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kleidete, siebenachsige Fachwerkbau über dem
mittigen Eingang mit Freitreppe ein frontispizarti-
ges mittiges Dachhäuschen. Die Giebel- und
rückwärtige Traufseite sind horizontal verbrettert.
Unter den meist zweigeschossigen Wohn- und
Geschäftshäuser in der Poststraße fällt Nr. 2,
trotz modernem Ladeneinbau im Erdgeschoss,
durch die typisch klassizistischen Gestaltungs-
merkmale horizontal verbretterter Fassaden auf,
wie u.a. durch einen mit Lisenen angedeuteten
Mittelrisalit unter Frontispiz und Dachhäuschen.
An den wahrscheinlich in der 1. Hälfte des
19. Jh. auf dem schmalen Dreiecksgrundstücks
am Kreuzungsbereich Post-, Markt- und Wil-
helmstraße errichteten Fachwerkbau schließt im
hinteren Bereich ein dreigeschossiges Ziegelge-
bäude in expressionistischem Stil von 1910/20
an (Mühlenstraße la). Es setzt sich aus zwei,
dem spitz zulaufenden Grundstück angepass-
ten Gebäudeflügeln unter Walmdach zusam-
men. Die horizontale Gliederung der Sockelzone
sowie der dreieckige Abschluss von Fenstern
und Türen mit entsprechenden Ziegelsetzungen
in der Beletage ist besonders ausdrucksstark.
Nachdem die Vorstadtbereiche ab 1843 nach
Soltau eingemeindet worden waren, dehnten
sich die Siedlungsbereiche im Zusammenhang
mit der Entwicklung der Soltauer Industrie in
den siebziger- und achtziger Jahren des 19.Jh.
über die alten Grenzen hinaus aus. Die Bebau-
ung entstand bis um die Wende vom 19. zum
20. Jh., wie in anderen Städten auch, zunächst
fast ausschließlich entlang der vorhandenen Ver-
bindungsstraßen in die Nachbarorte. Schon um
1820 war im Nordwesten das Wohnhaus Berg-
straße 11 außerhalb angesiedelt worden. Das
eingeschossige, langgestreckte Doppelhaus in
Fachwerkbauweise mit asymmetrischem, knapp
vorspringendem zwerchhausbekröntem Frontis-
piz trägt eindeutige klassizistische Züge. An der
Walsroder Straße im Südwesten entstand wohl
im 2. Viertel des 19.Jh. der stattliche, verbreiter-
te Fachwerkbau mit sieben Fensterachsen (Nr.
8), welcher zunächst eine Zimmerei beherberg-
te. Er war später Sitz eines 1862 gegründeten
Bauunternehmens, das viele bedeutende Ge-
bäude Soltaus errichtet hat. Sein zweigeschos-

siges Gerüst unter Halbwalmdach wird schau-
seitig durch einen außermittig knapp vorsprin-
genden Risalit mit einem Eingangsaltan geglie-
dert und es macht durch eine repräsentative,
hölzerne Quaderimitation und klassizistische
Verdachungen auf sich aufmerksam.
Im Süden des Stadtkerns, gleich jenseits der
Bahngleise, in dem sich ausbreitenden Auenge-
biet am westlichen Ufer der Böhme, erweiterte
sich die Stadt durch die Anlage eines privaten
Parkgeländes mit einem herrschaftlich wirken-
den Wohnhaus darin (Breidingsgarten 5). Sie
steht im Zusammenhang mit der Firmenge-
schichte der Familie Röders/Breiding, die hier ab
ca. 1870 in mehreren Ausbaustufen einen Som-
mersitz errichten ließ. Bereits seit 1945 wird das
Hauptgebäude als Mehrfamilien-Wohnhaus ge-
nutzt. Es liegt heute versteckt in dem großen,
der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Park. Der
zum Erschließungshof hin auf einem hohen Kel-
lergeschoss zweigeschossig errichtete, mas-
sive, verputzte Villenbaukörper erscheint auf der
Parkseite nur im Mitteltrakt zweigeschossig (mit
neuen Fenstern und Freitreppe). Er wird hier von
geputzten Lisenen vertikal gegliedert. Ansonsten
prägen Vorbauten sowie Loggien und Terrassen
unter entsprechend verspringenden, flachen
Walmdächern das breit gelagerte, von Rundbo-
genfenstern belichtete Gebäude. Mit um 1900
unterschiedlich gestalteten Pavillons in Zierfach-
werk findet er zu beiden Seiten seinen Ab-
schluss.
Die Villa ist entsprechend damaliger Vorbilder in
einen unterbrochenen, weiträumigen Land-
schaftspark eingebettet worden, in dessen
feuchter Auenlandschaft ein System aus Fisch-
und Zierteichen eine natürliche Ausgangsbasis
hat. Aufgrund von Verbindungen Röders zum
Umfeld des damaligen Kaiserhofes wird ein
Kontakt mit dem dort tätigen bedeutenden
Landschaftsarchitekten Peter Josef von Lenne
vermutet.
Noch heute kann man die östlich der Villa in
Nord-Süd-Richtung ausgedehnte Gesamtanla-
ge in ihrer Weiträumigkeit erfahren, obwohl sie
im Norden u.a. durch eine kleinere Tennisanlage

Soltau, Walsroder Str. 8, Wohnhaus, 2. Viertel 19.Jh.


und ein Einfamilienhaus verkleinert worden ist.
Von der Anlage wurden ausgedehnte Obstwie-
sen eingeschlossen, die im Norden, neben der
Gärtnerei gelegen, ursprünglich wirtschaftlich
genutzt wurden. Der südlich anschließende, ro-
mantisch gestaltete Bereich wird bis hin zu dem
von Erlenbruch gekennzeichneten Übergang in
die südliche freie Landschaft von einer ge-
schwungenen Lindenallee durchquert. In dem
Bereich um die Villa sind heute noch zwischen
den Teichen, dem alten Baumbestand bzw. den
Rhododendrenhainen geplante Sichtachsen
deutlich. In Sichtweite der Villa ist in der 2. Hälfte
des 19.Jh. auf einer ehemals größeren Bastion
eine romantische Gartenlaube in Form einer klei-
nen Burgruine errichtet worden. Die heute efeu-
bewachsene Grotte des in neugotischem Stil
aufgemauerten, vielgliedrigen Baukörpers ist mit
Raseneisenstein ausgekleidet - der zinnenum-
wehrte, begehbare Turm diente als Wasserre-
servoir eines Brunnens.
Im Bereich der nördlichen Zufahrt steht das
unverändert erhaltene Gärtnerhaus, Breidings-
garten 6, das um 1900 als mehrgliedriger Bau-
körper aus weiß glasierten Ziegeln mit roten
Ziersetzungen errichtet worden ist. Das Sattel-
bzw. Krüppelwalmdach wird jeweils giebelseitig
von reich verzierten, hölzernen Vorgespärren
unterstützt.
Nördlich von Gärtnerei und Obstgarten ist in
jüngerer Zeit eine Hofanlage aus translozierten
Gebäuden angesiedelt worden. Nahe der Zuwe-
gung im Bereich des Brunnens mit Gabelbaum
steht der ursprünglich wohl 1673 errichtete und
1973 wiederaufgebaute Treppenspeicher Brei-
dingsgarten 7. Es ist eine renovierter, zweige-
schossiger verbohlter Speicher mit einer neuen,
ins Obergeschoss führenden Treppe und profi-
lierten traufseitigen Knaggen sowie Kopfbän-
dern im Bereich des vorkragenden Reetdaches.
Von einem Zweig der Familie Röders ist an der
nördlichen Ortsausfahrt Unter den Linden (heute
B3) bereits 1840 eine weitere Fabrikanlage auf-
gebaut worden. Aus einer Zinngießerei, die ab
1865 ihren Betrieb aufgenommen hatte, war bis
1910 eine moderne Zapfhahnfabrik entstanden.

Soltau, Mühlenstr. la, Wohnhaus, 1910/20


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