachung vom 31. August c. enthält.

An die Kunst-Akademien zu Berlin, Düsseldorf und Königsberg
sind Exemplare der gegenwärtigen Bekanntmachung, von dem
Reglement der französischen Ausstellungs-Kommission, von der
obenerwähnten Bekanntmachung der Unterzeichneten Kommission
vom 31. August, von dem Plane des Ausstellungsgebändes und
dessen Erläuterung, sowie von den Anmeldungs-Formularen
übersandt worden, und werden auf Verlangen verabfolgt werden.

Die Anmeldung wird durch Ausfüllung der letzterwähnten
Formulare bewirkt, welche unter der auf der Rückseite derselben
befindlichen Adresse an die betreffende königliche Kunst-Akademie
vor dem l. December 1865 einzusenden sind.

lieber den Termin der Einlieferung der Knnstwerle bei den
Prüfungs-Kommissionen, welcher nicht vor Ausgang des Jahres
1866 fallen wird, und über die Modalitäten der Absendung
werden besondere Bestimmungen getroffen und veröffentlicht
werden.

Berlin, den 13. Oktober 1865.

Di- königl. Central-Kommission für die Pariser Ausstellung
von 1867. Moser.
 
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