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Kämmerer, Christian [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0059
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INNENSTADT

BEFESTIGUNGSANLAGEN
Die innere Gliederung der Stadt in ihre alten
Viertel, die Leischaften, entsprach in großen
Zügen den Hauptentwicklungsphasen Osna-
brücks bis ca. 1300. Den Stufen ihres Wachs-
tums folgten wiederum die Veränderungen
und Erweiterungen ihrer mittelalterlichen
Mauerbefestigungen, deren einstiger Verlauf
im heutigen Stadtgrundriß überwiegend gut
ablesbar ist (vgl. Karte S. 15), während die Be-
festigungsanlagen selbst nur in wenigen Re-
sten erhalten blieben.
Als Kern der Stadt waren Domimmunität und
Marktieischaft durch einen ersten gemeinsa-
men Befestigungsring zur Binnenburg oder
Domburg zusammengefaßt. Er zeichnete sich
im Westen durch die etwa halbkreisförmige
Abfolge von Straßen ab, die Dom- und Markt-
bereich umschließen. Im Osten folgte er der
hier an die Domburg herangelegten und be-
gradigten Hase, wo die Reste der späteren
„Hellingsmauer“ mit seinem Verlauf am west-
lichen Flußufer zusammenfallen dürften. Die-
se im 11. Jh. angelegte Befestigung, von der
sich keine Reste mehr erhalten haben, be-
stand aus Mauer und Graben, welcher über
den einst von der Wüste herkommenden und
heute in der Kanalisation aufgegangenen
Poggenbach mit dem erforderlichen Wasser
versorgt wurde.
Die Ummauerung des 12./13. Jh.
An den älteren Stadtkern schließt sich im Nor-
den, Westen und Süden der Halbkreis der mit-
telalterlichen Stadterweiterungen der Altstadt
mit ihren Stadtteilen Haseleischaft im Norden,
Butenburg im Westen und Johannisleischaft
im Süden an. Der Verlauf der weiträumigen
Befestigung, die diese Erweiterungen zusam-
men mit der ältesten Domburg gegen Ende
des 12./Anfang des 13. Jh. erhielten, ist im
Stadtgrundriß zwischen Vitischanze im Nor-
den und Neumarkt im Südosten mit der Stra-
ßenfolge von Hasemauer - Bocksmauer -
Rolandsmauer und der Straße Grüner Brink
überkommen. Im Osten bediente man sich
wiederum des natürlichen Schutzes, den die
Stadt hier durch die Hase besaß, an deren
westlichem Ufer die Mauer entlanggeführt
wurde. Dieser Befestigungsring, der Domburg
und Altstadt gemeinsam umfing, bestand aus
einer einfachen, bis ca. 1 m dicken Mauer mit
gesicherten Toren und einzelnen Türmen und
wurde durch vorgelagerte Gräben zusätzlich
gesichert.
Nur wenige Türme bzw. Turmfragmente blie-
ben von dieser Befestigungsanlage erhalten.
Zu ihnen zählt der Bucksturm auf der Westsei-
te der Altstadt (Bocksmauer/Natruper-Tor-
Wall), der seinen Namen angeblich nach ei-
nem Stein mit Bockskopf erhielt, der ehemals
am obersten Stockwerk des Turms eingemau-
ert war. Der heute viergeschossige Turm, der
auf dem Grundriß eines überhöhten Halbkrei-
ses erbaut ist, war ursprünglich etwa 10 m hö-
her. Über seinem überwölbten Untergeschoß
war er wahrscheinlich zur Stadtseite hin offen
und bis zu seiner teilweise Abtragung 1805
auch im obersten Geschoß gewölbt. Die Kro-

ne der zu beiden Seiten an den Turm anschlie-
ßenden Stadtmauer lag auf gleicher Höhe mit
dem ersten Obergeschoß des Turms. Der
Wehrgang stand mit diesem durch seitliche
Türen in Verbindung, so daß die Wachen von
ihm aus den Turm durchschreiten konnten.
Auf der gerundeten Westseite des Bucks-
turms wurde 1922 das Denkmal für das Infan-
terie-Regiment Herzog Friedrich Wilhelm von
Braunschweig Nr. 78 angebracht, eine Arbeit
des Berliner Bildhauers Hermann Hosäus.
Im Osten der Altstadt, am linken Haseufer,
sind die beiden durch einen jüngeren Mauer-
zug verbundenen Turmstümpfe der sog. Hel-
lingsmauer dieser Befestigung des 12./13. Jh.
zuzurechnen, die hier östlich des Dombezirks
über die Grundstücke der Kurien an der
Domsfreiheit verläuft (Große Domsfreiheit
2-8). Der größere nördliche Turmstumpf, der
sich auf dem Grundstück der bischöflichen
Residenz befindet, war in seiner Anlage dem
Bucksturm vergleichbar. Vermutlich nach der
Mitte des 19. Jh. wurde der halbrunde Turm im
Obergeschoß zu einer Kapelle ausgebaut.
Den weiteren Verlauf der Befestigungslinie
nach Süden bezeichnet der in Mauerresten
erhaltene runde Krümpers- oder Hexenturm

am Haseufer beim ehemaligen Herrenteich-
stor (Georgstraße 5A). Der Überlieferung
nach war der Turm zur Zeit der Hexenverfol-
gungen im 17. Jh. Ort der sog. Wasserprobe,
der die als Hexen verdächtigten Frauen unter-
worfen wurden. Im 18. Jh. trug man ihn zum
größeren Teil ab.
Der mittelalterlichen Befestigung der Altstadt
zugehörig war vermutlich auch der Pernickel-
turm, der sich im Nordosten der Altstadt auf
dem rechten Haseufer gegenüber der Pernik-
kelmühle befindet. Der kleine, auf quadrati-
schem Grundriß erbaute Turm, der bereits in
der ersten Hälfte des 13. Jh. erwähnt wird, er-
hielt seinen Namen nach seiner Lage gegen-
über einem Pernekel genannten Wiesenge-
lände. Er diente wohl dem Schutze der bei der
ehemaligen Bischofsmühle gelegenen Hon-
pforte, die mit dem Ausbau der Stadtbefesti-
gung im 16. Jh. geschlossen wurde.
Hohe Mauer
Die nahe an die Stadt herantretenden Höhen
des Wester- und Gertrudenberges bedeute-
ten im Verteidigungsfall eine Gefährdung, ins-
besondere der unmittelbar gegenüber dem

Bocksmauer/Natruper-Tor-Wall, Bucksturm Pernickelturm am Herrenteichswall


Nördlicher Turm der Hellingsmauer am Haseufer östlich der Großen Domsfreiheit


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