Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

DOI Artikel:
Osborn, Max: Ein Landhaus von Bruno Paul: Haus Herz in Dahlem bei Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0309

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MMMi

MODELL: BILDHAUER BLAZEK.

»SUPRAPORTE IM ESSZIMMER«

EIN LANDHAUS VON BRUNO PAUL.

HAUS HERZ IN DAHLEM BEI BERLIN.

Ich glaubte, in ein Bild von Van Gogh hinein-
zugehen. Unter lichtblauem Sommerhimmel
ballten sich die Baumkronen des Grunewalds
zusammen, und aus dem satten Grün leuchtete,
ja schlug und flammte das entschlossene Gelb
der Villenfassade mir entgegen, gekrönt vom
heiteren Grau des hohen Ziegeldaches. Ein
Haus von Charakter, das strahlend und lebens-
froh sich in die Landschaft bettete.

Dann, als ich näher kam, erkannte ich an
der Familienähnlichkeit sofort das Geschlecht,
dem es angehört. Wer im architektonischen
Werke Bruno Pauls Bescheid weiß, kann über
die Herkunft dieses Gebäudes nicht zweifelhaft
sein. Breit und wohlig hingelagert die Front
mit ihren neun Fensterachsen, von gemessener
Ruhe, in die der ein wenig vorgezogene Mittel-
risalit freundliche Bewegung bringt. Die Strenge
der Anordnung gemildert durch die anmutig
leichten Bogenlinien, mit denen sich das Man-
sardengeschoß gegen die Luft abhebt. Die Fülle
der nicht zu großen Fenster erzählt von Behagen
und lädt den Ankömmling gastlich ein.

Rechts und links von der sorgsam geschorenen
Rasenfläche, die dem Eingang vorgelagert ist,
und um die sich die hübsch geführte Linie der
Anfahrt zieht, erheben sich zwei kleine Vor-
bauten. Niedriger als das Landhaus selbst, das
sie in jeder Hinsicht vorbereiten. Zwei Diener,
die vor ihrem Herrn Aufstellung genommen
haben und seine Livree tragen. Eine Erinnerung
taucht auf an die Anlage der französischen
Hotels der Barockzeit. Hat man die Gittertür
hinter sich, so fühlt man sich sogleich von Ar-
chitekturteilen umgeben, gleichsam eingehüllt
und behütet. Man ist standesgemäß empfangen.
Und zwischen Chauffeur- und Gärtnerwohnung

schreitet man den jonischen Säulen zu, die die
Haupttür flankieren.

Diese Säulen stehen dort nicht zufällig. Sie
deuten auf eine klassizistische Neigung, die sich
im Hause selbst mit der niederdeutschen
Schlichtheit seines Wesens verbindet. Hier lag
offenbar eine besondere Geschmackstendenz
der Besteller und Bewohner vor, und mit be-
hutsamem Gefühl arbeitete der Künstler sie in
seinen Plan hinein. Das kunstfreundliche Paar,
das sich dies Haus erbauen ließ, in der Berliner
Künstlerschaft wohlbekannt, zumal dem älteren
Sezessionskreise durch vielfache persönliche
Beziehungen verknüpft, liebt Möbelstücke des
späteren Empire, die klaren Linien ihrer archi-
tektonischen Umrisse, ihren reizvollen Wechsel
von Holzfarbe und Vergoldung, die reife Kultur
ihrer ganzen Art, die Festlichkeit und Wohn-
lichkeit zu verschmelzen weiß. Überall in den
Räumen verstreut findet man solche Einzel-
heiten. Runde Tische mit Bronzerand und
Bronzeteilen an den Füßen, die französisch
sprechen. Behäbige Schränke mit ausdrucks-
vollem Gesims und gravitätische Sofas, die uns
schon mehr in der deutschen Mundart anreden.
Und in der Halle zwei prachtvolle Wandtische
mit Spiegelaufbau, die sich italienisch ausdrücken
— Reste des mütterlichen Hausrats der aus dem
Rheinland stammenden Herrin. Diese kost-
baren Zierstücke , die sich für diesen Vorraum
empfahlen, gaben den Takt für seine Ausge-
staltung an. Bruno Paul setzte je zwei dorische
Säulen, auf die wir nun durch die Ionier draußen
schon vorbereitet sind, rechts und links als
Gebälkträger an das Ende des rechteckigen
Raumes. Links, wo die Zimmereingänge liegen,
füllen sie dieEcken; rechts flankieren sie schinkel-

XXIII. September 1920. 4
 
Annotationen