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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0096
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Weltkrieg charakteristisch ist, vertritt das El-
ternhaus des Malers Felix Nußbaum, das der
Architekt O. Schneider 1922/23 erbaute (Nr.
11). Die verputzte Drei-Achsen-Fassade wird
durch kannelierte Pilaster, Lünetten über den
hohen Erdgeschoßfenstern und ein kräftig
hervortretendes Mittelportal mit Dreiecksgie-
belverdachung aufwendig mit dem Formenre-
pertoire des Klassizismus gegliedert und ge-
staltet. Neben dem Haus mit originaler Frei-
treppe und Garteneinfriedung befindet sich
die mit neubarocken Elementen gestaltete
Garage. Zurückhaltendere Formen in Anleh-
nung an den Frühklassizismus zeigt Nr. 23 mit
sparsam und fein gegliederten Putzfassaden
(1923, Architekt A. Möllenbruck, Dachzone
verändert). Zeittypischen Wechsel vom Putz-
bau zum Ziegelsichtmauerwerk zeigt das be-
nachbarte Wohnhaus Schloßstraße 21, ein
mit Blick auf die Baukunst des ausgehenden
18. Jh. geschaffener großzügiger Villenbau
des Architekten Lothar Gürtler (1926, Dachzo-
ne verändert).
Letzte Veränderung im Stadtgrundriß der
Neustadt vor dem Zweiten Weltkrieg war die
Verlängerung der Süsterstraße über die Kom-

menderiestraße hinaus nach Westen bis zum
heutigen Johannistorwall, die in der zweiten
Hälfte der zwanziger Jahre erfolgte. In diesem
Straßenabschnitt errichtete das Reichsbau-
amt 1928/30 durch den Architekten Regie-
rungsbaurat Kahl das ehemalige Reichs-
dienstgebäude (Finanzamt), das mit dem
gleichzeitigen Hochhaus der städtischen
Krankenanstalten zu den bemerkenswerte-
sten Großbauten der Zeit in Osnabrück gehört
(Süsterstraße 46/48). Im Gegensatz zu dem
kühl wirkenden Krankenhausbau am Natru-
per-Tor-Wall wurde hier unter Respektierung
der heimischen Bautradition auf Bruchstein
als Baumaterial zurückgegriffen, dessen na-
türliche Lebendigkeit die Kantigkeit der Archi-
tektur mildert. Der in seiner Massenverteilung
fein ausgewogene langgestreckte Baukörper
von drei Geschossen und 25 Achsen wird
gegliedert und rhythmisiert durch zwei vierge-
schossige überhöhte Risalite, die die Trep-
penhäuser aufnehmen. Den wuchtigen Verti-
kalen der Risalite halten die den gesamten
Bau umlaufende Sohlbankgesimse und das
mächtige Hauptgesims, das nur an den Risali-
ten unterbrochen ist, das Gleichgewicht. Die
Risalite ihrerseits erfahren durch ein abschlie-

Schloßstraße 11,1923, Architekt O. Schneider


Schloßstraße 23, 1923, Architekt A. Möllenbruck


Süsterstraße 46/48, ehern. Reichsdienstgebäude,
1928-30, Architekt Kahl



Natruper-Tor-Wall, Stadt. Kliniken, Hochhaus,
1928-29

Heger-Tor-Wall 18, ehern. Kgl. Regierungs-
gebäude, Mittelbau


ßendes Kolossalgebälk und Reichsadler-
Reliefs in der Mitte ihrer Stirnwände eine be-
sondere Hervorhebung, die dem nüchternen
Bau der staatlichen Verwaltung ein erhebli-
ches künstlerisches Pathos verleiht.

WESTLICHE WALLSTRASSEN

Nachdem die Bautätigkeit in der Feldmark vor
den Toren der Stadt in größerem Umfange be-
reits eingesetzt hatte, begann man 1872 mit
der abschnittsweisen Beseitigung der Wälle
auf der Westseite der Stadt, die 1877 abge-
schlossen war. Mit Blick auf die Wiener Ring-
straße, wenn auch in einer den finanziellen
und räumlichen Verhältnissen Osnabrücks
entsprechend bescheidenen Form, entstand
auf dem Grund der ehemaligen Wallbefesti-
gung zwischen Vitischanze im Norden und
Martinspforte im Süden eine relativ großzügi-
ge Straßenfolge, die mit Rücksicht auf die örtli-
chen Gegebenheiten unterschiedlich breit als
baumbestandene Promenade und gleichzei-
tig als vermittelnder Verkehrsweg zwischen
Innenstadt und den neuen westlichen Stadter-
weiterungen angelegt wurde (Hasetorwall-
Natruper-Tor-Wall - Heger-Tor-Wall - Schloß-
wall). Die Ringstraßenanlage blieb in der
Hauptsache auf die Altstadt beschränkt, im
Bereich der Neustadt, wo der Umfang der Be-
festigungen wesentlich geringer war, fand die
Promenade erheblich schmaler mit dem
Schloßwall ihre Fortsetzung im Süden bis zur
Hermannstraße, wo die damals bereits dicht
bebauten Vorstadtstraßen vor dem Johannis-
tor einer Weiterführung den Weg verlegten.
Die Fortsetzung der Ringstraße nach Süd-
osten erfolgte erst - nun für den Autoverkehr
- nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Aufwei-
tung der ursprünglich engen, dem mittelalterli-
chen Mauerzug folgenden Straßen, die sich
im Süden der Neustadt anschlossen (Johan-
nistorwall-Petersburger Wall). Einbezogen in
die neuen Anlagen der Wallpromenaden ließ
man einzelne Teile der Stadtbefestigung als
Zeugnisse der Stadtgeschichte bestehen. Auf
diese Weise blieben Vitischanze und Barent-
urm, Bürgergehorsam, Bucksturm, Heger Tor
und, im Bereich der Neustadt Plümersturm
und Neustädter Turm vor dem Untergang be-
wahrt (s. S. 57ff.).
Während die Wallpartien zunächst von Wohn-
hausbebauung nahezu frei blieben, begann
hier frühzeitig die Konzentration öffentlicher
Großbauten, die von der aufstrebenden Stadt
seit den sechziger Jahren errichtet wurden.
Auf das bereits ein Jahrzehnt vor Niederle-
gung der Wälle erbaute städt. Krankenhaus
vor dem Heger Tor, das sich mit seinen vorge-
lagerten Grünanlagen der später eingerichte-
ten Wallpromenade städtebaulich anschließt,
folgten städt. Turnhalle am Schloßwall (1873,
nicht erhalten), Töchterschule am Heger-Tor-
Wall (1875, nicht erhalten), ev. Volksschule an
der Johannismauer (1876, nicht erhalten), ev.
Volksschule vor dem Natruper Tor (1884, ver-
ändert), Museum am Heger-Tor-Wall (1888/
89), Regierungsgebäude (1893), Erweite-
rungsbau der Töchterschule am Heger-Tcr-
Wall (1905/07), Ratsgymnasium am Schloß-
wall (1906/08), Staatsarchiv am Schloßwall

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