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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0088
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nördliche, dem Steinwerk zugewandte ein
noch spätgotisch geprägter Dreiecksgiebel,
der nur durch schmale Gesimse gegliedert
und mit einer Rosette bekrönt ist. Die Südseite
dagegen besitzt den eigentümlichen, durch
Kreissegmente gebildeten Giebel, der 1588
datiert ist und wohl gleichzeitig mit dem Anbau
des Treppenturms entstand. Mit seinen noch
teilweise erhaltenen Innenräumen ist der Le-
denhof einziges Beispiel für Gestalt und
Wohnverhältnisse eines reichen städtischen
Parizieranwesens des 16. Jh. in Osnabrück.
Nach durchgreifender Instandsetzung in den
Jahren 1964-76, welche verschiedene Ver-
änderungen für die neue Nutzung des Hauses
als Musikbibliothek mit sich brachte, wurden
die Innenräume mit ihrer ursprünglichen Re-
naissance-Ausmalung der Decken sowie die
einstige farbige Bemalung der Außenwände in
Ritztechnik nach erhaltenen Resten rekon-
struiert.
Nördlich des Ledenhofs an der Alten Münze
erbaute die Provinzialverwaltung 1904/05
durch Landesbaurat O. Magunna die Provin-
zial-Taubstummenanstalt, eine ehemals an-
sehnliche, mehrteilige und symmetrische
Anlage, aus deren ursprünglichem Bestand

heute nur noch der Mittelrisalit des Hauptge-
bäudes mit hohem, in Renaissanceformen ge-
bildeten Volutengiebel erhalten geblieben ist
(Alte Münze 12-18).
GROSSE STRASSE UND UMKREIS
Gleich den anderen alten Fernstraßen, die
aus der mittelalterlichen Domburg führten,
entwickelte sich die Große Straße vor dem
Südtor der Domburg zu einer der Hauptach-
sen des wirtschaftlichen Lebens der Stadt, in
der sich bedeutende Kaufmannsanwesen
konzentrierten. Mit der Anlage von Bahnhofs-
viertel und Neumarkt begann sie in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jh. ihr Gesicht zu einer
Geschäftsstraße zu wandeln, aus der das alt-
städtische Bürgerhaus allmählich durch neue
Geschäftshausbauten verdrängt wurde. Bei
fast restloser Kriegszerstörung haben sich in
der Straße lediglich drei ihrer Qualität nach
herausragende Bürgerhäuser des ausgehen-
den 18. Jh. erhalten. Große Straße 43, das
1768 für den Bürgermeister Berghoff erbaut
wurde, ist heute das reichste und qualitätvoll-
ste Zeugnis des bürgerlichen Rokoko in Osna-
brück. Der breite zweigeschossige Bau von



Herrenteichstraße 3/4,1807

Große Straße 43,1768


Große Straße 46, Hirschapotheke, 1797/98, Architekt G.H. Hollenberg

sieben Achsen wendet der Straße seine Trau-
fe zu und zeigt in seiner Anlage deutlich die
Abwendung vom älteren Osnabrücker Haus-
typus zugunsten eines moderneren Grundris-
ses, der den veränderten und verfeinerten
Wohnansprüchen der Zeit Rechnung trägt.
Bemühung um Ausgewogenheit prägt die Ge-
staltung der sorgfältig in Sandsteinquadern
vorgeblendeten Fassade. Den kräftig hervor-
gearbeiteten Horizontalen von Gurt- und
mehrfach gegliedertem Hauptgesims halten
die Vertikalen der Lisenen, die an den Gebäu-
deecken bereichert sind durch pilasterartige
Vorlagen, das Gleichgewicht. Die Fassaden-
gestaltung erfährt ihre Konzentration in dem
dreiachsigen, schwach vortretenden Mittelri-
salit, der durch einen geschwungenen Giebel
bekrönt wird und im Detail besonders reich ge-
staltet ist. Hier besitzen die Stichbogenfenster
Gesimsverdachungen, die Mittelachse erfährt
durch elegante Zusammenziehung von schö-
nem Portal und darüberliegendem Fenster
des Obergeschosses eine zusätzliche Beto-
nung, die durch ein bekrönendes Ochsenau-
ge im Giebelfeld bekräftigt wird. Vasenbekrö-
nungen über der Mittelachse und den Lisenen
schließen den Fassadenaufbau ab. Die heuti-
ge Erscheinung ist durch den Einbau großflä-
chiger Ladenfenster im Erdgeschoß zu Ende
des 19. Jh. beeinträchtigt, die ursprünglich un-
gestaltete Seitenfront des Hauses zur Stu-
benstraße nach dem Weltkrieg der Hauptfas-
sade angeglichen worden. Im Inneren ist das
Haus völlig erneuert und zu Geschäftszwek-
ken ausgebaut.
Das Fortschreiten der stilistischen Entwick-
lung zeigt Nr. 62, ein zweigeschossiger Bau
von drei Achsen, dessen feiner, in Sandstein-
quadern vorgeblendeter Giebel gegen 1790
unter Umbau eines älteren Hauses entstand.
Ein noch im Barock verhafteter, kräftig ge-
schwungener und urnenbekrönter Giebelauf-
bau verbindet sich hier mit den eleganten
Louis-seize-Formen der übrigen Fassaden-
durchbildung. Auch dieses Haus ist heute im
Inneren erneuert und zum Geschäftshaus
ausgebaut. Zu den Hauptwerken des bürgerli-
chen Klassizismus in Osnabrück gehört die
Hirsch-Apotheke, die Georg Heinrich Hollen-
berg 1797/98 für den Apotheker J.F. Meyer
auf einem unregelmäßigen Eckgrundstück am
Nikolaiort erbaute (Große Straße 46). Der
stattliche, 2 1/2-geschossige Bau besitzt, wie
bei größeren Osnabrücker Häusern dieser
Zeit üblich, eine Fassade von sieben Achsen,
die in Sandsteinquadern vorgeblendet ist. Ihre
künstlerische Abhängigkeit vom wenig älteren
Bau der bischöflichen Kanzlei ist unschwer er-
kennbar. Nicht allein das große Motiv des brei-
ten, durch eine Pilasterstellung ausgezeich-
neten Mittelrisalits, der von einem Frontispiz
bekrönt wird, auch die übrigen Hauptelemente
der Fassadengliederung weisen auf das Vor-
bild von Schaedlers Kanzleibau (vgl. S. 65f.).
Anders als dort und vergleichbar Krahnstraße
1/2 schließt jedoch ein voll ausgebildetes Ge-
bälk den Fassadenaufbau des Hauses ab.
Der ornamentale und figürliche Schmuck ist
Werk des Bildhauers Georg Gerhart Wessel
und konzentriert sich insbesondere auf den
Risalit, dessen Mittelachse durch ein Portal
mit gerader Verdachung, profilierte Fen-
stereinfassungen und, über dem Oberge-
schoßfenster, einem Basrelief mit der Darstel-

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