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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0118

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105

Kunstkritik.

Berliner Monntss^cknu.

Künstlerverein — Kunstverein — Lepke.

n dem Lokal des Künstlervereins waren wir über-
rascht eine ungewöhnlich große Zahl von Be-
suchern anzutreffen; die Vermuthung lag also
nahe, daß in den letzten Tagen irgend ein Werk
von besonderer Zugkraft zur Ausstellung gekommen
sei, oder daß gar eine ganze Reihe bedeutender
^ Werke oder doch Werke von bedeutenden Künst-
lern — was bekanntlich nicht immer dasselbe be-
^ sagt — dem Publikum geboten würden. Dies-
mal traf sogar Beides zu: das Zugstück war
Mackart's „Venus und Tannhäuser", ein Bild, dessen Titel schon,
namentlich in Verbindung mit dem Namen des Künstlers, einen
für unser nach einem gewissen haut; goüt verlangendes Kunstpubli-
kum ganz besonderen Reiz zu versprechen schien, die anderen in die
Waagschaale des Interesses fallenden Namen waren vom besten
Klange: A. Achenbach, P. Meyerheim, Rosa Bonheur,
Liezenmayer, Jsabey, Munkacsy, Max Schmidt, Flüggen
u. a. m. Die Ausbeute versprach also eine recht reiche zu werden,
und in der That haben wir selten das Lokal mit so vielen guten
Werken ausgestattet gesehen wie gegenwärtig.

Was Mackart's Bild betrifft, so wird zwar die Erwartung
der meisten Beschauer nur in geringem Grade befriedigt worden
sein; wenn wir hinsichtlich der Komposition bemerken, daß die Dar-
stellung ebenso gut auf die bekannte Scene von „Joseph und Poti-
phars Weib" passen würde, ein Motiv, das wahrscheinlich seiner alt-
testamentlichen Ehrwürdigkeit halber von gewissen französischen und
anderen Malern der „religiösen Historie" mit besonderer Vorliebe
behandelt zu werden pflegt, so ist dies hinsichtlich der Auffassungs-
weise völlig genügend. Die Hauptsache — namentlich für Künstler
— bleibt ja hinsichtlich Mackarts die wunderbare Technik. Und
diese ist denn auch in der That außerordentlich. Zwar kann es
skeptischen Augen so Vorkommen, als ob, wenn man Fleisch nicht
wie die Natur es zeigt, sondern im Ton gelbgewordenen Elfenbeins
behandelt und alles Andere so tiefstimmt, daß eben nur dieses Elfen-
bein alles Licht in sich koncentrirt, der dadurch erzielte Effekt zwar
in tonaler Beziehung ein außerordentlicher wird, trotzdem aber die
ganze Effektuirung, eben weil sie aller Naturwahrheit in's Gesicht
schlägt, etwas wohlfeil erscheinen muß. Nichtsdestoweniger ist die
Wirkung, eine Wirkung voll harmonischer Kraft und Schönheit, da:
das soll keineswegs geleugnet werden. Und über den Reiz dieser
Wirkung übersieht Mancher die grundgemeine Haltung der Venus,
eine Haltung, die sich kaum für eine wollustglühende Aegypterin,
wie Potiphar's Weib, geschweige denn für eine Göttin eignen würde,
wenigstens als Motiv für künstlerische Darstellung

Diese Unterordnung des Motivgehalts unter die abstrakte Ko-
loritwirkung ist eine Tendenz, welcher leider theils durch die Ver-
ständnißlosigkeit des nur nach dem Neuen und Ungewohnten, be-
sonders aber nach pikantem Nervenreiz (statt rein ästhetischer Be-
friedigung) begierigen Publikums, theils durch die Reklame gewisser,
auf ihren wahren Vortheil (i. e. Geldbeutel) bedachten Kunst-
händler in höchst bedauerlicher Weise unterstützt wird, widerspricht
der echten Kunst, d. h. derjenigen Kunst, welche vor Allem auf
einen poetischen Inhalt ausgeht und diesen durch die edelsten, ein-
fachsten und in Zeichnung wie in Farbe charakterischsten Mittel zur
vollen Erscheinung zu bringen sucht. Wie eine blos in Harmonien

schwelgende Musik, ohne daß diese die Träger einer inhaltsvollen
Melodie sind, nichts weiter als Sinnen- und Nervenreiz bezwecken
kann, so ist auch die Malerei, die nur aus Harmonie, nicht auf
Melodie, d. h. auf ein poetisches Thema, als wesentlichen Zweck der
künstlerischen Darstellung hinarbeitet, wie berauschend auch ihre mo-
mentane Wirkung sein mag, gehaltslos und im strengeren Sinne
des Wortes unkünstlerisch.

Die Außerordentlichkeit solcher abstrakten koloristischen Wirkung
beruht übrigens nicht immer, wie bei Mackart, in einer übertriebe-
nen — übertrieben, weil der Natur widersprechenden — Wärme der
Tonstimmung, die übrigens, wenn sich der Künstler um äußere Wahrheit
der Formen und um innere Wahrheit der Konception nicht kümmert,
sondern sein ganzes Studium den Beziehungen der Tonwerthe wid-
met, leichter zu erreichen ist, als man gewöhnlich glaubt, sondern
— und das ist charakteristisch für dies virtuose Epigonenthum — ge-
rade auch in dem Gegentheil davon: Munkacsy, ebenfalls ein außer-
ordentlich begabter Künstler, liefert in seinen „Küchenpolitikern" den
Beweis dafür. Munkacsy ist vor einigen Jahren — irren wir

nicht, in Wien — mit einem Werke aufgetreten, welches seiner
außerordentlichen Drastik in der Charakterisirung des Motiv („Letzte
Stunden eines Verurtheilten") halber allgemeine Bewunderung er-
regte. Durch dies eine Bild ist er plötzlich in die vorderste Reihe
getreten und berühmt geworden. Jetzt malt er nur unbedeutende,
inhaltslose, prosaische Sachen, aber mit einer Virtuosität! Als ob
er zeigen wolle, daß man auch nach der entgegengesetzten Seite hin,
als Mackart, Außerordentliches leisten könne, braucht er fast nur
schwarze und graue Töne, weiß sie aber so zu behandeln, daß sie
eine bedeutende koloristische Wirkung machen. So ist Munkacsy
gerade das Gegenstück von Mackart; d. h. beide entfernen sich,
wenn auch in entgegengesetzter Richtung, von der wahren, echten,
innerlich erfüllten Kunst, um koloristische Kunststücke zu liefern. Beide
haben das Gemeinsame, daß sie durch das Außergewöhnliche, Nie-
dagewesene frappiren, Erstaunen erzwingen, Bewunderung abnöthi-
gen wollen, statt sich dem Kultus des wahren Kunstschönen zu
widmen. Bei Mackart kommt freilich außerdem die frivole Ten-
denz auf lüsterne Anspielungen hinzu, die, je weniger sie der Rea-
lität Rechnung trägt, desto verwerflicher erscheint.

Munkacsy's „Küchenpolitiker" sind zwei alte schmierige Weiber,
die sich in einer schmierigen Küche vermuthlich von ebenso schmierigen
Klatschereien unterhalten: das ist also ein würdiges Motiv für die
Kunst! Wir schätzen das niedrige Genre, wenn es wirklich auf
lebenswahre Charakteristik ausgeht — wir erinnern an den „Leier-
kastenmann" von Knaus als an ein wahrhaft künstlerisches Bei-
spiel — sehr hoch; aber hier ist von Charakteristik überhaupt keine
Rede. Es ist „famos" gemalt: das ist das Beste, was man da-
von sagen kann.

Einen eigenthümlichen, und, wie wir behaupten dürfen, höchst
erfreulichen Gegensatz zu beiden Farbenkünstlern bilden die nachge-
lassenen Skizzen H. v. Blomberg's, welche eine Fülle von Ideen
und poetischen Gedanken enthalten. Blomberg war eine vorwiegend
dichterische Natur; für seine malerische Begabung oder wenigstens
für die Fähigkeit der technischen Durchbildung war dies vielleicht
ein Hinderniß; er brachte es, trotz seiner feinen Farbenempsindung,
selten zu einer dem Gedanken adäquaten Vollendung seiner Kom-
positionen. Aber selbst die flüchtigsten Entwürfe zeigen einen Adel
 
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