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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0214

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201

Kunstkritik.

Die Ausstellung iler Jolikurrcn-L-SkiLrcn Zum Goelke-Derckmrü in Berlin.

(Fortsetzung.)

V.

n den übrigen, mit stehender Figur aufgefaßten Mo-
dellen haben wir noch Eins oder das Andere im
Besonderen zu erwähnen. Nr. 39. Schmidt's
Goethe hält, mit dem Zeitkostüni bekleidet, eine
Schreibfeder in der Rechten; ba§ quadratische, an
den Ecken abgekantete Piedestal ist ganz schmucklos;
Nr. 41. Dorn denkt sich seinen Goethe als
recitirenden Dramaturgen; die Reliefs auf dem
runden, unten mit achteckigem Sockel abschließenden
Piedestal sind vollkommen unverständlich. — Eine größere Originalität
als die meisten bisher erwähnten zeigt die Skizze Pohle's. Das
Piedestal ist als Brunnen projektirt. Der Unterbau, in dessen Mitte
sich dasselbe als ein an den Ecken abgestumpftes Quadrat erhebt,
hat eine durch Einbiegung der Seiten und gradlinige Abkantung der
Ecken mannigfaltige Form. Die Ecken sind durch die Figuren von
„Gretchen", „Faust", „Iphigenie" und „Götz von Berlichingen"
belebt, zwischen denen am Körper des Piedestals Reliefs: „König
von Thule", „Fischer", „Heideröslein" und „Psyche, welche dem
Dichter den Kranz darreicht", angebracht sind. Die Wahl dieser
Motive kann insofern als eine glückliche bezeichnet werden, als sie
das Streben nach Versinnbildlichung der populärsten Gestalten der
Goethe'schen Muse bekundet. Die Hauptfigur ist in sinnender Haltung
dargestellt; die Gestalt stützt sich, die Hände gefaltet, den Kopf ge-
senkt, mit dem Ellenbogen auf den Kopf einer antiken Herme, welche
die volle Last des Oberkörpers zu tragen hat. Wenn wir auch
durch diese Haltung das mehr der objektiven Welt und ihren realen
Erscheinungen zugewandte als in sich gekehrte oder gar grübelnde
Wesen des Goethe'schen Genius nicht gerade am adäquatesten cha-
rakterisirt finden können, so dürfen wir doch nicht verkennen, daß
der Gedanke, den der Künstler in dem Denkmal versinnlichen wollte,
sich mit vollkommener Klarheit und Einfachheit ausspricht. Ueber-
haupt ist schon dies anzuerkennen und hochzuschätzen, daß bei der
Entwerfung der Skizze nicht blos äußerliche Reflexion und beliebige
Kombination, sondern eben ein einheitlicher Gedanke als gestaltende
Idee leitend gewesen ist.

Nr. 43. Brodwolf scheint, beim ersten Anblick seiner Skizze,
von einem ähnlichen Gedanken ausgegangen zu sein, aber dieser
Schein verschwindet bei näherer Betrachtung. Nicht das Sinnen,
welches als allgenieiues Wesen des Charakters gefaßt werden kann,
sondern lediglich ein auf einen vorübergehenden Zeitmoment be-
schränktes Nachdenken über einen bestimmten Gedanken, zu dessen
Niederschreiben schon die Hand bereit ist, ist hier dargestellt: und
das ist durchaus unmonumental, weil es statt eines universalen Aus-
drucks einen blos zufälligen, momentanen zur Erscheinung bringt;
mit demselben Rechte könnte Goethe als Archäologe oder als Natur-
forscher oder im Gespräch u. s. f. aufgefaßt werden. Alle solche
Specialitäten verwischen das Gepräge der Universalität, welches
solchem Monument nothwendig aufgedrückt werden muß. Das
Piedestal ist rund und auf drei Seiten mit Figurengruppen um-
stellt, deren Bedeutung ebenso wie die dazwischen am Körper des
Piedestals angebrachten Reliefs durchaus problematischer Natur sind.
Ueberhaupt, wenn eine unter den vielen Skizzen Produkt blos ver-

ständiger Kombination ist und in Folge dessen den Beschauer ganz
kalt läßt, so ist es dieser Entwurf.

Sehr originell ist Arnold's (Nr. 44) Entwurf. Das Piede-
stal ist als ein quadratischer, an den Ecken abgekanteter antiker Altar
gedacht, der mit Blumenguirlanden und Palmen geschmückt ist. Auf
diesem erhebt sich die etwas theatralisch gehaltene Figur. Während
die Finger der linken Hand zwischen den Seiten eines Buches ruhen
hält die Rechte den Griffel bereit, die Gedanken niederzuschreiben-
und stützt sich, den herabsinkenden Mantel haltend, auf die Hüfte.
Ganz eigenthümlich, aber nicht ohne bedeutende, wenn auch mehr
malerische als plastische Wirkung ist die Ornamentirung des Posta-
ments. Vor demselben nämlich steht ganz frei die Figur der „Poesie",
welche, zu dem Dichter emporgewandt, ihm die Kränze zu Füßen
legt, welche Psyche zu winden im Begriff ist. Das Malerische der
Wirkung, was, wie wir besorgen, bei der Ausführung im Großen
als unmonumental erscheinen möchte, liegt darin, daß die bei einem
Piedestal, da es außer seiner Bedeutung als Untersatz der Figur wesent-
lich architektonisch-dekorative Bedeutung hat, in Frage kommenden
Gesetze symmetrischer Anordnung der siguralen Ornamentation völlig
über den Haufen geworfen sind. Dennoch macht das Ganze — in
dieser Dimension wenigstens — einen nicht blos anziehenden, sondern
auch bedeutungsvollen Eindruck. Ja, es wäre die Frage, ob an der
gewählten Stelle — in freier Natur, zwischen Bäumen und Blumen-
anlagen — das Denkmal, auch bei der Ausführung im Großen,
doch nicht vielleicht eine gute Wirkung machen würde.

Nr. 47. Müller hat ein sechseckiges Piedestal projektirt mit
drei sitzenden weiblichen Figuren, zwischen denen aus Blumenkelchen
hervorsprießende Seejungfern sich über den Nischen, in denen jene
sitzen, die Hände reichen. Hier ist, wie uns dünkt, der archi-
tektonischen Symmetrie zu viel Koncession gemacht, wozu gehört, daß
die Sockel der Seejungfern im Halbrund abschließen. Die Figur
zeigt in der Gewandung jenes „hölzerne Eisen", das wir bereits
in der Einleitung tadelten, nämlich einen antiken Mantelwurf über
einem Bratenrock im Zopfstyl des vorigen Jahrhunderts, wozu denn
die Lyra im linken Arm sich wunderlich genug ausnimmt.

Nr. 48. Silber naget zeigt uns, wie Beer, einen dociren-
den Professor auf viereckigem, mit Pilastern belegtem Piedestal, an
den Seiten je eine Figur: das Ganze macht einen nichtssagenden
Eindruck.

Nr. 49. Pohlmann's Skizze zeigt viel Bewegung. Das
viereckige Piedestal ist durch sitzende Figuren der „Lyrik", „Dra-
matik", „Epik" und „Alterthumswissenschaft" in guten Verhältnissen
geschmückt. Die Hauptfigur hält in der Linken eine Rolle, während
die Rechte perorirend erhoben ist. Der Mantel bedeckt die linke
Schulter und läßt die rechte frei, ein Motiv, das zu einem glück-
lichen linearischen Arrangement Anlaß gab.

Von den beiden nummerlosen Skizzen Neuberg's und Heese's
zu sprechen, müssen wir uns entbinden. Wenn der Satz difficile est
satiram non scribere jemals eine Anwendung fand, so ist es nament-
lich bei der Skizze des letztgenannten Künstlers, deren Charakteristik
sich der ernsthaften Kritik durchaus entzieht.

Werfen wir jetzt noch einen Blick auf die bisher übergangenen
Denkmalsentwürfe, bei denen die Hauptfigur als sitzend gedacht ist.

(Fortsetzung folgt.)
 
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