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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Ewald, Reinhold: Piero della Francesca: anlässlich der 500jährigen Wiederkehr seines Geburtsjahres
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0252

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Piero della Francesca.

fassender wie das des Giotto: Von derUrmythe
des Todes des Adam und der Pflanzung des
Kreuzbaumes bis in die nachchristliche Zeit des
Kaisers Konstantin und die Rückführung des
Kreuzes über prunkhafte Symbole der Kaiserin
Helena und der Königin von Saba zum Sieg des
Christentums in den Schlachtenbildern.

Der hohe Raum des Chors bedingt glücklich
ein Über- und Nebeneinanderordnen derThemen.

Zum ersten Male tritt hier ein Maler auf, —
und das scheint im Hinblick auf unsere Zeit emi-
nent wichtig, — der die absoluten Mittel der
spezifisch malerischen Kunst restlos beherrscht,
der zugleich deren Anwendung in den verschie-
densten Gesichten schafft.

Erst durch den wiederholten Vergleich der Bil-
der untereinander kommt einem die Erkenntnis.

In asiatischer Wut brennt eine Schlacht, nicht
aber, daß wütende Menschen wütend auf-
einander losgingen und psychologisch richtig
nachgebildet wären, nein — das formale Ge-
bilde, das Piero für die Schlacht erfindet, wogt
diagonal von einer Bildecke in die andere, von
vorne in die Tiefe, stößt sich, keilt sich, ballt
sich, verfängt sich, ringt in der Form, bis es
rechts und links sich beruhigt wie der Schluß-
satz der Matthäuspassion des Bach. Es kommt
zum ureigensten Beweis absoluter Form: Zwei
ineinandergefrorene Krieger erdolchen sich mit
lächelnd grinsenden und teilnahmlosen Gesich-
tern, das Psychologische der Situation an sich
verschwindet ganz, geht unter und entsteht zu-

gleich doch wieder in dem, was es für Malerei
wichtig macht, in der Geste der Form.

Der Vorsatz, eine Schlacht zu malen, erzeugt
bei ihm schwarz-, caput mortuum- und blauweiß
angestrichene Ballen von Pferdeleibern, rote
nackte Krieger mit einer Wirkung, die an modern-
ste Farbauseinandersetzungen erinnert, schwarz
durchreißende Kriegsstandarten und giftgrün
aufzuckende Panzerungen wie Kupferdächer.

Ganz anderes Gesicht bei dem Bilde der
Königin von Saba: Wohlige blaue und harmo-
nisch rote Fluten der Gewänder schreiten mit
einer Formgeste von Stolz, Anmut und Größe
in königlichen Jungfrauen beruhigt vor gold-
grünen Oliven und lichtestem, schönsten Blau
des Himmels mit Bergen rhythmisch verbunden.
Groß und verklärt wie ägyptische Königinnen.

Bei dem Tod Adams : Windstille, in der Mitte
der große, mit den Ästen greifende Baum, rechts
und links feierliche stille Größe in der Mitte
der Massen, dicht daneben in der Stille und vor
dem Baum die Geste des formalen Schrei's.

Bei der Kreuztragung die unabänderliche
Schwere und Wucht des breiten Kreuzbalkens,
der das Gegenstemmen der Menschen einzwängt,
sie zermalmend in die Ecke des Bildes drängt
unter geisterhaft erregten Wolken in der Leere
des Weltalls.

Das Feierlichste: Die Wache beim schlafen-
den König mit der lichten Vision in ruhig feier-
licher Stille. In bewußtem Gegensatz zu den
anderen Bildern, in denen die Erfindung der
 
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