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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0370

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360

nigen gedanklichen Beziehung zwischen den Ausschmückungs-
motiven und der Bestimmung des Bauwerkes erfüllt wer-
den, als — da doch das Letztere aus einer großen An-
zahl gesonderter, aber selber wieder in ihren Bestimmun-
gen gegliederter Räumlichkeiten besteht — daß ein
einer ähnlichen, parallelen Gliederung fähiger Grundge-
danke dem ganzen Ausschmückungsplan als Basis dient,
aus welcher, als dem principiellen Ausgangspunkt, die po-
sitiven Gegenstände der Darstellungen sich ergeben. So
entsteht allein ein lebensvoller Organismus, dessen ein-
zelne Motivglieder sich an die Glieder des Gebäudes, an
die einzelnen Lokalitäten mit derselben Nothwendigkeit einer
ideellen Beziehung anlehnen, wie der ganze Ausschmückungs-
plan an das gesammte Bauwerk. Hier entwickelt sich dann
die Nothwendigkeit einer Scheidung zunächst der äuße-
ren von der inneren Ausschmückung und, damit
im Zusammenhänge, der plastischen von den maleri-
schen Motiven, innerhalb der letzteren wieder die Unter-
schiede, welche sich aus der praktischen Bestimmung der
einzelnen Räumlichkeiten ergeben, des Vestibüls, des
Treppenhauses, des Festsaals, der verschiedenen Ses-
sionszimmer, des Bibliotheksaals, der Vorsäle u.
s. f. Nichts ist dem Zufall oder dem Belieben überlassen,
wonach beispielsweise die eine Reihe von Bildern, welche
für das Treppenhaus designirt sind, auch ebenso gut im Ma-
gistratssessionssaal, oder die, welche für einen Korridor
passen, etwa als Relief an der Außenfronte ausgeführt
werden könnten.

Dies ist nun aber die wunde Stelle des Wäsemann'schen
Projekts, daß es in der Disposition der einzelnen Motive,
da es ihm eben an einem einfachen Grundgedanken man-
gelt, der Willkür völligen Spielraum läßt; der Art, daß
für kein einziges Motiv eine Nothwendigkeit vorhanden
ist, warum es gerade an der Stelle ausgeführt wird, für
welche es bestimmt ist, und daß die Anordnung der Dar-
stellungen — wenn von Ordnung darin überhaupt die
Rede sein kann — ebenso gut umgekehrt oder gänzlich
geändert werden kann, ohne daß seinem Plan dadurch
wesentlich Eintrag geschähe.

Nach der mit unsrer Ueberzeugung durchaus übereinstim-
menden Ansicht, welche der Herr Oberbürgermeister „im
Namen der Deputation zur Vorberathung über die Aus-
schmückung des Rathhauses" in jenem bekannten Schreiben,
worin er zur Einsendung von Gutachten über das Wäse-
mann'sche Projekt aufsordert, geäußert hat, scheint es
fast überflüssig, diesen wichtigen Punkt noch näher zu be-
leuchten; um so mehr, als wir ohnehin — bei unsrer
demnächst folgenden Prüfung der genannten beiden Aus-
schmückungspläne — noch Gelegenheit haben werden, densel-
ben nach seinen praktischen Konsequenzen in's Auge zu fassen.

Es möchte indessen nicht zwecklos sein, an diese Aeuße-
rungen des Vorsitzenden der officiellen Ausschmückungs-
deputation ausdrücklich zu erinnern. Es heißt in dem er-
wähnten Schreiben: „Das neue Rathhaus nimmt in der
großen Gruppe schöner Bauwerke Berlins eine bedeutungs-
volle Stellung ein, und liegt es in der Absicht der
städtischen Behörde, dasselbe nach allen Richtun-
gen") hin so aus zu st alten, wie es der Charakter *)

*) Ob diese Absicht auch in der Richtung der rein architek-

des Gebäudes erheischt. . . . Wie der großartige Bau
an sich mit seinen monumentalen Gestaltungen Zeugniß
ablegen soll von der fortschreitenden Entwick-
lung (an) Kraft, Geist und Gesinnung des heu-
tigen Bürgerthums, so wird es auch der Mal eres
und Skulptur gestattet sein, ein Bild ihrer schaf-
den Kraft und Wirksamkeit auf die Nachwelt zu
übertragen."

Hiermit ist also schon ein Grundgedanke, wenn auch
noch in einer theils etwas unbestimmten theils zu eng be-
grenzten Form angedeutet; zu eng begrenzt, sofern nur
von der Entwicklung des heutigen Bürgerthums, statt
von der kultur-historischen Entwicklung des berliner Bür-
gerthums überhaupt, die Rede ist. Viel entschiedener noch
drückt sich das Schreiben über die eigentliche Aufgabe der
künstlerischen Ausschmückung selbst aus: „Vereinzelte
Darstellungen, vereinzelte Bildwerke dieser Art
können diesen Zweck nur thcilweise "(oder vielmehr gar
nicht),, erreichen, müssen unter allen Umständen die Ein-
heit der ganzen Ausführung stören, und scheint
es daher in künstlerischer wie in ästhetischer Beziehung
geboten, die Gesammtheit aller dieser Kunst-
schöpfungen dergestalt mit einander in Verbindung zu
bringen, daß ein gemeinsamer Grundgedanke nicht
vermißt wird und ein inneres lebendiges Band alle
einzelnen Theile der Darstellung, mögen sie die
Malerei oder die Skulptur betreffen, zu einem abge-
schlossenen Ganzen gestaltet."

Nach dieser bestimmten Forderung eines alle Aus-
schmückungsmotive bedingenden Grundgedankens deutet nun
das Schreiben den Inhalt deffelben näher dahin an, daß
„der leitende Faden darin zu finden sei, die weseutli chen
Momente der preußisch-deutschen Geschichte,
namentlich sofern solche mit der Stadt Berlin in Ver-
bindung stehen, und mit besonderer Berücksichtigung der
Entwicklung und Bedeutung des Bürgerthums"
(als nicht mehr blos des „heutigen") zur Anschauung zu
bringen." — Auch dies kann, obgleich eine eigentliche
Gli ed erun g des Grundgedankens nach seinem po litisch-
historischen, social- und kommunalgeschichtlichen Stoff
noch nicht ausdrücklich als solche (d. h. als Gliederung in
bestimmte Darstellungscyklen) ausgesprochen ist, der allge-
meinen Tendenz nach durchaus acceptirt werden. Daß
übrigens der Verfasser dieses Schreibens trotz seines rich-
tigen Gefühls für die Nothwendigkeit eines großen orga-
ganischen Ganzen in dem Ansschmücküngsprojekt die sich
daraus ergebende Forderung einer Gliederung des
Stoffs in Gemäßheit der Lokalitäten noch nicht mit
voller Schärfe erkannt hat, scheint uns daraus hervorzu-
heben, daß er fortfährt: „und hat auch der Bauinspektor
Wäsemann diesen Gedanken in einer besonderen Aus-
arbeitung specieller ausgeführt (?) und mit Vorschlägen
begleitet, wie dieses oder jenes (!) geschichtliche Mo-
ment unter Festhaltung des Grundgedankens und
der gegebenen Räumlichkeiten zu fixiren oder zu vertheilen
sein möchte."

tonischen Ornamentation erreicht sei, ist eine Frage, die hier nicht
erläutert werden kann, deren Beantwortung aber ebenfalls, und
zwar von kompetenter Seite, erfolgen soll. D. Red.
 
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