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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0024
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durch private Initiative allein zu decken. Die Stadt selbst, vor allem aber auch gemeinnüt-
zige Bauvereinigungen und ortsansässige Industrieunternehmen übernahmen zum gro-
ßen Teil die Wohnraumbeschaffung durch Errichtung größerer Siedlungen und Reihen-
hauszeilen in allen Bereichen der Feldmark. Als bedeutendste staatliche Großanlage
der zwanziger Jahre entstand in Eversburg das Preußische Landgestüt, in der Zeit des
Nationalsozialismus die große Kasernenanlage auf der Netterheide in Haste. Die Stadt
hatte sich inzwischen über größere Bereiche der Feldmark ausgedehnt und 1940 die
Landgemeinde Haste durch Eingemeindung hinzugewonnen.
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde Osnabrück durch Luftangriffe insgesamt zu
69% zerstört. In der Altstadt betrugen die Zerstörungen rund 80%, in der Neustadt 93%
und in der Bahnhofsvorstadt rund 90%. Der Wiederaufbau nach 1945 vollzog sich im
wesentlichen auf dem überkommenen Stadtgrundriß. Beim Wiederaufbau des Marktes
seit 1948 fand das historische Gesicht des Platzes Berücksichtigung. Relativ dichter Be-
stand an historischer Bausubstanz fand sich in der Innenstadt nur noch entlang weniger
Straßen zwischen Markt und Heger Tor (Heger-Tor-Viertel), während in der Innenstadt
sonst meist nur vereinzelte Gebäude den Krieg überstanden. Dagegen blieben ältere
vorstädtische Bereiche im Norden und vor allem die westlichen Stadterweiterungsgebie-
te zwischen Westerberg und Wüste vom Krieg weitgehend verschont.
Nach 1945 wurde der größte Teil der Feldmark durch Neubaugebiete erschlossen. Nach
der Eingliederung Sutthausens 1970 wurden im Zuge der niedersächsischen Gebietsre-
form 1972 die acht Landgemeinden Atter, Darum, Gretesch, Hellern, Lüstringen, Nahne,
Pye und Voxtrup in die Stadt eingemeindet. Das Stadtgebiet gewann dadurch den Um-
fang von 11 979 ha, die Zahl der Einwohner stieg auf 154000 (1981). Mit der niedersäch-
sischen Gebiets- und Verwaltungsreform wurde der Regierungsbezirk Osnabrück 1977
aufgelöst und dem neuen Verwaltungsbezirk Weser-Ems mit Oldenburg als neuem Sitz
der Bezirksregierung eingegliedert.
Baugeschichtlicher Überblick
Dank ihrer Stellung, die einer freien Reichstadt gleichkam, war Osnabrück in besonde-
rem Maße eine Bürgerstadt, die durch Handel und Handwerk, aber auch durch Ackerbau
und Viehhaltung, die für den Bürger bis ins 18. Jh. hinein wichtig blieben, geprägt war.
Als Residenz des Bischofs und Landesherren blieb die Stadt weniger bedeutend und hat
den Glanz einer Residenzstadt kaum erfahren. Selbst der fürstbischöfliche Schloßbau
des 17. Jah. hat das im wesentlichen bürgerliche Gesicht Osnabrücks nicht entschei-
dend beeinflussen können; er blieb, - am Rande der Altstadt gelegen -, ohne Einbin-
dung in das Stadtganze. Das Fehlen eines starken Interesses des Landesherren an der
Stadt im baufreudigen Barock ließ dem Anfang, den der Schloßbau 1667 setzte, keine
Entwicklung folgen. Neben der Bürgerstadt war der mit dem Bischofssitz verbundene
Klerus im Stadtbild durch die großen Bereiche der Immunitäten repräsentiert, innerhalb
derer sich die Kurien der Geistlichen befanden. Ihre Baulichkeiten beanspruchten Teile
der Stadtfläche um Doms- und Johannisfreiheit und setzten sich gegenüber der eng be-
bauten Bürgerstadt ab durch ihren relativ großen Platzbedarf und ihre häufig mehrflüge-
ligen, um offene Höfe gruppierten Anlagen. Ähnlich verhielt es sich mit den Häusern des
Adels, die ursprünglich innerhalb der Stadtgesamtheit einen nicht unbeträchtlichen
Raum einnahmen und deren geräumige Höfe seit mittelalterlicher Zeit die relativ spät
und nur locker bebauten Bezirke im Südwesten der Altstadt und in der Neustadt bevor-
zugten.
Durch die Veränderungen, die das Stadtbild seit der 2. Hälfte des 19. Jh. und vor allem
im Weltkriege erfuhr, wurden die Gewichte erheblich verschoben. Abgesehen von den
Kirchen, ist es fast ausschließlich das bürgerliche Wohnhaus, das aus der historischen
Bausubstanz überkommen ist, während Kurie und Adelshof im Stadtbild heute nur noch
eine geringe Rolle spielen. Aber auch der überkommene Bestand an Bürgerhäusern ist
keineswegs mehr repräsentativ für die bürgerliche Stadt vor den Eingriffen und Zerstö-
rungen des 19. und 20. Jh. Mit einem knappen Dutzend erhaltener Fachwerkgiebel des
16. -17. Jh. ist das typische Osnabrücker Haus im Stadtbild heute kaum noch vertreten
und in seinem einstigen Formenreichtum nur noch lückenhaft dokumentiert. Einen zu-
verlässigen Eindruck des älteren Zustandes der Stadt vermögen auch die wenigen er-
haltenen Straßenzüge des Heger-Tor-Viertels nicht zu geben, da hier die Baukörper bis
auf wenige Ausnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jh. überformt sind. Von den rund
sechzig erhaltenen bzw. wieder aufgebauten bürgerlichen Wohnhäusern aus dem 16. -
Anfang 19. Jh. in der Innenstadt gehören etwa die Hälfte in die Zeit des Klassizismus bis
ca. 1840. Gering vertreten sind die ohnehin in Osnabrück weniger produktiven Kunst-
epochen des Barock und Rokoko. Auch aus dem ursprünglich überaus reichen Bestand
der Steinwerke, die einst für die Osnabrücker Altstadt charakteristisch waren, hat sich
nur noch eine bescheidene Anzahl erhalten. Infolge der Zerstörung der Innenstadt er-

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