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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 25): Baudenkmale in Niedersachsen: Landkreis Soltau-Fallingbostel — Braunschweig, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.43924#0314
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worden, aber auch schlichte Mehrfamilienhäuser
für die zahlreichen Beschäftigten der Industrie-
betriebe.
Zwei große, besonders prunkvolle Villen stehen
östlich des Zentrums an der Wilhelmstraße in
Richtung Lüneburg. Es handelt es sich jeweils
um zweigeschossige, stilistisch jedoch unter-
schiedliche, verputzte Massivbauten auf hohen,
unterkellerten Sockeln, die in den neunziger
Jahren des 19.Jh. von zwei damaligen Firmenin-
habern der Familie Röders auf parkartigen tiefen
Grundstücken in der Böhmeaue, die sich direkt
an das Fabrikgelände anschlossen, erbaut wor-
den. Die westliche, heute als Bankgebäude
genutzte Villa Nr. 22 liegt hinter einer straßensei-
tigen Vorfahrt zurück. Zahlreiche An- und Vor-
bauten, u.a. ein polygonaler Erkervorbau, lassen
den mit einer Putzquaderung, mit kräftig geglie-
derten Gesimsen und mit betonten Ecklisenen
versehenen quadratischen Baukörper vielglie-
drig erscheinen. Sein flaches Mansarddach wird
von barockisierten Dacherkern und Gauben
unterbrochen. Die Villa daneben, Nr. 24, besteht
aus risalitartig vorspringenden, übergiebelten
Trakten, die auf drei Seiten den flachgedeckten
Baukörper erweitern. Er ist in jüngster Zeit res-
tauriert worden und wird mit der teilweise erhal-
tenen Innenausstattung in Teilen als Restaurant
genutzt. Zu dem insgesamt herrschaftlichen Er-
scheinungsbild tragen auch hier die reichen
Stuck- und Putzgliederungen, u.a. im Bereich
des Drempels sowie die polygonalen Erkervor-
bauten mit Baikonen und Veranden bei sowie
besonders die geschwungene zweiarmige Frei-
treppe zum Gartengrundstück. Dieses wird zur
Straße hin von einer zeitgenössischen Einfrie-
dung mit schmiedeeisernen Gittern abgegrenzt
und dient rückseitig teilweise als Parkplatz.
Südlich der nach Südwesten führenden Walsro-
der Straße entstand um 1900 eine Gruppe von
traufständigen, schlichten, zweigeschossigen
Mehrfamilienhäusern für Arbeiter der Eisenbahn.
Die beiden siebenachsigen unterkellerten Roh-
ziegelbauten unter Satteldach Nrn. 47 und 49
werden von der Rückseite her erschlossen, Nr.
51 über neuere, seitliche Anbauten. Die je für
vier Wohnparteien geplanten, identischen Ne-

bengebäude sind ebenfalls bis heute fast unver-
ändert erhalten. Die Ziegelbauten besitzen ein
Drempelgeschoss in Fachwerkbauweise und
werden von je zwei traufseitigen Eingängen er-
schlossen.
In der Folgezeit wurden auch die Flächen zwi-
schen den Ausfallstraßen erschlossen und be-
baut, wie die östlichen Erweiterungsgebiete um
die Birken- und Freudenthalstraße.

Ev. Lutherkirche
Das Kirchspiel in Soltau erhielt mit der auf einem
Eckgrundstück nahe der Lüneburger Straße
wohl 1907-08 errichteten Lutherkirche eine
zweite große evangelische Kirche, Birkenstraße
1, die mit ihren etwa 1.000 Sitzplätzen die auch
nach ihrem Wiederaufbau für die stark ange-
wachsene Bevölkerung nicht mehr ausreichen-
de St. Johanniskirche entlastete. Mit ihrem kräf-
tigen, spitzen Turm stellt sie im Osten der Stadt
ein städtebaulich bedeutsames Orientierungs-
merkmal dar.
Die Kirche ist wohl als letzter Sakralbau des Ar-
chitekten E. Wendebourg entstanden. Er schuf
einen mehrgliedrigen, überwölbten Backstein-
bau mit flachen Strebepfeilern und größtenteils
spitzbogigen Fensteröffnungen, der von einer
entsprechend geformten, hohen, aus Satteldä-
chern mit Abwalmungen bestehenden Dach-
landschaft abgeschlossen wird. Wendebourg
orientierte sich an Gestaltungselementen der
spätgotischen Sakralbaukunst in Norddeutsch-
land. An gotische Blendnischen erinnernde, hell
verputzte, vertikale Felder sowie überkreuzte
Spitzbogenmuster schmücken die Giebel und
Traufgesimse des ansonsten schlichten Baukör-
pers, der auf einem hohen Zyklopensockel ge-
setzt worden ist. Der seitliche, eingezogene
Westturm wird von einem spitzem Kupferdach
bekrönt.
Der Innenraum mit Kreuzrippengewölben ist
dreischiffig. Er wird von dem hölzernen Kreuz
mit Kruzifix im Zentrum des Altarraums be-
herrscht. Farbig verglaste Fenster mit figürlichen


Soltau, Freudenthalstr. 27, ehern. Schaltstation, 1921

Darstellungen von Henning und Andres, Hanno-
ver, erhellen den Chor. Dieser beeindruckt wei-
terhin durch seine originale, einheitlich gestaltete
Ausstattung, wie die seitlichen, auf aufwendig
dekorierten Holzsäulen errichteten Emporen, die
Orgelempore, Kanzel und Altar sowie das
hölzerne Gestühl. Die neue Orgel von 1977 ist in
das barocke Gehäuse einer bis 1855 in Esche-
de aufgestellt gewesenen Orgel eingesetzt wor-
den. Bei einer Renovierung ist 1958 die ur-
sprüngliche Innenbemalung der Kirche entfernt
worden.

1912/13 konnte Wendebourg auch das südlich
benachbarte, zweigeschossige Pfarrhaus errich-
ten, Birkenstraße 3, das durch die differenzier-
ten Anbauten und das hohe Walmdach von
Andeutungen des Heimatstils geprägt ist. Die
diagonalen Scharrierungen und blendnischenar-
tigen Dekorationselemente sowie die segment-
und spitzbogigen Fenster verweisen jedoch auf
Formen des sakralen Bereichs.
Am südlichen Ende der überwiegend mit Einfa-
milienhäusern bebauten, parallel zur Birkenstra-
ße verlaufenden Freudenthalstraße, fällt eine
1921 erbaute ehemalige Schaltstation mit einem
angeschlossenen Wohnhaus auf (Nr. 27). Das 1
1/2-geschossige Betriebsgebäude ist ein
schmaler eingeschossiger Ziegelbau unter Man-
sarddach, dessen straßenseitiger Volutengiebel
mit strengem, rundbogigem Giebelabschluss
durch eine kräftige Lisenengliederung und Zie-
gelsteinsetzungen im Brüstungs- und Traufbe-
reich einen starken Gestaltungswillen zeigt. Sein
eingeschossig angesetzter, unauffälliger Wohn-
trakt mit Garagenanbau wird von einem allseitig
hohen Mansarddach abgeschlossen.
Im Südwesten des Zentrums entstanden die
stadtnahen Erweiterungsgebiete zunächst in
Bahnhofsnähe auf den ehemaligen Wiesenauen
südlich der Soltau. Im diesem Bereich sind, wie
anderswo auch, vielfach repräsentative, bürgerli-
che Wohnhäuser errichtet worden (Bahnhofstra-
ße mit Feld- und Wiesenstraße).
Bemerkenswert sind die benachbarten, statt-
lichen, 1 1/2-geschossigen Fachwerkhäuser
aus der Zeit um 1890 in der Feldstraße, Nm.
22 und 24. Ihre jeweils mit hölzerner Quaderimi-
tation bekleideten Fassaden mit hölzernen Eckli-
senen liegen hinter schmalen eingezäunten Vor-
gärten zurück. Durch einen übergiebelten Mittel-
risalit mit rundem Erkervorbau (Nr. 22), bzw.
durch zweigeschossige Vorbauten, wie den
polygonalen turmartigen Vorbau unter Helm-
dach bei Nr. 24 sind sie unterschiedlich geglie-
dert. Mit ähnlichen Stilelementen sind auch die
Wohnhäuser in der benachbarten Wiesenstraße
errichtet worden. Ein zweigeschossiger übergie-
belter Mittelrisalit sowie spätklassizistische Ge-
staltungselemente geben dem etwa 1880 er-
bauten, kleinen holzverkleideten Fachwerkhaus
Nr. 24 sein typisches Aussehen, so wie bei dem
1 1/2-geschossigen Wohnhaus Visselhöveder
Straße 9 jenseits der Bahn. Dieses wurde in der
2. Hälfte des 19.Jh. errichtet und macht durch
seine weitgehend unveränderte, symmetrisch
aufgebaute, klassizistisch wirkende und spar-
sam dekorierte Holzquaderfassade auf sich
aufmerksam. Das Haus Wiesenstraße 18 ist ein
lebhaft gestalteter Putzbau auf hohem Ziegelso-
ckel von 1910/20 mit einem hohen Straßengie-

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