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Eckardt-Jassoy, Sophie
Beiträge zu einer Geschichte der Klangveränderungen altfranzösischer Vortonvokale vornehmlich in erster Silbe: aus Texten des Zeitraums von c. 1200-c. 1400 — Darmstadt: G. Otto's Hof-Buchdruckerei, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.57081#0096
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I. Im allgemeinen ist e unverändert erhalten, nur vor
r, s u. I und hinter Palatalen ist der Vokal Veränderungen
unterworfen. Diese Veränderungen treten besonders im Osten
und Nordosten hervor. Wenn man auch einige der Bildungen
als Dissimilationsformen auffassen kann, so jaleey dalez, masel,
baler u. s. w. oder in Attraktion entstanden wie balance,
porron, Galanz, solonc u. s. w., so bleiben doch noch eine
Anzahl Formen übrig, auf die keine dieser Erklärungen
passt und die auch nicht analogischen Einflüssen unterlegen
sein können, wie jaloux, trasor, valu (velii) u. a. Ich glaube
deshalb, dass auch hier die eingetretenen Änderungen sich
nur begreifen lassen, wenn wir bei diesen Wörtern in der
familiären Rede entstandene Kurzformen annehmen mit so-
nantisch gewordenen Konsonanten, aus denen sich Formen
mit einem neuem Vokal entwickelten, der sich entweder an
seine Umgebung anpasste, oder auch , wenn der Satzakzent
das Wort traf, durch breitere Aussprache um eine Stufe erhöht
wurde. Vergleiche noch die Paragraphen 4, 5 und 9.
II. Die Mundarten sprechen wiederum für diese An-
nahme, so hat das neufranzösische giron nach den Angaben
bei Littre im pikardischen gron, im wallonischen geron, in
Namur juron entwickelt. Gelee ist burgundisch als jaulee
fortgesetzt, in der nfrz. Schriftsprache ist das a in der Ab-
leitungsform galantine zu belegen ; das dazu gehörige verbum
heisst wallonisch jeder, burgundisch jeidlai^ Belege bei Littre.
Formen mit a finden sich noch in Namur (s. Niederländer
Z. R. Ph. XXIV S. 19; in La Baroche (s. Lahm, R. St. II
S. 86; in Tannois (s. Horning Z. R. Ph. XVI S. 464).
Anmerken will ich, dass neufranzösisches, von mir nicht
belegtes lutrin von den Grammatikern in den Formen letrin,
leutrayn, leutrin und lutrin belegt wird [s. Thurot I S. 453].
Die Form lutrin wird meist als vom P. P. lu beeinflusst er-
klärt. Immerhin ist es nicht unmöglich, dass es sich um eine
Entwicklung wie in prudhomme, mundartlichem tüni, süla,
juron u. s. w. handelt, die Zwischenstufen mit eu sprechen
dafür. (Vergl. auch § 11 B Anmerkung 2.) Das Burgundische
hat lottray = lettre, Beleg bei Littre, das wohl aus einer
Kurzform J’ttre entstanden.
 
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