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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Unus, Walther: Julius Hüther - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0026

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Julius Hüther-München.

Höchstens eine Nebengruppe, etwa ein paar
Pferde, stürmten dahin, fast nur, um die herbe
Geste der Hauptfiguren recht zu heben. Die
Maltechnik entsprach vollkommen diesem gei-
stigen Inhalt und wandelte sich allmählich in
völliger Einheitlichkeit mit ihm. Das skulp-
turale Element löst sich in erhöhter Lichtkraft
auf, in Süßigkeit und Leichtigkeit der Farbe.
Die erhöhte Beachtung des Raums gilt nicht so
sehr dem Genuß des früher für allgemein selig-
machend gehaltenen Raumgefühls, sondern dem
Daseinsgefühl, was für die veränderte Nuan-
cierung des Menschen der Kunst gegenüber
wichtig ist. Dazu galt es für ihn in der ersten
Periode, die ausdruckvollste Form der Mensch-
heitinden Armen,Gedrückten,Schmerzerfüllten,
Verzagten, in der zweiten die derjenigen zu
wählen, die sich mit dem Leben trotz allem
abzufinden suchen: die Zweifelnden, die Suchen-
dsn der Jugend, die tapferen Proletarier. Wir
zögern nicht mit dem Bekenntnis, daß die
Seelenschilderung manchmal an das Hell-
seherische grenzt. Heute nehmen seine Men-
schen das Dasein als Geschenk des Himmels,
sie genießen es dankbar, still, freudenvoll.

Hüthers Kunst hat sich stets im engen An-
schluß an die Naturbeobachtung entwickelt.
Trotzdem ist von Anfang an — wie in aller
guten bildenden Kunst — ein starkes, expres-
sionistisches Element in ihr regsam gewesen,

insofern er nicht nur in der Flüchtigkeit der
Erscheinung ihr Wesentliches zu erfassen ver-
meinte und der Darstellung seelischer Zustände
Opfer zu bringen wußte. Dadurch gehört Hüther
ganz dem Ausdruckswillen unserer Zeit. Auch
die großen Kunstzeiten der reifen Gotik und
des Barock kennen das Nebeneinander von
rücksichtslosem Realismus und einem geheim-
nisvollen Vertrauen auf unbekannte Mächte,
die an die zweifellos wahre Wirklichkeit des
Daseins unmittelbar angrenzen. Daher zugleich
die Unstimmigkeit wie auch die Größe dieser
Kunstschöpfungen und ihr Schicksal, längere
Epochen hindurch völlig mißverstanden zu
werden. Bei Hüther haben sich beide Kom-
ponenten sogar mit den Jahren aneinander
gestärkt und gerade das ist ein Zeichen für
die Kraft des Künstlers. Seine Bilder sind
heute zugleich wirklicher und mysti-

scheralsje.............walther dnus.

Ä

Woher soll Neues, Untraditionelles ent-
stehen, wenn nicht aus dem starken
Eigenwillen der Jugend; woher sollen Kunst-
werke kommen, wenn nicht aus der Sehnsucht
und der Not des Einzelnen, zu blühen und
Frucht zu tragen? Jede gesunde Entwicklung
bedarf nichts notwendiger wie ihres Kraft-
überschusses, der kaum groß genug bemes-
sen werden kann............ h. de fries.

JULIUS HÜTHER-MÜNCHEN. »STILLEBEN«
 
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