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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 25): Baudenkmale in Niedersachsen: Landkreis Soltau-Fallingbostel — Braunschweig, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.43924#0169
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BOMLITZ

Die heute aus fünf Ortschaften bestehende
Gemeinde nördlich von Walsrode ist erst 1929
gegründet worden. Sie besteht namentlich aus
sechs Ortsteilen, von denen fünf aus alten
Bauernschaften und verstreut liegenden einzel-
nen Hofanlagen hervorgegangen sind, die
zumeist in den Erbregistern des 17.Jh. erwähnt
werden.
Der namengebende Ort Bomlitz am gleichnami-
gen Fluss ist untrennbar mit den heute noch das
Ortsbild beherrschenden Industrieanlagen
verbunden. Ausgangspunkt der Entwicklung zu
einer Gemeinde mit heute ca. 7.500 Einwohnern
war eine seit Beginn des 19.Jh. zunächst durch
Wassermühlen betriebene Pulverfabrik, der
1883 eine neu geschaffene Gutsanlage für die
Bearbeitung der zu Stauzwecken aufgekauften
Ländereien angegliedert war. Der gewerblich
und landwirtschaftlich genutzte Gutsbezirk
vergrößerte sich ständig. Nach seiner zwangs-
weisen Aufhebung wurde 1928 ursprünglich auf
u.a. Westerharler und Uetzinger Gebiet die
Gemeinde Bomlitz gegründet. Diese bestand
zunächst wohl aus ca. 800 Einwohnern, die
größtenteils in der Fabrik beschäftigt waren.
1968 schlossen sich die Orte Benefeld, Borg-
Cordingen und Uetzingen der Gemeinde an. Im
Zuge der Gebietsreform 1974 kamen noch
Ahrsen-Jarlingen und Bommelsen-Kroge hinzu.
Vom Zentrum des Ortes ausgehend werden in
Richtung Norden und Osten riesige Flächen von
Fabrikanlagen eingenommen, die bis in das
benachbarte Benefeld reichen. Als Hauptarbeit-
geber dieser Region hat die Fabrik die bauliche
Entwicklung aller Ortsteile entscheidend beein-
flusst, u.a. auch durch die Schaffung von Wohn-
stätten für die vielen Arbeiter und Angestellten.
Den Siedlungskern von Bomlitz bildete
ursprünglich eine zwischen Benefeld und West-
erharl gelegene, 1681 erstmals konzessionierte
Papiermühle, die von der Wasserkraft der
„Bommelse“ (der kleinen Böhme), heute
Bomlitz, angetrieben wurde. Nachdem die
verwaiste Mühle 1815 zur Pulvermühle umge-
wandelt worden war, nahm die Produktion nach
der alleinigen Übernahme durch den Walsroder
Kaufmann Wolff ab 1824 ihren Aufschwung. Es
entstanden daraufhin entlang der Bomlitz eine
Anhäufung von Pulvermühlen (1849 gab es
bereits zehn, die aber schon 1873 wieder abge-
brochen worden sind).
Die Lage der Siedlung an dem kleinen Fluss,
der, aus der höheren Heide im Norden
kommend, nach teilweise begradigtem aber
südlich von Bomlitz noch stark mäandrierendem
Verlauf in die Böhme mündet, wurde lange Zeit
markiert durch das sog. Papiermacher-Wohn-
haus, das 1905 evtl, nach einem Feuer abge-
brochen worden ist. Später entstand hier an
gleicher Stelle ein repräsentatives Gutshaus
durch den damaligen Wolff'schen Hausarchitek-
ten Theodor Fusch aus Hannover, nachdem der
Vorgängerbau bereits 1872 durch einen schlich-
ten, zweigeschossigen Anbau erweitert worden
war, Am Gutshof 10. Das frühere Guts- und
Gästehaus mit Casino und heutige Ausbildungs-
stätte befindet sich am Rande der Böhme im
Norden des sog. Altwerkes und in unmittelbarer
Nähe zu den Fabrikgebäuden. Es wird von dem

mit 70 Metern höchsten Schornstein auf dem
Gelände fast bedrängt. Gegenüber befinden
sich noch zahlreiche Wirtschaftsgebäude der
Gutsanlage an der alten Straße nach Wester-
harl. Der repräsentative zweigeschossige Ziegel-
bau weist eine städtische Formensprache auf.
Der Hauptbaukörper mit verputztem Oberge-
schoss wird von traufseitigen Mittelrisaliten
sowie kleineren Vorbauten und Dächern geglie-
dert. Das zeitgenössische zurückhaltende Putz-
dekor, die ausgeprägte, vielfach abgewalmte
Dachform sowie die im Zuge der Fassadensa-
nierung von 1990 erneuerten Sprossenfenster
lassen das Gebäude unverändert erscheinen.
Der ältere, bereits im städtischen Wohnhaus-
charakter zweigeschossig errichtete Anbau ist
1905 durch eine Putzfassade und einen verän-
derten Giebel in Renaissanceformen an den
Neubau angepasst worden. Diese Formenspra-
che findet sich in vereinfachter Form auch an
späteren Giebeln des selben Architekten im
Zentrum von Bomlitz wieder.
In der 2. Hälfte des 19.Jh. wurde, entsprechend
der rapiden Entwicklung der gesamten deut-

schen Industrie, hier insbesondere auch
aufgrund der Entwicklung der Dampfmaschine
(1873/74) eine Produktionssteigerung möglich,
die 1891 zum Bau einer Pulverfabrik für Jagdpa-
tronen und Schießpulver führte. In diesem Zeit-
abschnitt der großen technischen Erfindungen
und Weiterentwicklungen wurde bereits ein
großes Areal zwischen Benefeld und Westerharl
an der Bomlitz von den entstehenden Industrie-
anlagen eingenommen. Die Absatzmärkte für
das hergestellte Kriegsmaterial bzw. die aufbe-
reiteten Rohstoffe waren seit dem frühen 19.Jh.
bereits Mittel- und Südamerika, später Afrika,
Südostasien und zuletzt bis zur Jahrhundert-
wende China, die über Verschiffung im Hambur-
ger Hafen erreicht wurden. Die Umstellung der
Produktion von der Dampfkraft zur Elektrizität
ermöglichte seit 1913 einen weiteren Wachs-
tumsschub der Fabrik, die schon ab 1912 für
den Mobilmachungsfall produzierte. Während
des Ersten Weltkrieges wuchs die Zahl der
Belegschaft von weniger als 600 auf 2800 an.
Damit einher ging eine neuerliche Erweiterung
der Produktionsstätten, die aufgrund einer
Explosion nach Norden verlegt wurden; u.a.


Bomlitz, Preuß. Landesaufnahme, 1897 (Landesvermessung und Geobasisinformation Niedersachsen)

Bomlitz, Am Gutshof 10, Gutshaus, um 1905


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