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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0025
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langten die Stadterweiterungen des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jh. im Stadtbild ein
neues Gewicht. Wohnhaus, Siedlung, Bauten der städtischen Verwaltung, Kultur, Bil-
dung und sozialen Fürsorge, des Militärs und der Industrie dieser Zeit prägen heute die
Stadt nicht weniger als ihre eigentlich „historische“ Bausubstanz. Durch die Eingemein-
dung der ehemaligen Landgemeinden um Osnabrück zwischen 1914 und 1972 gewann
die Stadt schließlich, abgesehen von einigen ländlichen Herrensitzen, vor allem eine
große Zahl von bäuerlichen Anwesen mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden des 17.-20.
Jh. hinzu.
Kirchen und Kapellen
In ihren ältesten Teilen gehen Dom, Marienkirche und die Kirche des Benediktinerin-
nenklosters auf dem Getrudenberg zurück in die erste bedeutende Phase des Kir-
chenbaus in Osnabrück im 11. Jh. Fast alle mittelalterlichen Kirchen der Stadt verdan-
ken jedoch ihr heutiges Erscheinigungsbild der Blütezeit der westfälischen Architektur
im 13. Jh. Gleich den Domen in Paderborn, Minden und Münster gehört der spätroma-
nisch-frühgotische Neubau des Osnabrücker Doms zur Gruppe der von Westfrankreich
her beeinflußten großen Gewölbebauten Westfalens. Als konservativster dieser Dom-
bauten bewahrte er die basilikale Raumordnung und das noch gebundene System des
Grundrisses. Abhängig vom Langhaus des Domes zeigt sich der von Domikalgewölben
überspannte einschiffige Innenraum der etwa gleichzeitig erbauten kleinen Kirche des
Gertrudenberger Klosters. In die zweite Hälfte des 13. Jh. fallen die Neubauten von Jo-
hannis- und Marienkirche, beides dreischiffige Hallenkirchen mit einem Langhaus von
jeweils drei Jochen, entstanden in geringem zeitlichen Abstand, jedoch von höchst un-
terschiedlicher Erscheinung. Der nach einem einheitlichen Plan entstandenen Stiftskir-
che St. Johann, einer der frühesten großen Hallenkirchen Westfalens und Schöpfung
der reinen Frühgotik, steht die etwas später erbaute Marienkirche (mit Chor des 15. Jh.)
gegenüber, ein unter dem Eindruck der Hallen von Minden und Paderborn entstandener
Kirchenbau, dessen räumliche Ausbildung bereits auf der Stufe der entwickelten Gotik
steht. Von den drei im 13. Jh. in Osnabrück gegründeten Bettelordensklöstern ist - ab-
gesehen von geringen baulichen Resten des Barfüßerklosters - nur die Kirche des Do-
minikanerklosters erhalten geblieben. Aus der Zeit um 1300 stammt ihr langgestreckter
Chor mit 5/8-Schluß, ein mit seinen einfachen Bauformen der Bettelordenskirchen hinter
dem formalen Aufwand der Pfarrkirchen der Stadt zurücktretender Bau. Letzte mittelal-
terliche Kirche der Stadt ist die zweite Pfarrkirche St. Katharinen, eine hochgotische Hal-
lenkirche des 14./15. Jh. In der Raumbildung der dreischiffigen Halle wird die Fortent-
wicklung der westfälischen Kirchenbaukunst zu übersteigerter Breite und Vertikalität
deutlich, die ihre bedeutendste Parallele in der Wiesenkirche in Soest besitzt.
Entsprechend der stagnierenden Stadtentwicklung seit dem Spätmittelalter entstanden
keine größeren Kirchenbauten mehr in Osnabrück bis zum Ausgang des 19. Jh. In der
Barockzeit wurde, als Bestandteil des Jesuitenkollegs nördlich des Doms, gegen Ende
des 17. Jh. die Kleine Kirche erbaut, eine dreischiffige Säulenbasilika von geringen Ab-
messungen und äußerlich anspruchsloser Gestalt. Ein gänzlich schlichter Bau ist auch
die einzige Kirche des 18. Jh. in der Stadt, die 1725 in der Neustadt erbaute Komturei-
kirche.
Mit dem Aufschwung Osnabrücks in der zweiten Hälfte des 19. Jh. begann eine neue
Blüte seines Kirchenbaus. Entsprechend der die Architekturdiskussion des Jahrhun-
derts beherrschenden Stilfrage wechseln romanisierende und gotisierende Kirchenbau-
ten einander ab. Am Anfang steht der kleine, wohl von Stadtbaumeister Richard entwor-
fene neuromanische Zentralbau der Kapelle des Hasefriedhofs. In neugotischen For-
men folgte 1874 durch den städtischen Bauführer Propfe die Kapelle des Johannisfried-
hofs. Erster großer Kirchenbau nach dem Mittelalter war die reformierte Kirche (Bergkir-
che) auf dem Westerberghang vor der Stadt, die 1892 durch den Berliner Architekten
March in romanisierenden Formen erbaut wurde. In krassem Gegensatz zur wilhelmini-
schen Neuromanik dieser Kirche stehen die kaum zehn Jahre später errichteten katholi-
schen Kirchenbauten des Osnabrücker Dombaumeisters Behnes. Die mächtige Herz-
Jesu-Kirche am Herrenteichswall (1899/1902) vertritt einen reinen gotischen Stil, der
konsequent den ganzen Bau durchdringt und sich an die mittelalterlichen Kirchen der
Altstadt anschließt. Dies ist, in bescheideneren Dimensionen, auch der Fall in der Kapel-
le des Ursulinenklosters St. Angela in Haste (1903), einem der einfühlsamsten neugoti-
schen Kirchenbauten in Osnabrück. Eine Rückwendung zum Formenrepertoire des Bar-
ock zeigt die 1906 erbaute Gutskapelle in Leye, ein Saalbau von gleichermaßen hoher
Qualität in der Durchbildung von Außenbau und Innenraum.
Zwischen Jahrhundertwende und Zweitem Weltkrieg entwickelte sich in den wachsen-
den Vorstädten eine beachtliche Tätigkeit im Kirchenbau. Die in dieser Zeitspanne ent-
standenen Pfarrkirchen der Stadterweiterungsgebiete schließen sich bei höchst unter-

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