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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

DOI Artikel:
Ritter, Heinrich: Die Kunst und ihr Publikum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0198

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Die Kunst und ihr Publikum.

ist tragisch belastet, irdisch
schwer, in ihrem Lebensgefühl
schuldvoll und gehemmt. Und
so gibt es in jeder Epoche nur
einen Weg, das Ewige der
Kunst auszusprechen: den
Weg der Zeitkunst. Die Zeit
schenkt ihre Liebe und Kraft
jedesmal nur einer bestimm-
ten Kunstweise. Sie stattet
diese mit dem höchst partei-
ischen Vorrecht aus, daß sie
allein Ausdrucksträgerin ist
und daß außerhalb ihrer alles
Ohnmacht, Geschmäcklertum,
Epigonentum sein muß. Jede
Zeit ermächtigt eine bestimmte
Auslese von Gedanken und
ästhetischen Anschauungen,
das Höchste an Gebilde zu
verwirklichen. Die Entwick-
lung der Kunst bewegt sich
zwangläufig mit der umsturz-
reichen Entwicklung des Men-
schengeistes. Nur ein Träu-
mer, nur ein Mensch, der keine
Ahnung von dem Lebens-
gehalt der Kunst hat, vermag
den Gedanken zu denken, daß
die Kunst unergriffen bleiben

KIJUM'I.ASTIK »JUNGKS MÄDCHEN«

müsse von all dem wissen-
schaftlichen, technischen, so-
zialen, geistigen Umsturz, den
wir im 19. Jahrhundert sich
vollziehen sahen. — Der oft
gehörte Einwand, es handle
sich in der Kunst nicht um
Richtung, sondern um Qua-
lität, stützt nur, was hier ge-
sagt wird. Es ist das offen-
bare Geheimnis alles Kunst-
werdens, daß überwundene
Kunstweisen keine Qua-
lität mehr hervorbringen
können; wenigstens nichtQua-
lität im letzten, tiefsten Sinne
von künstlerischer Lebensent-
rätselung. So gibt es heute,
zehn Jahre nach Entthronung
des Impressionismus, freilich
noch Impressionisten. Sie ar-
beiten weiter, vielleicht nicht
schlechter als früher. Aber
als Bewegung ist der Im-
pressionismus ausgeschöpft.
Zur Not und zum Drang des
Augenblicks hat er nichts Ent-
rätselndes oder Erlösendes
mehr zu sagen. Er ist histo-
risch geworden, wie die Rea-

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BEGUIN.
 
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