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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Lange, G.: Hermann Geibel - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0118

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Hermann Geibel-München.

ganz wiedergebe, die
Schenkel werden voll
über das normaleMaß,
um säulengleich wuch-
tig zu wirken. Hier
wird das Expressio-
nistische der Kunst
am deutlichsten. Aber
Geibel ist nicht nur
Expressionist, oder
kein gewöhnlicher Ex-
pressionist. Seine
weiblichen Körper
sind schön, fast klas-
sischschön. Die Natur
scheint in den höch-
sten Werken, bei-
spielsweise in einer
„Erwachenden", die
in keuscher Nacktheit
gelagert ruht, ihre
Augen aufzuschlagen.
Es ist zu hoffen, daß
Geibel, rein sein Inner-
stes aussprechend, auf
den Punkt gelangt, wo
Subjektives und Ob-
jektives unbedingt zu-
sammenfallen und eine
neue große zukünftige
Natur entsteht, allge-
meingültig wie jene
alte andere Natur.
Dann wäre der Weg
zum Dramatischen zu-
rückgelegt. Und Gei-
bel ist Plastiker durch-
aus — auch seine
Zeichnungen sind un-
erhört körperlich —
wie denn alle seine
Werke Rundplastik
sind, oft von der Seite
und vom Rücken be-
sonders bedeutsam.
Der Plastiker aber
wird sich nicht mehr
begnügen mit der Wie-
dergabe einer vor-
überhuschenden Stim-
mung. So dringt denn
Geibel vor von der
ganz augenblicklichen
Bewegung einer lie-
genden Frau, einer
umarmenden Geste,
über den Tanz der

HERMANN GEIBEL—MÜNCHEN. BRONZE »TÄNZERIN«

höchst einheitlichen
„Tänzerin" (ausBron-
ze) hinaus, die gedreht
fast die Illusion des
Tanzes erweckt (zum
Ruhme des Werkes?)

— die Vorstudien lie-
gen in den Zeichnun-
gen vor —- zu der
Bewegung überhaupt,
dem Durst und Drang
und Trieb dem Auf-
schrei in seinem mäch-
tigen Frauen - Torso.

— Wenn hier zwar die
Gewähr gegeben ist
für Geibels fortstür-
mende Kraft, die ihre
Grenzen immer zer-
bricht, um sie weiter
zu setzen, ist doch
sein vollkommenstes
Werkeben jene „Sap-
pho", in Kalkstein ge-
bildet , bei der alle
Bewegung wieder ge-
bunden ist, alle Kräfte
harmonisch in einan-
der fließen, um so eng
begrenzt doch auszu-
strahlen in das Un-
endliche. Diese Figur
schafft eine Atmo-
sphäre um sich, eine
rechteckige Halle, vor
deren einer Schmal-
seite sie stehend den
Raum vor ihr mit Le-
ben erfüllt, indem sie
uns gleichsam entge-
genschreitet. — Was
für ein Gedanke, daß
so derBaumeisterfort-
bildete des Bildhauers
Werk! Ist doch die
höchste Wirkung der
Kunst, f ortzuzeugen in
dem andern Künstler.
Wunderbare Gemein-
schaft, in der Musi-
ker, Maler und Bild-
hauer sich in das Erbe
des Dichters teilten!
Glücklicher Staat, in
dem die Kette der
Schaffenden geschlos-
sen ist! DK. G. LANGE.
 
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