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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Schneider, Otto Albert: Maurice de Vlaminck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0286

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Maurice de Vlaminck.

MAUKICE DK VLAMINCK.

» ST KASSEN ECKE« BKS: O. SCHÜLER-BOCHUM.

lebendig. Mehr als aus den anspruchsvollen
Symbolismen expressionistischer Phantasten
spricht aus ihr das geheimnisvolle Wesen, das
hinter der elementaren Sichtbarkeit steht. Es
gibt heute kaum einen Maler, der die düster
drohende Stimmung eines heraufziehenden Ge-
witters so suggestiv festzuhalten verstünde, der
die prachtvolle Fülle eines blühenden Gartens,
die sonnenweiße Einsamkeit eines Platzes, den
Schimmer weich spiegelnden Gewässers so un-
mittelbar, so zwingend Erlebnis werden ließe.
Immer fühlen wir, wie die Seele der toten
Dinge durch die farbige Erscheinung hindurch
sprechend geworden ist, wie so eine Mauer
nicht für sich dasteht als ein Zufälliges, wie sie
sich organisch eingliedert in das Sein um sie
her, Leben hat vom Leben der Erde, der Luft,
der Bäume, die sie umschließt, wie eines nicht
sein kann ohne das andere. Wie alles mit Not-
wendigkeit sich zusammenschließt zu einer kos-
mischen Einheit, der als sinnlicher Erscheinung
ein ihr immanentes Übersinnliches, Größe,
höhere Gesetzlichkeit verleiht.

Ich stehe nicht an, es hinzuschreiben: Vla-
mincks Werk hat heute schon klassische Be-

deutung. Eine außerordentlich glückliche Mi-
schung von romanischer Augenempfindlichkeit
und germanischer Gefühlstiefe befähigt ihn zu
Leistungen, die in der Landschaftskunst unserer
Tage in solcher Reinlichkeit selten sind. Der
Künstler hat in diesen letzten Jahren viel Be-
achtung gefunden. Die Preise seiner Bilder sind
gestiegen, aber im Verhältnis zu ihrer Qualität
immer noch angemessen, wenn man die Markt-
preise im allgemeinen vergleicht. Eine Gefahr
für Vlaminck wäre, daß ihn diese günstige Kon-
junktur zum Mißbrauch seiner fraglos leicht,
aus der Überfülle eines kraftstrotzenden Tem-
peraments heraus schaffenden Begabung ver-
locken könnte. Daß seine farbig reiche, das
Gegenständliche groß zusammenfassende Kunst
sich veräußerlichen, entarten könnte zu virtuo-
sem Manierismus. Immer wieder wird ihm die
Natur, in der er mit beiden Beinen steht, deren
farbigen Abglanz er mit wahrhaftigen und starken
Sinnen als „Leben" begreift, die Quelle sein,
aus der ihm neue Kraft fließt, die ihm das Auge
gesund, die Hand widerstandsfähig erhält gegen
die Verlockung, einem billigen Atelier-Schema
dienstbar zu werden. . . otto albert Schneider.
 
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