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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0084
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Plan der Johannisleischaft (Hausbesitzaufnahme), Zeichnung von C.L. Reinhold, 1790
(Nieders. Staatsarchiv Osnabrück K 62a Nr. 108H BI. 3)


SÜDLICHE ALTSTADT

Um den alten Heerweg, der von Süden her zu
Bischofssitz und Haseübergang führte, ent-
wickelte sich vor dem Südtor der Domburg im
11 ,/12. Jh. eine Vorstadt, aus der sich als ei-
ner der altstädtischen Stadtteile die Johannis-
leischaft herausbildete. Der neue Siedlungs-
bereich wurde gemeinsam mit den im Norden
und Westen vor den Toren der Domburg ge-
wachsenen Vorstädten gegen Ende des 12.
Jh. mit einem Befestigungsring umschlossen,
von dessen einstigem Verlauf im Süden die
Straße Grüner Brink noch Zeugnis ablegt.
Sein wichtigstes Tor besaß der Stadtteil am
Ausgang der Großen Straße am heutigen
Neumarkt, eine kleinere Nebenpforte befand
sich südlich gegenüber der Katharinenkirche.
Beide Tore verloren nach Eingliederung und
Befestigung der Neustadt zu Beginn des 14.
Jh. ihre Bedeutung.
Strukturell scheidet sich der Stadtteil in zwei
sehr unterschiedliche Bereiche. Auf der einen
Seite steht der engbebaute bürgerliche Bezirk
im Osten im Umkreis der Großen Straße, die
die Hauptachse der Johannisleischaft bildet.
Der Bereich umfaßt Herrenteichstraße, einen
südlichen Abschnitt der Krahnstraße, die klei-
ne Stubenstraße, Große und Kleine Hamken-
straße, Kamp- und Redlingerstraße. Dem
dichtbebauten, handel- und gewerbereichen
Stadtquartier um die Große Straße stand im
Südwesten eine nur locker bebaute Region
mit dem Zentrum um Katharinenkirche und Al-
ter Münze gegenüber. Hier, auf der noch über
längere Zeit von Bebauung freigebliebenen
Randzone der südlichen Altstadt entstanden
großräumige Hofanlagen des Adels und rei-
cher Bürgergeschlechter. Diese konzentrier-
ten sich an der Hakenstraße und der ehemals
einen weiteren Bereich als nur die heutige
Straße dieses Namens umfassenden Alten
Münze mit zum Teil beträchtlich großen
Grundstücken, die sich in den älteren Stadt-
grundrissen gegen die kleinteilige Parzellen-

struktur der Bürgerstraßen im Osten deutlich
abhoben.
Mit der Entwicklung zum geschäftlichen Zen-
trum der Stadt im Verlauf des 19. Jh. begann
sich die Bausubstanz im Bereich um die Gro-
ße Straße schon vor 1900 allmählich durch
Wohn- und Geschäftshausneubauten zu wan-
deln. Die Anlage des Neumarkts am Südost-
rand zwischen Alt- und Neustadt, die im Zu-
sammenhang mit dem Bahnhofsviertel in den
fünfziger Jahren des 19. Jh. entstand, trug zu
einer Verlagerung des geschäftlichen Lebens
aus dem ältesten Zentrum der Stadt in die
südliche Altstadt bei. Stärkere Erneuerung er-
fuhr bis zum Ersten Weltkrieg auch die Bau-
substanz im Bereich der Adelshöfe um Ha-
kenstraße und Alter Münze. Im Verlauf des
Zweiten Weltkrieges wurde die südliche Alt-
stadt schließlich fast vollständig vernichtet. Er-
halten blieben nur wenige, meist vereinzelte
Gebäude, an denen sich die geschichtlich ge-
wachsene Stadtgestalt nur noch sehr lücken-
haft ablesen läßt. Allein am Südwestrand
schließt sich im Umkreis um die Katharinenkir-
che der überkommene Baubestand noch zu
einem begrenzten Bereich mit wenigen erhal-
tenen Baulichkeiten zusammen.
Ev.-Iuth. Pfarrkirche St. Katharinen
Am Südwestrand der Altstadt, wo sich ehemals
die Höfe des Osnabrücker Adels konzentrier-
ten, war bereits in der ersten Hälfte des 13. Jh.
eine der hl. Katharina geweihte Kirche errichtet
worden, von der Reste durch Grabungen er-
mittelt werden konnten. An der Stelle des Vor-
gängerbaus befindet sich die heutige, im we-
sentlichen dem 14. Jh. entstammende zweite
Pfarrkirche der Altstadt. Die Bauarbeiten be-
gannen an Langhaus und Chor vor 1350, nach
längerer Unterbrechung folgte gegen Ende
des 14. Jh. die Weiterführung des Kir-
chenbaus, der gegen 1420/30 eingewölbt wur-
de. In die letzten Jahrzehnte des 14. Jh. fällt
der Baubeginn des Westturms, der erst gegen
Ende des 15. Jh. vollendet werden konnte.

Die jüngste der mittelalterlichen Kirchen Os-
nabrücks ist eine hochgotische Hallenkirche
mit dreischiffigem Langhaus von drei Jochen,
fünfseitigem Chorpolygon im Osten und
mächtigem, im Grundriß quadratischen Turm
im Westen. Das Langhaus, dessen Grundriß
dem Quadrat angenähert ist, besitzt eine der
Marienkirche grundsätzlich verwandte Anla-
ge, zeigt jedoch im Innern gegenüber der rei-
chen und plastischen Durchbildung der Markt-
kirche eine schlichtere und vergleichsweise
nüchterne Haltung. Die Halle wird durch ein
Gliederungssystem von knapper und straffer
Formgebung gestaltet. Vier freistehende Pfei-
ler mit jeweils acht Diensten, zwischen denen
der Pfeilerkern gekehlt ist, teilen die Schiffe,
während an den Langhauswänden dreigliedri-
ge, an den Choreckpfeilern fünfgliedrige
Dienstbündel die Rippen der Kreuzgewölbe
aufnehmen. Die Strenge des Raumeindrucks
unterstreichen die schmucklosen Kapitelle
der Dienste. Langhaus und Chor, die sich
durch eine einheitliche Formensprache zu-
sammenschließen, empfangen ihr Licht durch
reich ausgebildete, überwiegend dreiteilige
Maßwerkfenster. Der Eindruck des Innen-
raums wird maßgeblich bestimmt von einer
ungewöhnlich steilen Proportion, mit der sich
die Halle der Katharinenkirche in die gleichzei-
tige Entwicklung der westfälischen Kirchen-
baukunst einreiht: Bei einer Breite von 25 m
und einer Länge von 23 m beträgt die Höhe
des Hallenraumes 20 m, Abmessungen, die
einen übersteigerten Raumeindruck bewir-
ken, der durch die Vertikalität des Gliede-
rungssystems noch unterstützt wird. Lang-
haus und Chor sind Bruchsteinbauten und äu-
ßerlich nur durch einfache Strebepfeiler und
ein umlaufendes Kaffgesims, das über den
Portalen hochgekröpft ist, gegliedert. Die Gie-
belfelder der Querdächer, die wie bei Marien-
und Johanniskirche die Seitenschiffe über-
decken, blieben ungestaltet. Der im Mauer-
werk fast 50 m hohe Westturm - es handelt
sich um den höchsten Kirchturm der Stadt -
wurde im Gegensatz zur Kirche selbst in
Sandsteinquadern erbaut. Seine massige Ge-
stalt gliedern schmale, die Stockwerke tren-
nende Gesimse und spitzbogige Fenster, de-
ren Öffnungen die glatten Mauerflächen
durchbrechen: schlanke zweiteilige Maßwerk-
fenster im hohen Erdgeschoß und Dreiergrup-
pen von Maßwerkfenstern in den verschieden
hohen Obergeschossen. Der Turm besaß vor
einem Brand, der 1868 seinen oberen Teil zer-
störte, eine barocke Haube, an deren Stelle
Baurat Stüve 1880 einen sehr hohen und spit-
zen Helm in Eisenkonstruktion errichtete.
Über dem erhaltenen Eisengerüst wurde nach
den Zerstörungen des Weltkrieges die heutige
Turmspitze wiederhergestellt. Die Innenaus-
stattung des schmucklosen Kirchenraums,
die bereits 1870 durch Stüve erneuert worden
war, ging im Zweiten Weltkrieg fast vollständig
verloren.
IM UMKREIS DER KATHARINENKIRCHE
Die Platzfläche östlich der Kirche entstand
aus dem Katharinenkirchhof, der sich hier bis
zur Schließung der alten Friedhöfe der Stadt
(1808) befand. Auf der Nordseite des kleinen,
baumbestandenen Platzes befindet sich ein

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