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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0178

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der letztere sich dann weiter in den des „Sammlers" und
-„Händlers" hatte spalten können. Allein die Erwägung, daß
-es sich für uns gar nicht um die Art des Schaffens, son-
dern lediglich um die des Urtheilens handelt, und daß nach der
ersten Seite hin der Dilettant zwar in einem bestimmten Ver-
hältnis zum Künstler steht — denn hier ist er der sich praktisch
mit der Kunst befassende Kunstfreund —, führt nothwendig dazu,
ihn andrerseits, je nach der Reife und Vielseitigkeit seines Ur-
theils, durchaus einer bereits betrachteten oder auch einer noch

später zu betrachtenden Stufe einzureihen. Als „Dilettant" hat
er kein specifisches Urtheil, weil kein specisisches Interesse, son-
dern er urtheilt entweder als Laie oder als Künstler oder auch
(was oft zusammentrifft) als Sammler, nur vielleicht nicht als
Händler. Was sonst die Stellung des Dilettantismus betrifft,
so giebt es, je nach dem größeren oder geringeren Abstande vom
eigentlichen und echten Künstlerthum, darin eine unendliche Menge
von Abstufungen; und in dieser Hinsicht ist sein Wesen hier
nicht in Betracht zu ziehen. (Forts, folgt.)

Korrespondenzen

ünchen, Ans. Mai. (Ein Künstlerfest. Schluß.)
Das Festspiel begann mit einem Dialoge mehrerer
am Rathhausbau beschäftigter Maurer aus Bayern,
Schwaben und Oesterreich, welche ihre drastischen
Ansichten über den Werth und das bevorstehende
Schicksal des Neubaues austauschten, darin aber
durch den plötzlichen Zusammensturz des Werkgerüstes unterbrochen
wurden. Sie hatten sich kaum wieder aufgerafft, als in feierlichem
Zuge und unter den nervenerschütternden Klängen eines mit Kinder-
trompeten ausgeführten Festmarsches sämmtliche „Vereinsdiener" der
Kasandra nahten. Um die ganze Bedeutung dieser Scene zu erfassen,
muß man übrigens wissen, daß die höchste Würde, welche der Verein
der Kasandra verleihen kann, die eines „Vereinsdieners" ist.

An der Spitze der „Vereinsdiencr" schritt würdevoll die durch
Julius Köckert dargestellte Personifikation der „Kasandra" und
sprach einen von Dr. Theodor Heigl gedichteten Prolog. Sie
dachte der neugewonnenen Eintracht der deutschen Stämme und
mahnte die Künstler, die Eintracht auch in ihrem Kreise zu wahren.
An ihnen, die zum schönsten Wirken berufen, sei es ja,

dem neuen Reiche,

Das sich so mächtig im Turnier der Waffen wies,

Den schönem Friedenslorbeer zu erstreiten.

Drum soll nicht froh Gelag und lust'ger Schwank
Nur Eure Tafelrunde flüchtig einen:

Was dem Panier, dem Treu' Ihr zugesagt,

Ob Schinipf, ob Ehre bringt, das finde jederzeit
Zur Abwehr, wie zum Danke einig Euch!

Weiterhin erzählte Kasandra, wie sie auf ihrem Fluge nach
Neu-Athen durch manches Kasernen-Viertel gezoa:^, aber stets mit
Freude wieder gesehen, wie

In edlen Formen, fest und leicht zugleich

Das Rathhaus wuchs. Oft pries ich still für mich

Den frommen Meister, der so Schönes schuf.

Mir war ja wohl bekannt, wie oft dem Künstler
Bei seinem Werk das Auge feucht geworden:

Nicht war ihm freies Schaffen ja vergönnt.

„Das wird gestrichen", hieß es, „und das auch.

Was? Flach? Nichts ist zu flach uns! Kusch dich junger Mann!"

Doch sei trotz Kabalen und Abderitenweisheit das deutsche Werk
so schön gediehen und zeuge davon, wie reiche Schöpferkraft die Seele
seines Meisters fülle; und Mancher sei schon bereit gewesen, dem-
selben früher zugefügte Unbill abzubitten:

Da drängt auf's Neu' sich schellenlaut hervor
Unfehlbarkeitsgewiß Principien-Drechselei,

Kocht ein Gebräu von keckem Hohn und Spott
Und gießt die Brühe an die Wände,

Daß Alles rufen soll: Welch' schmutzig' Hans!

Der Gothik gelte jetzt der Kampf, der krausborstigen, über-
ladenen, hölzernen, barbarischen, unsrer fortgeschrittenen Zeit nicht
mehr angemessenen, nur für die Peter Arbuez noch passenden.

O gleißnerisches Pharisäerthum!

Wollt Ihr für Recht und Freiheit wahrhaft wirken,

Was liegt daran, ob flach, ob spitz das Dach?

Ich weiß noch wohl die Zeit, da in dem lieben München
Die griech'scheu Hallen aus der Erde wuchsen;

Und hing nicht mancher Zopf am dorischen Kapital?

Nachdem Kasandra Hauberisser den Abschiedstrunk dargebracht,
folgte des Künstlers Apotheose, in welcher außer ihm noch „Ba-
varia", das „münchener Kindt" und „Ganghofer", der Baumeister
der Frauenkirche, auftraten.

Bavaria kam, denn sie hat

hocherfreut vernommen,

Ein Bau entstand in München, meiner liebsten Stadt,

Wie er im ganzen Bayern kaum seinesgleichen hat:

In höchster Schöne, ruhig, ernst und heiter
Strebt er empor gleich einer Himmelsleiter,

Die starken Bögen leicht die Lasten tragend,

Die schlanken Pfeiler in die Lüfte ragend,

Die Formen edel überall, daß man
Von seinem Anblick kaum sich trennen kann.

Auf ihr Verlangen stellt das münchener Kindl den Baumeister
der Bavaria vor:

Aus unserm Nachbarland ist er, ein Schmerzenskind,

Doch sinnig, hochbegabt wie ihrer wen'ge sind.

Da ist er ja leibhaftig;

(zu Hauberisser) ach, wie schön,

Daß ich in diesem Kreise Dich gesehn.

O tritt hervor, Du großer, kühner Meister

(zu Bavaria)

Hier stell' ich Dir ihn vor; Herr Hauberisser heißt er.

Bavaria möchte indeß ihn und den alten Ganghofer beisammen
sehen und ruft ihn aus seiner Gruft herauf. Das münchener Kindl
aber weiß ihnen viel davon zu erzählen, wie übel man Hauberisser
mitgespielt.

Als er sein Werk begann, mein Gott, da ging's ihm schlecht;

Er ward vom Kritiker-Pack verdonnert und verpecht.

Mußt' sich gefallen lassen gar vielen Hohn und Spott,

Ein Jeder tadelte und schimpfte — lieber Gott,

Ich will es nur gestehn, ich stimmte selbst mit ein.

Ein Kind war ich von je und werd' es ewig sein.

Doch als man ihm genug die Haube 'runtergerissen
Da regte endlich sich in Allen das Gewissen,

Denn überwältigend in seiner stolzen Pracht
Stand da das große Werk, das er vollbracht.
 
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