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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0022
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Nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen 1866 wurde auch Osna-
brück preußisch. Mit dem Anschluß an Preußen begann der lebhafte wirtschaftliche und
industrielle Aufschwung, der das letzte Drittel des 19. Jh. für die Stadt kennzeichnet. In-
nerhalb weniger Jahre, zwischen 1867—1875, stieg die Einwohnerzahl um über 10000,
um bis zum Ersten Weltkrieg auf rund 70000 anzuwachsen. Die Industrialisierung setzte
in großem Umfang ein, mit ihr entstanden am damaligen Stadtrand die bedeutendsten
Industriebetriebe der Zeit in Osnabrück. 1868 wurde das Osnabrücker Eisen- und Stahl-
werk (heute Klöckner-Werke AG) gegründet, dessen Werksanlagen östlich des Bahn-
hofsviertels 1871 in Betrieb genommen wurden. Aus der 1873 gegründeten Draht-
stiftfabrik Witte & Kämper ging das Großunternehmen des Osnabrücker Kupfer- und
Drahtwerks am nordöstlichen Stadttrand hervor. Die 1833 begründete Spinnerei und
Weberei Hammersen erbaute zu Ende des 19. Jh. ihre große Fabrikanlage im Süden an
der Iburger Straße, am westlichen Stadtrand entstand um die Jahrhundertwende der
Komplex der Gasuhrenfabrik Kromschröder (gegr. 1865) am Jahnplatz. In die siebziger
Jahre fällt der großzügige Ausbau der Piesberger Bergwerksanlagen, die sich für einige
Jahrzehnte zu einer bedeutenden Einnahmequelle für die Stadt entwickelten. Der Aus-
bau des Eisenbahnnetzes schritt voran: 1871/72 Anlage der Nord-Süd-Bahn Köln-
Bremen-Hamburg, 1876 Bahnlinie nach Oldenburg, 1886 nach Bielefeld. 1895 wurde
mit der Errichtung des Zentralbahnhofs im Kreuzungspunkt der beiden Hauptbahnlinien
der Eisenbahnpersonenverkehr zusammengefaßt, 1913 der Güterbahnhof aus dem
Bahngelände herausgenommen und neu auf dem Fledder angelegt. Mit dem Bau des
Stichkanals zum Mittellandkanal 1911/15 erhielt Osnabrück seinen Hafen im Nordwe-
sten der Stadt.
Infolge des nach dem Kriege 1870/71 einsetzenden stürmischen Wirtschaftsauf-
schwungs der Gründerzeit entwickelte sich auch in Osnabrück eine überaus lebhafte
Bautätigkeit in den Vorstädten. Diese wurde ermöglicht durch die Aufteilung der ehema-
ligen Leischaftsgründe in der Feldmark zu Beginn der siebziger Jahre, nachdem die
Viehhaltung für die Bürger kaum noch eine Rolle spielte. Die Abtragung der Wälle auf der
Westseite der Stadt 1872/77 machte ebenfalls den Weg für ihre Ausdehnung frei. Allein
in den Jahren 1860-80 gewann Osnabrück in seinen Vorstädten mehr als tausend neue
Wohnhäuser hinzu. Mit der Einsetzung von Stadtbaumeister Wilhelm Richard 1841 fand
das Osnabrücker Bauwesen eine zentrale Lenkung. Durch das Stadtbauamt wurden
seit 1869 Bebauungspläne aufgestellt, die den westlichen Bereich der Feldmark zwi-
schen Westerberg und Wüste mit einem weiträumigen Straßennetz überzogen, auf dem
eines der Hauptgewichte der Stadtentwicklung in den nächsten Jahrzehnten lag. Die
„Bauordnung für die Feldmark“ von 1855 und die „Bauordnung für den Bezirk der Stadt
Osnabrück“ von 1868, die bis 1906 Gültigkeit hatte, regelten die Einzelheiten des Bau-
ens. Außerhalb der durch Bebauungspläne regulierten Bereiche wuchs in den übrigen
Gebieten der Feldmark die Bebauung vor allem entlang der Fernstraßen z.T. bis an die
Feldmarkgrenzen. Während die westlichen Stadterweiterungen sich vorwiegend zu gut-
bürgerlichen Quartieren entwickelten, entstanden im Osten der Stadt in Nachbarschaft
von Bahn und Industrie die Arbeiter- und Kleinwohnungsviertel, die sich zur Schinkeler
Grenze hin ausdehnten. Auf den Hängen von Gertruden- und Westerberg entstanden
die älteren Villenviertel der Stadt.
Bis zum Ersten Weltkrieg schlossen sich auf fast allen Seiten der Innenstadt zusammen-
hängende Stadterweiterungsgebiete an. Mit dem Bau der Bergkirche 1892 und der
Herz-Jesu-Kirche 1899/1902 entstanden - nun außerhalb der Innenstadt - die ersten
großen Kirchenbauten seit dem Ausgang des Mittelalters. Die gestiegenen Aufgaben
der Stadt spiegeln sich in den neu errichteten Bauten für Versorgung, Bildung und Kultur:
1886/87 städtischer Schlachthof, 1890 erstes Wasserwerk und 1899/1900 das Elektrizi-
tätswerk. Das kulturgeschichtliche Museum entstand 1888/89, 1909 das Stadttheater.
Mit dem Ausbau des Schulwesens im 19. Jh. wurde 1867 das Realgymnasium an der
Lotter Straße errichtet, 1875 folgte die Töchterschule am Heger-Tor-Wall. Nach Ände-
rung des Verwaltungssystems für die Provinz Hannover trat 1885 an die Stelle der Land-
drostei die Königliche Regierung für den Regierungsbezirk Osnabrück. Die preußische
Regierung erbaute 1893/96 ihr repräsentatives Dienstgebäude am Wall, im Zuge der
Vergrößerung der Osnabrücker Garnison wurden um die Jahrhundertwende die Kaser-
nenanlagen auf dem Westerberg errichtet. Infolge der Erweiterung der Stadt nach
Osten, wo die Feldmark eine nur verhältnismäßig geringe Ausdehnung besaß, wurde
1914 Schinkel als erste Randgemeinde der Stadt eingegliedert.
Seit dem Ersten Weltkrieg
Bis zum Jahr 1933 wuchs die Bevölkerung Osnabrücks auf rund 95000 Einwohner an.
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch drückende Wohnungsnot geprägt. An-
gesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Situation war der Wohnungsbedarf nicht mehr

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